Die Krokodile

Die Krokodile
Im Krokodil. Originalzeichnung von Th. Pixis, ca. 1860, Die Gartenlaube 1866, Seite 533.

Die Krokodile war ein Münchner Dichterkreis, der von 1856 bis in die 1870er Jahre hinein bestand.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Unter König Ludwig I. wurde München zur repräsentativen Residenz ausgebaut, wozu auch zahlreiche kulturelle Einrichtungen wie die Glyptothek und die Pinakothek gehörten. Damit einher ging der Versuch, Größen des geistigen Lebens nach München zu holen, was erst Ludwigs Nachfolger Maximilian II. in nennenswertem Maß gelang. Dem Ruf nach München folgten unter anderem der Chemiker Justus von Liebig, der Ethnologe Wilhelm Heinrich Riehl und der Historiker Heinrich von Sybel. Dazu kamen Künstler wie Emanuel Geibel und Paul Heyse.

1852 erfolgte, anlässlich der Übersiedelung Geibels, die Gründung der Kulturgesellschaft Die Zwanglosen, in der sich bayrische Künstler und Zugereiste, so genannte Nordlichter, trafen. Schnell kam es jedoch zu Reibereien zwischen den Fraktionen, und 1858 trat Geibel aus. Heyse jedoch war weiter bemüht, nach dem Vorbild der Berliner Vereinigung Tunnel über der Spree, der Geibel und er angehörten, einen Münchner Dichterkreis zu schaffen.

Gründung und Anfänge

Gemeinsam mit Julius Grosse lud Heyse zur Gründungsversammlung am 5. November 1856 in das Kaffeehaus Zur Stadt München ein. In den ersten Jahren gehörten Friedrich von Bodenstedt, Felix Dahn, Wilhelm Hertz und Hermann Lingg zu den Mitgliedern. Der Name der Vereinigung entstand, weil sowohl Geibel wie auch Lingg ein Krokodil-Gedicht verfasst hatten (so schildert es Felix Dahn), oder aber, so der wahrscheinlich hier glaubhaftere Heyse, der Dichterkreis wurde allein nach Linggs Gedicht Das Krokodil von Singapur benannt.

Das Krokodil von Singapur
Im heil'gen Teich zu Singapur
Da liegt ein altes Krokodil
Von äußerst grämlicher Natur
Und kaut an einem Lotusstil.
Es ist ganz alt und völlig blind,
Und wenn es einmal friert des Nachts,
So weint es wie ein kleines Kind,
Doch wenn ein schöner Tag ist, lacht's.

„Der erhabene Charakter dieses Amphibiums schien uns trefflich zum Vorbild idealistischer Poeten zu taugen, und wir hofften, in unserm Münchener heiligen Teich dermaleinst ebenso gegen die schnöde prosaische Welt gepanzert zu sein, wie jener uralte Weise, der nur noch für den Wechsel der Temperatur empfindlich war.“ (Paul Heyse: Jugenderinnerungen und Bekenntnisse)

Bei den Zusammenkünften der Vereinigung wurden Texte gelesen und neueste Werke - aus eigener wie fremder Feder - diskutiert. Analog zum Tunnel über der Spree erhielten die Mitglieder Vereinsnamen („Teichnamen“); Geibel beispielsweise war das „Urkrokodil“. Ein vollständige Liste der Vereinsnamen hat sich nicht erhalten.

Literarische Ausrichtung

Von der vorangegangen Literatur des Jungen Deutschland unterschieden sich die Krokodile durch eine dezidiert unpolitische Haltung. Sie wollten Dichtung als reine, fast heilige Kunst im Sinne von Vorbildern aus der Antike, dem Mittelalter und teils auch dem Orient fortführen. Die Folge ist ein Eklektizismus, der handwerklich und sprachlich zum Teil von hohem Niveau ist, dessen Werken es jedoch fast immer an Substanz fehlt. Nicht zufällig haben bis heute am ehesten eine Reihe von Übersetzungen und Nachdichtungen überlebt, so Bodenstedts Bearbeitungen orientalischer und Hertz' Nachdichtungen mittelalterlicher Stoffe.

