Die vierzig Tage des Musa Dagh

Die vierzig Tage des Musa Dagh

Die vierzig Tage des Musa Dagh ist der Titel eines im November 1933 erschienenen historischen Romanes des österreichischen Schriftstellers Franz Werfel, in dem der Völkermord an den Armeniern und der armenische Widerstand auf dem Musa Dağı unter der Führung Moses Der Kalousdian literarisch verarbeitet wird.

Unterschrift von Franz Werfel 1945

Inhaltsverzeichnis

Entstehung und Wirkungsgeschichte

Im Jahre 1929 reiste Franz Werfel mit Alma Mahler über Kairo nach Jerusalem und weiter nach Damaskus. Ihr Führer zeigte ihnen die großartigen Moscheen der Stadt und die Kaufhäuser. So gelangten sie schließlich auch in die größte Teppichweberei der Stadt. Bei der Führung durch das große Anwesen bemerkten sie überall ausgehungerte Kinder, die Hilfsarbeiten verrichteten. Auf ihre Frage an den Fabrikbesitzer antwortete dieser: „Ach diese armen Geschöpfe, die klaube ich auf der Straße auf und gebe ihnen zehn Piaster pro Tag, damit sie nicht verhungern. Es sind die Kinder der von den Türken erschlagenen Armenier. Wenn ich sie hier nicht beherberge, verhungern sie, und niemand kümmert sich darum. Leisten können sie ja nicht das geringste, sie sind zu schwach dazu“[1]Auf ihrer weiteren Reise in das libanesische Gebirge sehen sie viele armenische Dörfer, die sich von den türkischen Siedlungen durch ihre Sauberkeit und Blumenpracht unterschieden. Das Unglück der Armenier bewegte Franz Werfel so sehr, dass er noch auf der Reise die Idee eines Romans skizzierte. Um die historischen Details zu erfahren, ließ er sich von dem Gesandten Graf Clauzel alle Protokolle aus dem Pariser Kriegsministerium über die türkischen Gräuel aus dieser Zeit zusenden.[2]

Die Niederschrift des Buches erfolgte in der Zeit vom Juli 1932 bis März 1933. Auf einer Vorlesungsreise in verschiedenen deutschen Städten im November 1932 wählte Franz Werfel das fünfte Kapitel des ersten Buches zu einem Vortrag aus. Der Roman wurde im Februar 1934 in NS-Deutschland aufgrund des § 7 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze des Deutschen Volkes wegen „Gefährdung öffentlicher Sicherheit und Ordnung“ verboten. Werfel selbst wurde im Entstehungsjahr des Romans aus der Preußischen Akademie der Künste ausgeschlossen.

Von den im Exil lebenden Armeniern wurde der Roman mit großer Begeisterung aufgenommen. Auf einer Reise nach Amerika im Jahre 1936 wurde Franz Werfel in New York von den Armeniern gefeiert. In einer armenischen Kirche sagte ein Priester während einer Predigt: „Wir waren eine Nation, aber erst Franz Werfel hat uns eine Seele gegeben.“ [3]

Inhalt

Der Roman ist in drei Bücher gegliedert.

Erstes Buch: „Das Nahende“

Erstes Kapitel

Teskeré

Es ist das Frühjahr 1915. Die Türkei befindet sich im Bündnis mit den Achsenmächten im Krieg gegen die Alliierten. Für die armenischen Bewohner des Dorfes Yoghonuluk und der umliegenden Dörfer, die unterhalb des Berges Musa Dağı liegen, deutet sich das drohende Unheil für ihre Gemeinschaft an, als die Inlandspässe, die Teskeré, von den einheimischen, türkischen Polizisten, den Saptiehs, eingezogen werden. Zu den Bewohnern des Dorfes zählt seit kurzer Zeit auch die Familie Bagradian. Gabriel Bagradian, 35 Jahre alt, hat das Dorf vor 23 Jahren verlassen, in Paris gelebt und ist jetzt mit seiner Frau Juliette, einer Französin, und seinem Sohn Stephan, 13 Jahre alt, für einen kurzen Aufenthalt zum Anwesen seines verstorbenen Großvaters zurückgekehrt. Gabriel ist Reserveoffizier der türkischen Armee.

