Dialektinsel

Dialektinsel

Unter Sprachinsel wird eine verhältnismäßig kleine geschlossene Sprach- und Siedlungsgemeinschaft verstanden, welche sich in einem größeren fremden Sprachgebiet befindet.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung von Sprachinseln

  • Zuwanderung kleiner Sprachgruppen in fremde Sprachgebiete (Beispiel: Katalanen auf Sardinien)
  • Zuwanderung einer dominanten Sprachgruppe und der darauf folgenden fast vollständigen Assimilation – bis auf wenige Sprachgemeinschaften – der ursprünglichen Bevölkerung (Beispiel: Sorben in Ostdeutschland)

Entscheidend für die Bezeichnung Sprachinsel ist, dass die Sprache im Ursprungsland noch gesprochen wird. Viele Sprachinseln sind heute bedroht oder bereits untergegangen. Die Überlebensfähigkeit einer Sprachinsel ist entscheidend von ihrer Isolierung abhängig. Die äußere Bedrohung durch das Wirtsland in politischer, kultureller, religiöser und/oder sprachlicher Hinsicht ist ein ebenso entscheidender Motor für den Erhalt der Sprachinsel, wie seine evtl. geographische Isolierung, z.B. in einem abgelegenen Gebirgstal oder auf einer Insel. Der Wegfall solcher Bedrohungen, wie wir sie nach Auflösung der Sowjetunion erlebten, führte in kurzer Zeit zu fast vollständiger Auflösung auch der Sprachinseln. Insbesondere religiöse Tendenzen können ein entscheidender Motor für die Isolierung der Sprachinsel von ihrer Umwelt und dem Erhalt ihrer Sprache und kulturellen Identität sein.

Deutsche Sprachinseln

deutsche Sprachinseln in Mitteleuropa 1901

Bedingt durch verschiedene Siedlungsbewegungen, die im Mittelalter begannen (siehe Deutsche Ostsiedlung) und erst Mitte des 19. Jahrhunderts ihr Ende fanden, gab es bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, in wenigen Fällen auch bis heute, deutsche Sprachinseln, die über große Teile Ost- und Ostmitteleuropas verstreut waren bzw. sind. Bei den kleinsten dieser Sprachinseln handelt es sich lediglich um einzelne kleine Dörfer, bei den größten um fast geschlossen deutsche Sprachlandschaften (z. B. Siebenbürgen) inmitten fremdsprachiger Gebiete. Diese Sprachinseln fanden sich in weiten Teilen Polens, des Baltikums, Weißrusslands, der Ukraine, Böhmens, der Slowakei, Ungarns, Rumäniens, Sloweniens und Kroatiens. Einige Sprachinseln befanden sich auch auf dem Gebiet des heutigen Serbiens.

Darüber hinaus gab es deutsche Sprachinseln im Gebiet des Kaukasus, in der Nähe von Sankt Petersburg sowie an einigen Stellen im Ural und in Sibirien.

Auch bei der Besiedlung der Neuen Welt taten sich häufig deutsche Auswanderergemeinschaften zusammen, die jeweils einem bestimmten Herkunftsgebiet entstammten und die im Zielgebiet relativ geschlossen siedelten. Insbesondere im Mittleren Westen der Vereinigten Staaten, im Westen Kanadas, im Süden Brasiliens und in Südchile finden sich noch heute verschieden gut erhaltene deutsche Sprachinseln.

Im Gefolge des Ersten Weltkriegs und schließlich noch einmal im Laufe des Zweiten Weltkriegs entstand in den deutschen Siedlungsgebieten Nordamerikas die Notwendigkeit, die Loyalität zur neugefundenen Heimat u.a. auch dadurch zu bekunden, dass man sich nicht mehr der deutschen Hochsprache oder der verschiedenen deutschen Dialekte bediente. Dies führte dazu, dass die überwiegende Mehrzahl an deutschen Sprachinseln in Nordamerika heute nur noch relikthaft vorhanden sind, indem spätestens seit den vierziger Jahren das Deutsche aus der Öffentlichkeit und aus den meisten Familien verdrängt wurde.

Sprachinseln in Deutschland

außerhalb des geschlossenen deutschen Sprachraums

Sprachen in Österreich-Ungarn aus: Distribution of Races in Austria-Hungary Historical Atlas, William R. Shepherd, 1911

Der geschlossene deutsche Sprachraum erstreckt sich heute über Deutschland, Österreich, die Deutschschweiz, Liechtenstein, Südtirol, Luxemburg und die deutschen Sprachgebiete in Belgien.