Weitere Entwicklung und Ende

Nach dem Tod von König Maximilian II. (1864) verlor die Förderung nicht-bayerischer Künstler und Gelehrten an Bedeutung. Die Krokodile hatten damit ihren wichtigsten Förderer und ihre öffentliche Rolle eingebüßt. Auch der Versuch, 1866 noch eine zweite Anthologie der Vereinigung herauszubringen, scheiterte. In der Folge blieben die Krokodile ein vor allem geselliger Zusammenschluss von Künstlern.

Mitglieder (Vereinsname)

Veröffentlichungen

  • Emanuel Geibel (Hrsg.): Ein Münchner Dichterbuch, Stuttgart 1862
  • Paul Heyse (Hrsg.): Neues Münchner Dichterbuch, Stuttgart 1882

Literatur

  • Véronique de la Giroday: Die Übersetzertätigkeit des Münchner Dichterkreises, Wiesbaden 1978
  • Johannes Mahr (Hrsg.): Die Krokodile. Ein Münchner Dichterkreis, Reclam, Stuttgart 1987
  • Renate Werner: Gesellschaft der Krokodile. In: Wulf Wülfing u.a. (Hrsg.): Handbuch literarisch-kultureller Vereine, Gruppen und Bünde 1825-1933, Metzler, Stuttgart 1998, S. 155-161 (dort weiterführende Lit.)
 Wikisource: Krokodile in München – mit Illustration, in Die Gartenlaube (1866), Heft 34, S. 531–534

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Die Krokodile — (Les Crocodiles) est un cercle de poètes munichois entre 1856 et 1870. Histoire Louis Ier de Bavière, puis son successeur Maximilien II de Bavière, mirent en valeur la ville de Munich pour en faire un lieu de rayonnement de la vie intellectuelle …   Wikipédia en Français

  • Die Krokodile — ( The Crocodiles ) was a small poets society in Munich which existed from 1856 to the 1870s. Contents 1 Background and beginnings 2 Literary influence 3 Members 4 Publications …   Wikipedia

  • Krokodile — China Alligator (Alligator sinensis) Systematik Stamm: Chordatiere (Chordata) Unterstamm …   Deutsch Wikipedia

  • Krokodile —   [von griechisch krokódeilos, ursprünglich »Eidechse«, eigentlich »Kieswurm«, zu krókē »Kies« und drĩlos »Wurm«], Singular Krokodil das, s, Panzerechsen, Crocodylia, Ordnung der Reptilien mit drei rezenten Familien: Alligatoren, Gaviale …   Universal-Lexikon

  • Krokodile [1] — Krokodile (Crocodilia, Loricata, Panzerechsen, hierzu die Tafel »Krokodile«), Ordnung der Reptilien, große, eidechsenähnliche Tiere meist mit knöchernen Hautschilden, einfachem Nasenloch, kegelförmigen, in die Kiefer eingekeilten Zähnen, vier… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Krokodile — Krokodile, 1) die ganze Familie der Panzereidechsen (Crocodili, Loricata), mit verknöcherten, gekielten Schildern gepanzert, der Schwanz zusammengedrückt u. mit einem Kamme; die kurze Zunge ist festgewachsen im Unterkiefer, die am Ende der… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Krokodile — Krokodile, Familie aus der Klasse der Amphibien und der Ordnung der Saurier. Der Körper eidechsenartig mit langem Schwanz, Kopf sehr verlängert, in jedem Kiefer eine Reihe starker Zähne, die aber nicht zum Kauen dienen; die Zunge bis an die… …   Herders Conversations-Lexikon

  • Krokodile [2] — Krokodile, Name einer Münchener Poetengesellschaft, die namentlich in den Jahren zwischen 1856 und 1864 blühte und bis zum Winter 1873/74 bestand. Ihr gehörten die Dichter an, die durch König Maximilian von Bayern nach München berufen worden… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Die Weisheit der Krokodile — Filmdaten Deutscher Titel Die Weisheit der Krokodile Originaltitel The Wisdom of Crocodiles …   Deutsch Wikipedia

  • Die Einsamkeit der Krokodile — Filmdaten Deutscher Titel Die Einsamkeit der Krokodile Produktionsland Deutschland …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”