Zweites Kapitel

Konak Hamam Selamlik

Bei seinen Nachforschungen in Antiochia im Büro des Müdir, dem Hauptmann des Bezirkes, erhält er keine offizielle Erklärung für diese Maßnahme; in weiteren Begegnungen mit türkischen Verwaltungsbeamten spürt er aber die feindliche Stimmung gegen sein Volk. Ein alter türkischer Freund der Familie, der Agha Rifaat Bereket, rät ihm, im Dorfe zu bleiben und zu schweigen. Er selbst werde sich in Istanbul für die armenischen Bewohner der Dörfer einsetzen.

Drittes Kapitel

Die Notabeln von Yoghonoluk

Die armenischen Dörfer sind wohlgepflegt. Ihre Bewohner sind berühmt für ihre Kunstfertigkeiten. Sie schnitzen kunstvolle Gegenstände aus Holz und Horn, nähen Tücher mit feinen Spitzen, spinnen Seide und gewinnen den besten Honig von den Bienen des Musa Dağı. Das Anwesen der Familie Bagradian liegt etwas außerhalb des Dorfes. Dort haben sich die Honoratioren des Dorfes versammelt. Es sind dies der protestantische Pfarrer Nokhudian mit Gemahlin, der Muchtar (Bürgermeister) von Yoghonuluk mit Gattin, die Lehrer Schatakhian und Ockanian, sowie der Apotheker Krikor, der als einziger im Dorfe über eine große Bibliothek verfügt und der alte Arzt Altouni mit seiner Frau, die für die ärztliche Versorgung der Dörfer zuständig sind. Sie sind voller Bewunderung für ihre Gastgeberin Juliette Bagradian. Über die drohende Gefahr wird nicht ernsthaft gesprochen. Ein junger Mann mit amerikanischem Pass, Gonzague Maris mit Namen, spielt einige Stücke auf dem Klavier bevor sich die Gesellschaft auflöst. Gabriel sagt nichts von seinen Befürchtungen. In einem Gespräch während der Nacht aber rät er seiner Frau, sich von ihm scheiden zu lassen und nach Frankreich zu fliehen. Juliette sind diese Äußerungen völlig unverständlich. Sie glaubt nicht an die Gefahr und will bei ihm bleiben.

Viertes Kapitel

Das erste Ereignis

Während Juliette sich der vielen neuen Aufgaben auf dem Landsitz erfreut, erkundet Gabriel die Dörfer und die Landschaft. Er wird sich seines armenischen Wesens und seiner Verbundenheit mit den armenischen Landbewohnern immer mehr bewusst. Er sammelt Information über die Bevölkerung und trifft sich mit Verantwortlichen. In einem Gespräch mit Ter Haigasun, dem gregorianischen Hauptpriester, erfährt er von der Verhaftung der armenischen Gebildeten in Istanbul. Im April treffen der protestantische Pfarrer Aram mit seiner schwangeren Frau, seiner schwer verletzten Schwester Iskuhi und dem Waisenkind Sato, aus Zeitun kommend, im Dorfe ein. Sie sind zusammen mit allen armenischen Bewohnern der Stadt Zeitun deportiert worden; konnten aber fliehen. Sie mussten die ihnen anbefohlenen Waisenkinder zurücklassen. Pastor Aram Tomasian beteuert immer wieder: „Denkt nicht an die alten Massaker! Das ist viel schlimmer, viel trauriger, viel unerbittlicher als alle Massaker, und vor allem viel langsamer. Es bleibt bei Tag und Nacht...“ (S. 139). Einige Tage später wird der Gouverneur der Provinz, der Wali Djelal Bey, der den Armeniern immer wohlgesinnt war, vom Innenministerium in den Ruhestand versetzt.