Ungarn

Rumänien

Schweiz

  • Obersaxen (Walserdeutsch inmitten rätoromanischsprachigem Gebiet)
  • Vals GR (Walserdeutsch inmitten rätoromanischem Gebiet)
  • Bosco/Gurin (Walserdeutsch inmitten italienischsprachigem Gebiet)
  • Mont-Tramelan (deutsche Sprachinsel im französischsprachigen Gebiet des Kantons Bern)
  • Châtelat (deutsche Sprachinsel im französischsprachigen Gebiet des Kantons Bern)
  • Rebévelier (deutsche Sprachinsel im französischsprachigen Gebiet des Kantons Bern)

Italien

Deutsche Sprachinseln in Norditalien: 1 Gressoney; 2 Issime; 3 Rimella; 4 Kampell; 5 Formazza; 6 Dreizehn Gemeinden; 7 Sieben Gemeinden; 8 Lusern; 9 Fersental; 10 Pladen; 11 Zahre; 12 Tischelwang; 13 Kanaltal


Walserische Sprachinseln

in der autonomen Region Aostatal

  • Gressoney: Gressoney-La Trinité, walserdeutsch Greschune- Oberteil, Gressoney-Saint-Jean, walserisch Greschunei Onderteil òn Méttelteil (eigentlich Sprach-Halbinseln, da an den deutschsprachigen Teil des Wallis grenzend) (Sprachinsel ist noch gut erhalten.)
  • Issime, walserisch Eischeme (Sprachinsel ist noch gut erhalten.)

in der Provinz Vercelli

  • Alagna Valsesia, walserdeutsch Im Land (Sprachinsel führt ein Nischendasein.) (eigentlich Sprach-Halbinsel, s. unter Gressoney)
  • Rima, walserdeutsch In d Arimmu (Sprachinsel existiert nicht mehr; Rima und San Giuseppe bilden heute zusammen die Gemeinde Rima San Giuseppe.)
  • Rimella, walserdeutsch Remmalju (Sprachinsel ist noch gut erhalten.)
  • Riva Valdobbia, walserdeutsch Rifu (Sprachinsel existiert nicht mehr.)

in der Provinz Verbano-Cusio-Ossola (eigentlich Sprach-Halbinseln, s. unter Gressoney)

  • Agàro, walserdeutsch Ager (Sprachinsel existiert nicht mehr.)
  • Ausone, walserdeutsch Ogschtu (Sprachinsel existiert nicht mehr.)
  • Campello Monti, walserdeutsch Ggampel (Sprachinsel existiert nicht mehr.)
  • Formazza, walserisch Pomatt (Sprachinsel ist noch gut erhalten.)
  • Macugnaga, walserischdeutsch Maggana (Sprachinsel führt ein Nischendasein.)
  • Salecchio, walserdeutsch Salei (Sprachinsel existiert nicht mehr.)
  • Ornavasso, walserdeutsch Urnafasch (Sprachinsel existiert nicht mehr.)

Zimbrische Sprachinseln

Luserna, zimbrisch Lusern (Provinz Trient, Region Trentino-Südtirol):

Lusern ist die am besten erhaltene und aktivste Sprachinsel der Zimbern: 90 % der Einwohner sprechen im Alltag zimbrisch.

Fersental: Valle dei Mòcheni, Palù del Fersina (deutsch Palai im Fersental), Fierozzo (deutsch Florutz), Frassilongo-Roveda (deutsch Eichleit) (Provinz Trient, Region Trentino-Südtirol)

Zimbrische Sprachinseln, die nur noch eingeschränkt erhalten sind (in der Region Venetien):

Sieben Gemeinden, zimbrisch Siben Komoin, ital. Sette Comuni (Provinz Vicenza, Region Venetien)

  • 1 Asiago, zimbrisch Sleghe, deutsch Schlege
  • 2 Gallio, zimbrisch Gelle/Ghel, deutsch Gelle
  • 3 Roana, zimbrisch Robàan, deutsch Rovan
  • 4 Fozza, zimbrisch Vüsche/Vütsche
  • 5 Enego, zimbrisch Ghenebe, deutsch Jeneve
  • 6 Rotzo, zimbrisch Rotz
  • 7 Lusiana, zimbrisch Lusaan, deutsch Lusian

Das Zimbrische in den Sieben Gemeinden führt nur noch ein Nischendasein in Roana und dessen Ortsteil Mezzaselva.

Dreizehn Gemeinden, italienisch Tredici Comuni (Provinz Verona, Region Venetien)

  • 1 Azzarino, deutsch Asarin
  • 2 Badia Calavena, deutsch Kalwein, zimbrisch Kalfàain oder Màbado
  • 3 Bosco Chiesanuova, deutsch Neuenkirchen, zimbrisch Nuagankirchen
  • 4 Camposilvano, deutsch Kampsilvan
  • 5 Cerro, deutsch Sèr, zimbrisch Tschirre
  • 6 Erbezzo, deutsch gen Wiesen
  • 7 Rovere/Rovere di Velo Veronese, deutsch Rovereid
  • 8 San Bortolo , zimbrisch Bòrtolom
  • 9 San Mauro di Saline, deutsch San Moritz
  • 10 Selva di Progno, deutsch Prugne, mit den Ortsteilen Giazza, deutsch Gletzen, zimbrisch Ljetzan, und Campofontana, zimbrisch Funtàn, deutsch Pontan
  • 11 Tavernole
  • 12 Val di Porro, deutsch Porrental
  • 13 Velo Veronese, zimbrisch Vellje, deutsch Feld

Das Zimbrische in den Dreizehn Gemeinden wird nur noch in Giazza/Ljetzan gesprochen.

