Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow
Titelseite der ersten Ausgabe des Romans Die Brüder Karamasow von Fjodor Dostojewski, November 1880
Portrait des Schriftstellers Fjodor Dostojewski, Öl auf Leinwand (1872) von Wassili Grigorjewitsch Perow, Tretjakow-Galerie, Moskau
Grabmal Dostojewskis in Sankt Petersburg. Auf dem unteren Stein ist das Epigraph (Joh 12,24 LUT) von Die Brüder Karamasow zu lesen.

Die Brüder Karamasow, in manchen Ausgaben auch Karamasoff, russisch Братья Карамазовы (Brat'ja Karamazovy), ist der letzte Roman des russischen Schriftstellers Fjodor Dostojewski, geschrieben in den Jahren 1878–1880. Er zählt zu den größten Werken der Weltliteratur.[1]

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Die Handlung kreist um drei Brüder, die zwar äußerlich sehr verschieden, aber alle von tiefer Leidenschaft ergriffen sind. Dmitri, der älteste, ist Soldat. Iwan, der die Universität besucht hat, verkörpert den atheistischen Intellektuellen. Alexej (»Aljoscha«) schließlich, im Vorwort vom Erzähler zum Protagonisten erklärt, den der Leser die meiste Zeit über begleitet, ist Novize. Sie alle stehen im Konflikt mit ihrem moralisch verkommenen Vater Fjodor. Ein vierter Bruder ist möglicherweise – so wird angedeutet – Smerdjakow, Bediensteter von Fjodor Pawlowitsch Karamasow und Sohn der Lisaweta Smerdjastschaja, der Stinkenden.

Dmitri gerät in Streit mit dem Vater, der ihm angeblich Geld schuldet und der wie er Gruschenka heiraten will. Dmitri schwört, den Vater töten zu wollen, und greift ihn tätlich an. Als der Vater wirklich umgebracht wird, fällt der Verdacht sofort auf den ältesten Sohn, zumal dieser am Tatort war und später scheinbar die 3000 Rubel ausgegeben hat, die sein Vater aufbewahrt hatte, um sie der Geliebten zu schenken. Dmitri wird schließlich zur Zwangsarbeit in Sibirien verurteilt. Anfänglich akzeptiert er dies als gerechte Strafe für seinen Hass und seine Mordgedanken, willigt dann aber doch in die Fluchtpläne seines Bruders Iwan ein. Er wird sich nämlich zusammen mit seinem Bruder Alexej darüber bewusst, dass die Strafe, zumal er unschuldig ist, für ihn zu schwer wäre und er daran zu Grunde gehen würde. Der wirkliche Täter ist Smerdjakow, der sich am Tag vor dem Prozessbeginn erhängt. Er hat geglaubt, durch die Tat einer unausgesprochenen Aufforderung Iwans nachzukommen.

Mit diesem Hauptstrang der Handlung verweben sich weitere, so die Geschichte des Starzen Sosima, eines hochangesehenen Mönchs aus einem Kloster nahe der Stadt, in dem Aljoscha eine Zeit lang gelebt hat; die Geschichte des Hauptmannes Snegirjow, der von Dmitri beleidigt und geschlagen wurde, und seines Sohnes Iljuscha, der diese Beleidigung nicht überwinden kann und schließlich krank wird und stirbt.

Der Roman entfaltet eine Fülle tiefer Gedanken über die christliche Religion und die in ihr aufgehobenen menschlichen Grundfragen nach Schuld und Sühne, Leid und Mitleid, Liebe und Versöhnung. Dabei gibt die Figur des Starzen (s.o.) Dostojewski die Möglichkeit, seine eigenen religiösen Überzeugungen zu vermitteln. Iwan steht für den intellektuellen, westlich denkenden Zweifler an Gott und allen Werten, der sozusagen an der Aufklärung erkrankt ist, zugleich aber von tiefer Menschenliebe. Seine Zweifel treiben ihn bis an den Wahnsinn, bis er sich von einem sehr mittelmäßigen Teufel verspottet glaubt. Er muss erkennen, dass er Smerdjakow den Anlass zu dem Mord gegeben hat und in Wirklichkeit dessen Gebieter war. Doch vor Gericht will ihm niemand Glauben schenken, da er in einer Art Fieberwahn spricht und weil die anwesenden Ärzte von seinen Visionen wissen. Vielmehr wird seine Aussage von der Anklage nur als Ausdruck seines Edelmuts gedeutet, da man ihm unterstellt zu lügen, um den Bruder zu entlasten.

In der von Iwan verfassten Legende vom Großinquisitor, die er Aljoscha als Ausdruck seiner tiefsten Überzeugungen erzählt, formuliert Dostojewski das Theodizee-Problem, wie auch durch die Frage Fjodors an seine beiden Söhne: „Ist Gott tot?“ Fjodor kennt nur den Zweifel. Iwan kann und will einen Gott, der unschuldiges Leiden zulässt, nicht akzeptieren: „Ich leugne gar nicht, daß es einen Gott gibt, aber diese von ihm geschaffene Welt lehne ich ab. Ich gebe ihm meine Eintrittsbillett in diese Welt zurück.“[2] Aljoscha verweist demgegenüber auf die Mitleidstat Gottes in Christus.

Die Brüder Karamasow (Dmitri der Soldat, Iwan der Intellektuelle, Alexej der Mönch, Smerdjakow der Lakai) stehen in ihrem Rang als literarische Figuren neben Don Quijote, Don Juan oder Faust.

Übersetzungen ins Deutsche

  • E. K. Rahsin (Übers. 1906 München: Piper): Die Brüder Karamasoff, ISBN 3-492-04000-3 (formal falsche ISBN)
  • Karl Nötzel (Übers. 1919 Leipzig: Insel): Die Brüder Karamasoff
  • Johannes Gerber (Übers. 1923 Leipzig: Hesse und Becker) Die Brüder Karamasow
  • Hermann Röhl (Übers. 1924 Leipzig: Reclam jun.): Die Brüder Karamasow, ISBN 3-458-32674-X
  • Bodo von Loßberg (Übers. 1928 Berlin: Th. Knaur Nachf.): Die Brüder Karamasow
  • Reinhold von Walter (Übers. 1930 Berlin: Büchergilde Gutenberg): Die Brüder Karamasow
  • Hans Ruoff (Übers. 1958 München: Winkler): Die Brüder Karamasow
  • Werner Creutziger (Übers. 1981 Berlin: Aufbau): Die Brüder Karamasow, ISBN 3-351-02311-1
  • Swetlana Geier (Übers. 2003 Zürich: Ammann): Die Brüder Karamasow, ISBN 3-250-10259-8 ; ISBN 3-250-10260-1

Literatur

  • Sigmund Freud: Dostojewski und die Vatertötung. Freud-Studienausgabe. Frankfurt am Main 1969f., Bd. 10
  • Martin Steinbeck: Das Schuldproblem in dem Roman "Die Brüder Karamasow" von F. M. Dostojewskij. R. G. Fischer, Frankfurt am Main 1993, ISBN 3-89406-831-0.

Verfilmungen

Weblinks

Einzelnachweise

  1. „Fragen an Marcel Reich-Ranicki: Sollte Philip Roth endlich den Nobelpreis bekommen?“ in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 23. Juni 2008
  2. Zit. Iwan Karamasow; Fjodor M. Dostojewski:Die Brüder Karamasow

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