Fünftes Kapitel

Zwischenspiel der Götter

Pastor Johannes Lepsius, ein deutscher Geistlicher, versucht den Kriegsminister Enver Pascha in Istanbul zu bewegen, keine weitere Deportation von Armeniern vorzunehmen. Der Kriegsminister schweigt dazu. Der Pastor verlässt ohne Hoffnung das Regierungsgebäude und tatsächlich widerspricht Enver Pascha seinem Innenminister Talaat Bey nicht, als dieser die Telegramme mit den Deportationsanweisungen für die westlichen Vilajet (Provinzen) des osmanischen Reiches versendet.

  • Pastor Lepsius berichtet im Vorwort (S. XII-XVIII) seines Armenienbuches[4] selbst von der Audienz bei Enver Pascha.

Sechstes Kapitel

Die große Versammlung

Gabriel durchforscht den Musa Dağı und fertigt genaue Karten an. Bei seinen Gesprächen mit den Dorfbewohnern lernt er Tschausch Nurhan kennen, der unter anderem eine Schlosserei betreibt und das Waffenhandwerk versteht. Vom Bürgermeister des Dorfes erfährt er, dass eine größere Zahl von Gewehren, die das Dorf 1908 von den Jungtürken für den Aufstand gegen den Sultan erhalten hatte, auf dem Friedhof versteckt ist. Derweil freundet sich Juliette mit Iskuhi an. Auch Stephan ist von den Gästen sehr angetan. Es ist Sonntag der 24 Juli, als Bagradian vom türkischen Dorfpolizisten erfährt, dass die Bewohner der sieben armenischen Dörfer in zehn Tagen deportiert werden sollen. Ter Haigasun, der Oberste Geistliche, hat bereits die Bürgermeister zu sich gerufen. Es wird beschlossen, am Nachmittag eine Versammlung aller Bewohner vor der Villa Bagradian einzuberufen. Vor der Versammlung erläutert Bagradian seinen Plan, mit allen Dorfbewohnern auf den Musa Dağı zu ziehen und diesen gegen die türkische Polizei zu verteidigen. Er hob seine Hand wie zum Schwur: „Ich verpflichte mich hier vor euch, die Verteidigung so zu führen, dass unsere Frauen und Kinder länger vor dem Tode bewahrt bleiben als in der Verschickung. Wir können uns mehrere Wochen, ja Monate halten.“ Es kommt zu einer Abstimmung. Mehrere Hundert Menschen entscheiden sich, mit Pastor Nokhudian in die Verbannung zu ziehen. Die übrigen stimmen dafür, sich auf dem Musa Dağı zu verteidigen. In einer schriftlichen Abstimmung werden von den mehr als 4000 Versammelten die Führer gewählt. Die meisten Stimmen fallen auf Ter Haigasun, den obersten Geistlichen, es folgen Doktor Altouni, dann die sieben Muchtars (Bürgermeister) und die drei Dorfpriester. Des Weiteren werden in den Führerrat der Apotheker Krikor, einige Lehrer, Bagradian, der alte „Bauunternehmer“ Tomasian und Tschausch Nurhan, der länger gediente Unteroffizier, gewählt.

Siebentes Kapitel

Das Begräbnis der Glocken

Bagradian ist für die Verteidigung zuständig. Er zieht sofort mit einer Hundertschaft auf den Berg, lässt Gräben ausheben, das Lager einrichten und den Militärdienst üben. Als die Saptiehs unter Führung des Polizeihauptmanns und Müdirs in den Dörfern und der Villa auftauchen, sind alle Bewohner wieder vor Ort. Bis auf einige Morde und Vergewaltigungen verläuft der Tag glimpflich. Den Bewohnern der Dörfer wird drei Tage Zeit gegeben, ihre Habseligkeiten zu packen, bevor die "Umsiedlung" beginnt. Reittiere und Karren dürften nicht mitgenommen werden. Nachdem die Polizisten die Dörfer verlassen haben, findet ein großer Bittgottesdienst in der Kirche statt. Die Glocken der Kirche werden abgesenkt, in einer Prozession zum Friedhof gebracht und "beerdigt". Vom Rande des Friedhofs wird Erde in Bütten verladen. Sie soll den gläubigen Christen die Möglichkeit geben, ihre Toten auf dem Musa Dağı in geweihter Erde zu begraben. Dann nehmen die Familien Abschied von den Gräbern und kehren in ihre Dörfer zurück. In der Nacht zum 31. Juli sollen alle Familien, die dazu bereit sind, auf den Berg ziehen.

