Diedergruppe

Diedergruppe
Diese Schneeflocke hat die Symmetriegruppe eines regelmäßigen Sechsecks.

In der Gruppentheorie ist die Diedergruppe Dn die Isometriegruppe eines regelmäßigen Polygons in der Ebene. Sie ist eine nicht-abelsche Gruppe mit 2n Elementen: n Drehungen und n Spiegelungen. Ihr Name leitet sich vom Wort Dieder (Silbentrennung: Di-eder, Aussprache [diˈeːdər] ) (griechisch: Zweiflächner) für regelmäßige n-Ecke ab.

Diedergruppen treten häufig in der Geometrie und Gruppentheorie auf. Sie werden von zwei Spiegelungen (Elementen der Ordnung 2) erzeugt und sind damit die einfachsten Beispiele von Coxeter-Gruppen.

Inhaltsverzeichnis

Bezeichnungen

Es gibt für Diedergruppen zwei abweichende Bezeichnungen. In der Geometrie schreibt man üblicherweise Dn um den Zusammenhang mit dem regelmäßigen n-Eck zu unterstreichen. In der Gruppentheorie schreibt man auch oft D2n um stattdessen die Elementezahl 2n hervorzuheben. Diese Zweideutigkeit lässt sich jedoch leicht durch eine erläuternde Ergänzung beheben. In diesem Artikel steht Dn für die Diedergruppe mit 2n Elementen.

Definition

Die Diedergruppe Dn ist die Isometriegruppe eines regelmäßigen n-Ecks in der Ebene. Diese besteht aus n Drehungen und n Spiegelungen, hat also insgesamt 2n Elemente. Die Isometrien bezeichnet man auch als Symmetrietransformationen. Die Verknüpfung der Gruppe Dn ist gegeben durch die Hintereinanderausführung von Symmetrietransformationen.

Beispiele

Ein Beispiel ist die Diedergruppe D3 der Kongruenzabbildungen eines gleichseitigen Dreiecks auf sich, die auch als symmetrische Gruppe S3 bezeichnet wird.

Die folgende Grafik illustriert die Diedergruppe D8 anhand der Drehungen und Spiegelungen eines Stoppschildes: Die erste Zeile zeigt alle acht Drehungen, die zweite Zeile alle acht Spiegelungen.

Dihedral8.png

Matrix-Darstellung

Wir betrachten das regelmäßige n-Eck in der Ebene \R^2 mit den Eckpunkten Pk = (cos(2πk / n),sin(2πk / n)) wobei k=1,2,\dots,n. Die Diedergruppe Dn lässt sich dann leicht als Matrixgruppe darstellen. Hierzu sei rk die Drehung um den Winkel k / n und sk die Spiegelung an der Achse, die im Winkel πk / n geneigt ist. Als Matrizen schreiben sich diese Transformationen dann als


r_k = \begin{pmatrix}
        \cos( 2\pi k / n ) & -\sin( 2\pi k / n ) \\
        \sin( 2\pi k / n ) & \cos( 2\pi k / n )
      \end{pmatrix} 
\qquad \text{und} \qquad
s_k =  \begin{pmatrix}
         \cos( 2\pi k / n ) & \sin( 2\pi k / n ) \\
         \sin( 2\pi k / n ) & -\cos( 2\pi k / n )
       \end{pmatrix} .

Hierbei fallen folgende Relationen auf:

  • r0 ist die Identität, hier gesehen als Drehung um den Winkel 0.
  • r1 ist die Drehung um den Winkel 2π / n und es gilt r_k = r_1^k für alle k.
  • s0 ist die Spiegelung an der horizontalen Achse und es gilt sk = rks0 für alle k.

Wenn n ungerade ist, dann verläuft die Spiegelungsachse von sk durch einen Eckpunkt und den Mittelpunkt der gegenüberliegenden Seite. Wenn n hingegen gerade ist, dann gibt es zwei Arten von Spiegelungen, solche deren Achse durch zwei gegenüberliegende Eckpunkte verläuft, und solche, deren Achse durch zwei gegenüberliegende Seitenmittelpunkte verläuft.

In dieser Darstellung schreiben sich zum Beispiel die acht Elemente der Diedergruppe D4 wie folgt:

 
  \begin{align}
    r_0 &= \bigl(\begin{smallmatrix}1&0\\0&1\end{smallmatrix}\bigr), &
    r_1 &= \bigl(\begin{smallmatrix}0&-1\\1&0\end{smallmatrix}\bigr), &
    r_2 &= \bigl(\begin{smallmatrix}-1&0\\0&-1\end{smallmatrix}\bigr), &
    r_3 &= \bigl(\begin{smallmatrix}0&1\\-1&0\end{smallmatrix}\bigr), \\
    s_0 &= \bigl(\begin{smallmatrix}1&0\\0&-1\end{smallmatrix}\bigr), &
    s_1 &= \bigl(\begin{smallmatrix}0&1\\1&0\end{smallmatrix}\bigr), &
    s_2 &= \bigl(\begin{smallmatrix}-1&0\\0&1\end{smallmatrix}\bigr), &
    s_3 &= \bigl(\begin{smallmatrix}0&-1\\-1&0\end{smallmatrix}\bigr).
  \end{align}

Diese Drehungen und Spiegelungen lassen sich bildlich wie folgt darstellen:

Group D8 id.svg
r_0=\operatorname{id} (Identität)
Group D8 270.svg
r1 (Drehung um 90° nach links)
Group D8 180.svg
r2 (Drehung um 180°)
Group D8 90.svg
r3 (Drehung um 90° nach rechts)
Group D8 fv.svg
s0 (Vertikale Spiegelung)
Group D8 f13.svg
s1 (Diagonale Spiegelung)
Group D8 fh.svg
s2 (Horizontale Spiegelung)
Group D8 f24.svg
s3 (Gegendiagonalspiegelung)
Drehungen und Spiegelungen eines Quadrates. Die vier Ecken sind nummeriert und eingefärbt, um die Transformation bildlich darzustellen.

