Dialekte in Wuppertal

Dialekte in Wuppertal
Deutsche Mundarten seit 1945

Im Stadtgebiet von Wuppertal existieren stadtteilweise mehrere Dialektgruppen, die sich aufgrund mehrerer Sprachgrenzen ausgeprägt haben.

Inhaltsverzeichnis

Historischer Überblick

Das Gebiet des heutigen Wuppertal ist an vielfältigen historischen Prozessen beteiligt gewesen, meist als Ziel unterschiedlicher Territorialinteressen. Der Osten des heutigen Stadtgebiets lag zudem seit dem Frühmittelalter im Grenzsaum zwischen dem fränkischen Siedlungsraum und dem von den Sachsen beherrschten Gebiet der Borchter, einem vormals fränkischen Stamm. Diese Trennung spiegelt sich noch heute in der Grenze zwischen Rheinland und Westfalen wider. Die Besiedlung des Wupperraums zwischen dem 7. und dem 9. Jahrhundert erfolgte sowohl von fränkischer, als auch von sächsischer Seite.

Im 13. Jahrhundert bildeten sich Siedlungskerne im Wuppertal heraus, die zwar bis zum 15. Jahrhundert alle unter der Herrschaft der bergischen Herzöge standen, aber zum Großteil aus vorbergischer Zeit stammten und die Dialekte ihrer Besiedlungsrichtung repräsentierten.

Diese Jahrhunderte andauernde Entwicklung spiegelt sich in den vielfältigen Wuppertaler Dialekten wider, deren Entwicklung äußerst kompliziert verlief und bis heute nicht in allen Einzelheiten erforscht ist. Im Rahmen der drei aneinandergrenzenden Herrschaftsbereiche von Rheinland (Düsseldorf, Duisburg, Krefeld), Westfalen und Erzbistum Köln führte die geschichtliche Entwicklung zur Entstehung von drei Sprachgebieten, die durch Isoglossen voneinander getrennt sind.

In Folge der Industriellen Revolution (Textilindustrie) fand im 19. Jahrhundert ein reger Menschenstrom den Weg ins Tal der Wupper. So entwickelten sich die Schwesterstädte Barmen und Elberfeld zu den größten und wirtschaftlich stärksten Städten im Bereich des heutigen Nordrhein-Westfalen. Zusammen übertrafen sie damals die Städte Köln, Düsseldorf und Essen. Diese Zuwanderung schlug sich in einer sprachlichen Erweiterung der lokalen Dialekte wieder und so bildeten sich stadtteilbezogene Dialekte aus. Man unterscheidet daher heute Barmer Platt, Elberfelder Platt, Ronsdorfer Platt und Cronenberger Platt.

Hauptdialekteräume

In Wuppertal lassen sich vier Hauptdialekteräume ausmachen, die durch erkennbare Sprachgrenzen voneinander geschieden sind. Im Süden die Ripuarische Dialektgruppe, im Westen der südniederfränkische (veraltet ostlimburgische) Dialektraum, in der Mitte der ostbergische Dialektraum und im Osten das Märkische Platt.

Die Sprachgrenzen des Wuppertaler Raums

Die Hauptlinien im linguistischen Übergangsgebiet (westmittel-)deutscher Mundarten vom Niederfränkischen über das Ripuarische und Moselfränkische zum Rheinfränkischen liegen im sogenannten Rheinischen Fächer. Insbesondere die Benrather Linie und die Uerdinger Linie durchlaufen den Wuppertaler Raum.[1]

Die Benrather oder maken/machen-Linie

Diese im 13. Jahrhundert entstandene Benrather Sprachlinie verläuft im Wuppertaler Raum in West-Ost-Richtung zwischen Benrath (heute Düsseldorf), dem Süden Solingens, Burg an der Wupper und dem Süden Remscheids und somit knapp südlich der Wuppertaler Stadtgrenze. Sie bezeichnet jedoch keine scharfe Sprachgrenze, sondern einen Übergang innerhalb des kontinental-westgermanischen Dialektkontinuums.

Sie grenzt das sich von Süden her entfaltende ripuarisch (kölnisch)-fränkische und moselfränkische Gebiet vom Niederfränkischen Dialektraum ab. Die Benrather Linie stellt heute die wichtigste, unverändert gültige und jederzeit nachprüfbare Sprachgrenze zwischen dem niederdeutschen- und hochdeutschen Dialektraum dar. Zum niederdeutschen maken-Gebiet gehören innerhalb des Dialektkontinuums die Wuppertaler Stadtteile Vohwinkel, Cronenberg und Ronsdorf. Zum hochdeutschen machen-Gebiet zählen die südlich davon gelegenen Städte Leichlingen, Burscheid und Burg an der Wupper.