Zweites Buch: „Die Kämpfe der Schwachen“

Erstes Kapitel

Unsere Wohnung ist die Bergeshöhe

Für 1000 Familien werden auf der Höhe des Musa Dağı in der sogenannten "Stadtmulde" Laubhütten gebaut. Es wird ein Altarplatz eingerichtet und ein Gemeindehaus mit mehreren Räumen geschaffen. Juliette darf auf dem Dreizeltplatz in den Jagdzelten wohnen und selbst bestimmen, mit wem sie diese teilen will. Bagradian erklärt hierzu: "Meine Frau hat auch hier auf dem Damlajik das Recht, ihr eigenes Leben zu leben... Sie ist Französin, eine Fremde, ein Kind glücklicherer Völker, vom Schicksal gezwungen, unsere Leiden mitzuleiden. Sie wird folglich die großmütigste Gastfreundschaft unseres Volkes genießen." Nach langen Diskussionen sind alle Bewohner bereit, die vorhandenen Lebensmittel - vor allem die Ziegen und Schafe - zu teilen. Als am 4. August eine kriegsstarke türkische Kompanie in einer vermeintlich einfachen Polizeiaktion den Musa Dağı einnehmen will, wird sie von den gut vorbereiteten Armeniern vernichtend geschlagen.

Zweites Kapitel

Die Taten der Knaben

Der zweite Angriff erfolgt am 13. August. Er ist besser vorbereitet. Das Geschützfeuer überrascht die Verteidiger zunächst. Es gelingt ihnen jedoch mit einer geschickt ausgelösten Steinlawine die Angreifer auf der Südseite zu treffen und dank der wohlpräparierten Stellung auf der Nordseite können sie den Feind in einem Gegenangriff zurückschlagen. Als sich die Angreifer in der Nacht in die Dörfer zurückziehen und die beiden Geschütze unter geringer Bewachung am jenseitigen Berghang zurücklassen, gelingt es den Jugendlichen, diese Stellung auszukundschaften. Ihre beiden Anführer, Haik und der junge Stephan Bagradian, töten die Wachen oder treiben sie in die Flucht. So gelangen beide Geschütze in die Hände der Verteidiger. Während Bagradian Tag und Nacht mit der Organisation der Verteidigungsanlagen beschäftigt ist, hat sich seine Frau Juliette, die stundenweise im Lazarett arbeitet, mit Gonzague Maris angefreundet.

Drittes Kapitel

Die Prozession des Feuers

Howsannah, die Frau des protestantischen Pfarrers Aram Tomasian, gebiert einen Knaben; er wird auf den Namen Mikael getauft. Gonzaque und Juliette kommen sich inzwischen immer näher. Er möchte mir ihr nach Antiochia fliehen. Sie kann sich aber nicht entscheiden. Gabriel Bagradian fühlt sich seinerseits zu Iskuhi hingezogen. Das türkische Militär zieht neue Truppen um den Musa Dağı zusammen. Mit fast 2000 Mann regulärer Infanterie und 3000 Mann bewaffneter Hilfstruppen versuchen sie einen neuen Angriff. Das Granatfeuer aus den beiden Haubitzen, die von Bagradian einjustiert sind, bringt den Angreifern jedoch erste Verluste ein und schafft große Verwirrung. Als die Verteidigung auf dem Nordhang unter ihrem Anführer, dem ehemaligen Deserteur Sarkis Kilikian, zu lange zögert, gelingt es den Türken, die Verteidigungslinien zu erobern und sich festzusetzen. In der Nacht entfachen die Belagerten mit in Petroleum eingetauchten Ästen ein Flammenmeer auf dem Musa Dağı und gehen zum Gegenangriff über. In einem erbitterten Nahkampf werden die türkischen Truppen besiegt und müssen ins Tal zurück weichen. Die armenischen Verteidiger erbeuten mehr als 200 Gewehre, Munition, Kochkisten und Lastesel mit Proviant.