Nicht mehr aktive zimbrische Sprachinseln (in den Regionen Trentino-Südtirol, Venetien und Friaul):

Deutsche Sprachinseln in Venetien und Friaul

Slowenien

Tschechien

Slowakei

Polen

In Übersee

Jiddische Sprachinseln

Einen Sonderfall stellt die Jiddische Sprache dar, die eine westgermanische Sprache mit hebräischen und slawischen Elementen ist. Es ist in der Forschung umstritten, ob sie als eigenständige Sprache oder eher als eine Variante des Deutschen zu betrachten ist.

Durch die nationalsozialistische Vernichtungspolitik sind die früheren großen geschlossenen jiddischen Sprachinseln der „Schtetl“ in Ostmittel- und Osteuropa (Polen und Ukraine (Galizien), Weißrussland, Litauen (Wilna), Moldawien, Jüdisches Autonomes Gebiet in der Sowjetunion), auch Deutschland (Berliner Scheunenviertel in der Spandauer Vorstadt) und Österreich (Wiener Leopoldstadt) weitgehend erloschen. Nach dem Zweiten Weltkrieg steht die jiddische Sprache unter den Emigranten in den USA (New York, bes. Lower East Side in Manhattan und Williamsburg in Brooklyn), Kanada (Montreal, Toronto), Israel (Tel Aviv, Me'a Sche'arim in Jerusalem), Argentinien (Stadtteil Balvanera in Buenos Aires), Brasilien, Uruguay, Großbritannien (London), Belgien (Antwerpen) oder auch Deutschland unter starkem Assimilationsdruck, wird aber heute zunehmend wieder gepflegt. Bei Sprachkursen oder jiddischsprachigen Kulturveranstaltungen bilden sich auch heute wieder temporäre Sprachinseln.

Andere Sprachen

Albanische Sprachinseln

Italien

Hauptartikel: Arbëresh

Griechenland

Arabische Sprachinseln

Iran

Türkei

Usbekistan

Zypern

Aramäische Sprachinseln

Georgien

Irak

Iran

Syrien

Türkei

Baltische Sprachinseln

Polen

Weißrussland

Berberische Sprachinseln

Englische Sprachinseln

Franko-Provenzalische Sprachinseln

Französische Sprachinseln

Belgien

Deutschland

Französisch bzw. altfranzösische Dialekte wurden in Hugenotten- und Waldensergemeinden in Deutschland teilweise noch bis nach dem Zweiten Weltkrieg gesprochen. Lange Zeit wurde in Gottesdiensten wenigstens einmal im Monat noch Französisch gepredigt. In Louisendorf bei Marburg ist das Französische z. B. erst um 1990 ausgestorben.

Ansiedlungen der Hugenotten und Waldenser bestanden besonders in

Kanada

Österreich

Im 13. und 14. Jahrhundert bestanden im südlichen Donauraum vom Salzkammergut bis zum Wienerwald Ansiedlungen altfranzösischsprachiger Waldenser, die nach Verfolgungen durch die Inquisition im 14./15. Jahrhundert wieder verschwanden.

Südafrika

  • Franschhoek, um 1690 angesiedelt, schon um 1730 wieder ausgestorben, aber in zahlreichen Familiennamen erhalten

USA

Friesische Sprachinseln

Griechische Sprachinseln

Georgien

Italien

Hauptartikel: Griko

Russland

Katalanische Sprachinseln

Kreolische Sprachinseln

  • Palenquero; spanischbasierte Kreolsprache in Kolumbien

Niederländische Sprachinseln

Spanische Sprachinseln

Polnische Sprachinseln

  • Ruhrgebiet, noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts wird auf einigen Gruben fast ausschließlich Polnisch gesprochen; dann allerdings waren die aus den polnischsprachigen deutschen Ostgebieten (West- und Ostpreußen, Posen) eingewanderten Ruhrpolen in der nationalistischen Stimmung des Deutschen Kaiserreiches weitgehend zur Assimilierung gezwungen.

Masurisch (Polnischer Dialekt)

  • Gelsenkirchen Ende des 19./ Anfang des 20. Jahrhundert (ausgestorben)

Okzitianische Sprachinseln

  • La Guardia Piemontese in Italien (Calabria)

Slawische Sprachinseln

Türkische Sprachinseln

Siehe auch

Literatur

Weblinks


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