Die Uerdinger oder ek/ech-Linie

Die im 14. bis 16. Jahrhundert entstandene Uerdinger Sprachlinie zweigt zwischen den Städten Hückeswagen und Wermelskirchen von der Benrather Linie aus nach Norden ab, führt zunächst entlang der Wupper nordwärts und trennt Solingen und Wuppertal-Vohwinkel sprachlich von den östlichen Wuppertaler Stadtteilen. Östlich der Linie liegt der ostbergische Dialektraum, westlich der südniederfränkische (veraltet ostlimburgische) Dialektraum.

Diese Linie betrifft hauptsächlich die Worte ich und auch, ist also durch einzelne Erscheinungen des Hochdeutschen geprägt. Zum ek-Gebiet (niederdeutsch) gehören Remscheid-Lüttringhausen, Wuppertal-Beyenburg, Wuppertal-Elberfeld, Wuppertal-Barmen und Velbert-Langenberg (Rheinland). Zum ech Gebiet (hochdeutsch) gehören Remscheid, Wuppertal-Cronenberg, Wuppertal-Ronsdorf, Wuppertal-Sonnborn, Velbert-Neviges und Velbert. Innerhalb dieser Grenzlinie zum Westfälischen zeichnen sich zudem auch die Lautwechsel ek/ech, sek/sech und mek/mech ab.

Die Westfälische oder et/en-Linie

Die Westfälische Linie stimmt im Wesentlichen mit der Grenze überein, die zwischen den Sachsen und Franken und später zwischen dem früheren Herzogtum Berg und der Grafschaft Mark verlief. Das bergische Barmen verlagerte seine Ostgrenze um 1400 und 1922 zweimal nach Osten, so dass diese Sprachgrenze nun in Nord-Süd-Richtung mitten durch den heutigen Wuppertaler Stadtteil verläuft. Östlich dieser Sprachgrenze liegen Radevormwald, Schwelm, Wuppertal-Nächstebreck, Wuppertal-Langerfeld und Essen.

Die Westfälische Linie trennt den ostbergischen Dialektraum von dem märkischen Platt

Die Wupper-Linie

Die Komplexität der Sprachlinien zeigt sich an einer weiteren Grenzlinie, die mit dem Verlauf der Wupper in der Kohlfurth zusammenhängt: Die Mundarten Wuppertal-Cronenbergs und Remscheids auf der östlichen und Solingens (einschließlich Gräfraths) auf der westlichen Seite der Wupper unterscheiden sich deutlich voneinander. Beispiele:

  • Ost: Ketel, Lepel, Beker, Buem, schwatt, Hatte
  • West: Kessel, Leffel, Becher, Bourn, schwart, Hert

Zusammenfassung

Zusammenfassend ergibt sich folgendes Bild: Die oberbergischen Mundarten gehören zum ripuarisch-mittelfränkischen, also dem hochdeutschen, genauer: mitteldeutschen Sprachgebiet, die Mundarten zwischen Rhein und Sonnborn, Unterwupper und Ruhr sind niederfränkische Übergangsmundarten. Wuppertal-Elberfeld (außer Wuppertal-Sonnborn) und Wuppertal-Barmen (außer Wuppertal-Nächstebreck und Wuppertal-Langerfeld) gehören zum niederfränkischen Sprachgebiet, das im Süden bis Wipperfürth reicht und im Norden sich verbreitert und z. B. auch das Holländische umfasst.

In Wuppertal-Elberfeld, das stärker unter rheinisch-kölnischem Einfluss stand, machen sich auch sprachlich entsprechende Tendenzen bemerkbar. Von Wuppertal-Barmen gehörte der östliche Teil kirchlich und gerichtlich lange zu Westfalen (Mark), zu Schwelm bzw. zu Wetter. Auch dies hat sprachliche Spuren hinterlassen

Sprachbeispiele

Hochdeutsch Elberfeld Cronenberg Langerfeld Barmen Englisch
alt aul ault old old
Elberfeld Elberfeil Elwerfeil Elwerfeld
geduldig gedäulig gedü-elech gedöldig
krumm kraum kroump kromm
Luft Laut Lout Loft
mein ming ming min mine
Pein Ping Ping Pien
rein reng renn reen
Ruhe Rau Rouh Rou
Salz Sault Sault Solt Salt
ich bin eck sie ech sinn ek sie I am
ich gehe eck geng ech gonn ek go I go
ich habe eck hann ech hann ek häff I have
Buch Bok Bu-ek Bauk Book Book
fliegen fleegen fli-egen flaigen flegen fly
frieren freesen fri-esen fraisen fresen freeze
hoch hoach hu-e hoge huach
Hund Honk Hongk Rue Hongk
Hut Hot Hu-et Haut Hoot Hood
Mutter Moder Mu-eder Moer Moder Mother
sprechen kallen kallen küren kallen call
erzählen vertellen vertellen vertellen vo´tellen tell