Viertes Kapitel

Satos Wege

Die Kämpfe haben 113 Tote und viele Schwerverletzte gefordert. Durch das Feuer breitet sich tagelang Hitze und beißender Rauch auf dem Berge aus. Am 25. August wird Kilikian wegen eines Fehlverhaltens zu fünf Tagen Haft verurteilt. Am 26. August werden 2 Jugendliche ausgewählt, die ein Hilfeschreiben an ein englisches, französisches, amerikanisches oder italienisches Kriegsschiff in der Bucht von Alexandrette bringen sollen. Als dritter Jugendlicher wird Haik ausgewählt mit der Aufgabe, ein ähnliches Schreiben auf dem Landweg nach Aleppo zur amerikanischen Botschaft zu bringen. Eine Aussprache des Ehepaar Bagradian misslingt. Juliette, die sich heimlich weiterhin mit Gonzague trifft, ist durch ihre Arbeit im Lazarett von einem fiebrigen Virus infiziert. Als Juliette und Gonzaque vom Rat bei einem Liebestreffen überrascht werden, fällt Juliette in Ohnmacht. Gabriel trägt seine Frau ins Lazarett ohne den Liebhaber zu beachten. Der Arzt stellt nach einigem Misstrauen fest, das sie tatsächlich an dem lebensgefährlichen Virus erkrankt ist. Iskuhi und Gabriel pflegen die Kranke gemeinsam. Gabriel und Iskuhi saßen schweigend, dicht aneinander gedrückt und Hand in Hand auf dem Diwan. Er aber ließ kein Auge von der Kranken. Sonderbarste Lebensverwicklung! Der Betrogene diente - sie mit einer anderen betrügend - der Betrügerin. Gonzague muss das Lager und den Berg verlassen. In ihre persönlichen Sorgen und Pflichten eingebunden haben die Bagradians ihre Aufsicht über Stephan vernachlässigt. So haben sie nicht bemerkt, dass er das Lager verlassen hat.

Drittes Buch: „Untergang - Rettung - Untergang“

Erstes Kapitel

Zwischenspiel der Götter

Pastor Lepsius gelingt es einflussreiche orthodoxe, moslemische Geistliche davon zu überzeugen, dass es Unrecht ist, was den Armeniern widerfährt. Die Verantwortlichen erklären sich bereit, das ihnen Mögliche zur Hilfe für die Armenier zu tun.

Zweites Kapitel

Stephans Aufbruch und Heimkehr

Nachdem Stephan Haik gefunden hat, gehen sie den Weg Richtung Aleppo gemeinsam. Als Stephan jedoch an Fieber erkrankt, muss Haik ihn zurücklassen. Ein ihnen wohlgesinnter türkischer Bauer bringt Stephan in die Nähe des Musa Dağı zurück. Durch das Fieber ohne rechten Orientierungssinn verläuft sich Stephan. Er wird von türkischem Militär aufgegriffen und als vermeintlicher Spion getötet. Die Klageweiber finden den Toten und bringen ihn auf den Berg.

Drittes Kapitel

Der Schmerz

Auf Pastor Arams Idee hin versuchen junge Leute auf einem Floß und mit Schleppnetzen bewaffnet vor den Klippen Fische zu fangen. Die Ausbeute bleibt aber sehr klein. Seine Frau Howsannah drängt ihn, auf seine Schwester Iskuhi einzuwirken, dass sie sich von Gabriel Bagradian fern halten soll. Er spricht seine Schwester daraufhin an. Sie antwortet ruhig und fest: "Zwischen mir und Gabriel Bagradian ist nichts vorgegangen...Aber ich liebe ihn und werde bei ihm bleiben bis zum Ende!" Als der Leichnam Stephans auf den Altarplatz gebracht wird, lässt Gabriel seinen Kopf ohne Tränen zu vergießen auf das Gesicht seines Sohnes sinken. Widerstandslos lässt er sich dann von Ter Haigasun und Bedros Hekim zum Dreizeltplatz führen. Er spricht kein Wort und Iskuhi hilft ihm sich zu entkleiden und hinzulegen. Seine Zähne klappern und Schüttelfrost quält ihn. Juliette aber liegt daneben, fiebert und erfährt nichts vom Tode ihres einzigen Sohnes.

Viertes Kapitel

Zerfall und Versuchung

Dem Agha Rifaat Bereket ist vom Militär erlaubt worden, mit den Eingeschlossenen auf dem Berg zu sprechen. Er bringt den Armeniern einen Brief des Pastors Harutian Nokhudian an Ter Haigasun, Gabriel Bagradian aber bietet er die Möglichkeit an, mit ihm im Austausch für eine seiner Begleitpersonen unerkannt zu entkommen. Gabriel ist zu diesem Handel nicht bereit. Er antwortet:“Ich bin es gewesen, der den sieben Gemeinden die Idee eingegeben hat, auf den Musa Dagh zu gehn. ... Ich bin und werde der Verantwortliche, der Schuldige sein, wenn in ein paar Tagen die Euern alles Lebendige in diesem Lager, ja selbst die Kranken und Säuglinge zu Tode foltern werden. Was meinst du, Agha? Kann ich mich da einfach davonmachen?" Der Apotheker Krikor stirbt am folgenden Tag.

Fünftes Kapitel

Die Altarflamme

Am nächsten Tag, dem vierunddreißigten Exiltag, sterben bis zum Abend 43 Menschen. Ihre Leichname werden über die Klippen hinaus ins Meer geworfen. Aufgrund der schlechten Ernährungslage, den Verletzungen und der allgemeinen Erschöpfung sterben eine immer größer werdende Zahl von Kranken. Es kommt zu einem Aufstand. Die ehemaligen Deserteure, die in der Südbastion unter sich sind, reißen unter Leitung von Kilikian Waffen und Lebensmittel im Hauptlager und am Dreizeltplatz an sich. Sie wollen einen Ausbruch aus der Belagerung versuchen. Teile des Lagers fangen Feuer. Im allgemeinen Tumult gibt es Tote und Verletzte. Doch nach wenigen Stunden geben die Männer auf und bringen Kilikian gefesselt zum Altarplatz zurück.

Sechstes Kapitel

Die Schrift im Nebel

Am Morgen des vierzigsten Tages der Verteidigung eröffnen die türkischen Belagerer das Geschützfeuer um den Berg zu erstürmen. Doch inzwischen ist ein französischer Flottenverband, der auf dem Weg nach Ägypten war, durch den Widerschein des Feuers auf den Berg aufmerksam geworden und hat sich der Küste genähert. Die französischen Kriegsschiffe eröffnen das Feuer auf die türkischen Belagerer. Um eine weitere Auseinandersetzung zu vermeiden, ziehen sich die türkischen Truppen zurück. Die Armenier können sich mit ihren Kranken und Verwundeten auf die Kriegsschiffe retten.

Siebentes Kapitel

Dem Unerklärlichen in uns und über uns

Gabriel Bagradian ist unbemerkt allein auf dem Berg zurückgeblieben. Die zweite Türkenkugel durchschmetterte ihm die Schläfe. Er klammerte sich ans Holz, riss es im Sturze mit. Und das Kreuz des Sohnes lag auf seinem Herzen.