Beispiel Oberbarmer Platt

Oberbarmer Platt von Bernd Lehmbach
In Lautsprache

De groote Frässe man schtenkönd fuul,
so laabot arme Lütt dat Muul.
Gään, dont´se taggen on ock kloppen,
demm Angon, dat groote Frässbrätt schtoppön.
Schiilze no dem Angon sinne Schixe,
kresse alt schon wiar Wixe.
Hässe als Köttel wat gemakt,
kikße mols blöd ute Wäsche,
kresse van de Ollen ock no Dräsche.
De Box göflickt, de Schau em Driet,
dat wor as mols en schlaite Tied.
Krechtze ock öfto wat anne Ooren,
send wo do alle grot geworen.
Trümmo hat´n wo reichlich satt,
hütt es dat awwer en groote Schtatt.
Met Oppasso vam Amt oh wat fain,
dä´önse fröher ock gään Pansch sain
Wat woße dann ? Do bösse Platt !
Brunköppe hant´se schnell am Gat.
Dröm bliew arbeedsam on
redlich en dinne Tat,
dat es no Owobarmo Aat.

Beispiel der Cronenberger Mundart

Qui-ekenfusel von Manfred Osper

  • Vuogelski-eschen vam Qui-ekenbuom,
  • gowen dänn Aulen geföalechen Kloaren.
  • Datt Tüüch wo-ar enn d’r Mu-elen ku-em,
  • do geng alt datt Fu-er ut d’r Juppe verloaren.
  • Nomm ti-enden woaren se pleesterscheel,
  • vergoten Moses on de Propheten,
  • on komen nit rut ut där Mukendeel,
  • gow-ett do u-ech noch gett te eten.
  • Enn Linnewewer kohm enn de Mau,
  • dann gong’et hi-em, no där li-ewen Frau.
  • On die fong schwalkech aan te sengen:
  • „Owes di-este höppen on sprengen,
  • on morges kannste ding Boxe nit fengen.“
  • Der Rest wo-ar – wie angersch – Schabau.

Beispiel der Barmer Mundart

I-Dötzchen von Else Küllenberg

  • Nu kiek ens aan da kleene Stropp,
  • wie löstig ha met Kengercharme,
  • omm Räuen sinne neue Tasch,
  • ne söte Riesenblos em Arm,
  • seck oppem Schoalwech heet gemackt!
  • Noch häult de Moder enn gepackt
  • on brengten böß tur Pote hen,
  • dann löst seck ähre starke Hank,
  • entlött den Kleng dat Stöck alleen
  • en sinne neue Kengerwelt.
  • Off deck dat, Jönken, getz gefälIt,
  • stellsetten op ner häuItern Bank,
  • tu reknen, schriewen allerhank?
  • Schoalmeester maken deck getz klog
  • on learen deck de reite Sprok.
  • Omm Schoalhoff äwer weasche senn,
  • dinn Kameroden balgen gähn.
  • Dat göfft molls Knies on vöII Radau.
  • Macksse dobi nu schnelle Been,
  • or heesse selfs wat en de Mau?
  • Nu weahr deck bIoß! Et Lewen blifft
  • kinn Kengerspeel. Sie flietig, keck!
  • Haul Herz on Senn am reiten FleckI
  • De Welt bruckt arbettsame Lüt.
  • Fulpelz on Brunköpp machse nit!

Bergische Heimatdichter

  • Margaret Hild (Remscheid)
  • Charlotte Elling und Else Küllenberg (Wuppertal)
  • Bernd Lehmbach (Wuppertal-Barmen) Benno van´e Gemarke
  • Karl-Heinz Dickinger, Edwin Markert (Cronenberg)
  • Marga Rühl (Ronsdorf)

Wuppertaler Mundartexperten

  • Lore Duwe (u.a. Übersetzung der Mina Knallenfalls ins Hochdeutsche)
  • Gunnar Kohleick (u.a. Kochbuch "Koken wia tu Huus")
  • Bernd Lehmbach (Barmer Ost Dialekt) Benno van´e Gemarke (Mundartdichtung)(Hobby Dialektforschung)

Literatur

  • Hans Eggers: Dt. Sprachgeschichte, 1986
  • J. Leithäuser: Volks- und Heimatkunde
  • J. Leithäuser: Wörterbuch der Barmer Mundart, 1929
  • J. Leithäuser: Wörterbuch der Elberfelder Mundart, 1929
  • Gerd Helbeck: Nächstebreck, 1984
  • Wuppertaler Schulatlas, 1911
  • Bernd Lehmbach : Wörterbuch Oberbarmer Platt vor 1965-2010
  • Bernd Lehmbach : Wörterbuch Hochdeutsch-Barmen Gemarker Platt übersetzt.Vorlage nach Barmer Mundart 1929 von Prof.J Leithäuser
  • Bernd Lehmbach : Mundartdichtung Oberbarmer Platt 2009 ( Benno van´e Gemarke )

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Die Dialekte des Rheinlandes: Karte bei dem Webauftritt des Landschaftsverbands Rheinland

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