Rezeption und Debatte

Das Buch wurde von vielen Juden gelobt, die glaubten, dass es Anspielungen auf das Judentum und Israel enthalte. Musa Dagh wird oft mit dem Widerstand in den jüdischen Ghettos während des Zweiten Weltkriegs verglichen. Eines von ihnen, das Ghetto von Bialystok, fand sich in der gleichen Situation wie der Musa Dagh. Im Februar 1943 wurde Mordechai Tenenbaum, vom Wilnaer Ghetto geschickt, um den Widerstand in Bialystok zu organisieren. Aus den Aufzeichnungen der Sitzungen : „Nur eins bleibt für uns: den kollektiven Widerstand im Ghetto zu organisieren, um jeden Preis! Das Ghetto als unseren Musa Dagh zu betrachten, um ein ehrenvolles Kapitel des jüdischen Bialystok und unserer Bewegung in die Geschichte zu schreiben!“ so Tenenbaum.
Exemplare des Buches gingen von Hand zu Hand unter den Ghetto-Verteidigern, die ihre Situation mit den Armeniern verglichen. Nach umfangreichen statistischen Aufzeichnungen von Hermann Kruk in der Wilnaer Ghetto- Bibliothek wurde dieses Buch zum Beliebtesten unter der Ghetto-Leserschaft, wie auch in den Memoiren von Überlebenden, die in der Bibliothek gearbeitet haben, berichtet wird.

1942 erwogen viele Juden in Israel einen Rückzug mit Verteidigung auf dem Karmelberg, wegen eines möglichen Einmarsches der Nazis in der Region. Benannt als „Northern Program“, „Carmel-“, „Massada-“ oder „Musa-Dagh-Plan“, war es gedacht als ein Bollwerk gegen die Nazi-Angriffe. Meir Batz, einer der Führer der jüdischen Milizen, der auch den Roman gelesen hatte, erklärte dass die Gemeinschaft den Karmel in den Musa Dagh des palästinensischen Judentums wandeln wolle ... Wir setzten unser Vertrauen in die Stärke des jüdischen Musa Dagh und waren entschlossen, auszuhalten für mindestens drei bis vier Monate.“

Lange Zeit galt Die vierzig Tage des Musa Dagh als bester Armenierroman der Weltliteratur. Nach der Erstveröffentlichung des Romans Das Märchen vom letzten Gedanken des deutsch-jüdischen Schriftstellers Edgar Hilsenrath im Jahr 1989 ebenfalls über den Völkermord an den Armeniern schrieb der Kritiker Alexander von Bormann in der Neuen Zürcher Zeitung: „Doch finde ich Hilsenraths Roman dem Werfels bedeutsam überlegen: er ist ein historischer und poetischer zugleich.“

Besonderheiten

Eine Besonderheit liegt in der Namenswahl Franz Werfels. So ist der Name Bagradian an das alte armenische Königsgeschlecht der Bagratiden angelehnt.
Historisch belegt ist der Widerstand auf dem Musa Dağı durch den deutschen Konsul in Aleppo Walter Rößler.[5]

Einzelnachweise

  1. zitiert aus: Mein Leben von Alma Mahler- Werfel, Deutscher Bücherbund S. 223
  2. Alma Mahler- Werfel, Mein Leben, Deutscher Bücherbund S. 225
  3. Alma Mahler- Werfel, Mein Leben, Deutscher Bücherbund S. 275
  4. Der Todesgang des armenischen Volkes: Bericht über das Schicksal des armenischen Volkes in der Türkei während des Weltkrieges. Potsdam 1919; online lesen von google-books (mit us-proxy!)
  5. Wolfgang Gust (Hg.), Der Völkermord an den Armeniern 1915/16, Dokumente aus dem Politischen Archiv des deutschen Auswärtigen Amts, S. 351; erwähnt auch in Konsul Rößler an den Reichskanzler

Ausgaben

  • Die vierzig Tage des Musa Dagh. Erstausgabe in 2 Bänden (Bd.1: Das Nahende, Bd. 2: Die Kämpfe der Schwachen). Berlin : Paul Zsolnay, 1933.
  • Die vierzig Tage des Musa Dagh (1955) Aufbauverlag Berlin
  • Die vierzig Tage des Musa Dagh (1990), Taschenbuchausgabe, ISBN 9783596294589
  • Die vierzig Tage des Musa Dagh (2006), gebundene Ausgabe, ISBN 9783596172115

Weblinks


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