Permutations-Darstellung

Betrachten wir zunächst als Beispiel die Diedergruppe D4. Diese operiert durch Symmetrietransformationen auf einem Quadrat wie in der vorangehenden Grafik gezeigt. Betrachtet man die Aktion der Diedergruppe D4 auf den Eckpunkten 1,2,3,4, erhält man eine treue Darstellung in die symmetrische Gruppe S4, also einen injektiven Gruppenhomomorphismus \tau \colon D_4 \to S_4. Genauer gesagt wirken die Transformationen auf den Ecken als folgende Permutationen:

 
  \begin{align}
  \tau(r_0) & = \bigl(\begin{smallmatrix} 1 & 2 & 3 & 4 \\ 1 & 2 & 3 & 4 \end{smallmatrix}\bigr) & 
  \tau(r_1) & = \bigl(\begin{smallmatrix} 1 & 2 & 3 & 4 \\ 2 & 3 & 4 & 1 \end{smallmatrix}\bigr) & 
  \tau(r_2) & = \bigl(\begin{smallmatrix} 1 & 2 & 3 & 4 \\ 3 & 4 & 1 & 2 \end{smallmatrix}\bigr) & 
  \tau(r_3) & = \bigl(\begin{smallmatrix} 1 & 2 & 3 & 4 \\ 4 & 1 & 2 & 3 \end{smallmatrix}\bigr) \\
  \tau(s_0) & = \bigl(\begin{smallmatrix} 1 & 2 & 3 & 4 \\ 4 & 3 & 2 & 1 \end{smallmatrix}\bigr) & 
  \tau(s_1) & = \bigl(\begin{smallmatrix} 1 & 2 & 3 & 4 \\ 3 & 2 & 1 & 4 \end{smallmatrix}\bigr) & 
  \tau(s_2) & = \bigl(\begin{smallmatrix} 1 & 2 & 3 & 4 \\ 2 & 1 & 4 & 3 \end{smallmatrix}\bigr) & 
  \tau(s_3) & = \bigl(\begin{smallmatrix} 1 & 2 & 3 & 4 \\ 1 & 4 & 3 & 2 \end{smallmatrix}\bigr) 
  \end{align}

Ganz allgemein definiert die Operation der Diedergruppe Dn auf den Eckpunkten P_1,P_2,\dots,P_n eine treue Darstellung \tau \colon D_n \to S_n. In obiger Notation erhält man zum Beispiel die Permutation

\tau(r_1) = (1, 2, 3, \dots, n) .

In Zykelschreibweise ist dies die zyklische Rotation, die P1 auf P2 abbildet, P2 auf P3, und so weiter bis schließlich Pn auf P1 abgebildet wird. Die weiteren Drehungen erhält man hieraus mittels der Relation r_k = r_1^k für alle k. Für die Spiegelungen erhält man entsprechend in Zykelschreibweise

\tau(s_0) = (1,n-1) (2,n-2) \dots \left(\frac{n}{2}-1,\frac{n}{2}+1\right)

bei geradem n bzw.

\tau(s_0) = (1,n-1) (2,n-2) \dots \left(\frac{n-1}{2},\frac{n+1}{2}\right)

bei ungeradem n. Die weiteren Spiegelungen erhält man hieraus mittels der Relation sk = rks0 für alle k.

Erzeuger und Relationen

Alle n Drehungen werden von r = r1 erzeugt. Diese bilden eine zyklische Untergruppe der Ordnung n und demnach von Index 2. Man erhält die gesamte Gruppe durch Hinzufügen einer beliebigen Spiegelung, zum Beispiel s = s0. Man erhält so die Präsentation

 D_n = \left\langle r,s \mid r^n = s^2 = 1, s r s = r^{-1}\right\rangle .

Die Verkettung von zwei Spiegelungen ist eine Drehung; beträgt der Winkel zwischen den beiden Spieglungsachsen α, so ist ihre Verkettung eine Drehung um den Winkel . Das bedeutet, dass die Diedergruppe Dn von zwei benachbarten Spiegelungen, zum Beispiel s0 und s1 erzeugt wird. Man erhält so die Präsentation

 D_n = \left\langle s_0,s_1 \mid s_0^2 = s_1^2 = (s_0 s_1)^n = 1\right\rangle .

Dies ist der einfachste Fall einer Coxeter-Gruppe.

Anwendungen

Geometrie

Diedergruppen sind die einfachsten Beispiele von Spiegelungsgruppen. Diese spielen in der klassischen Geometrie eine wichtige Rolle, zum Beispiel bei der Klassifikation der regulären Polyeder. In Dimension 2 entsprechen hier Diedergruppen den regulären Polygonen.

Codierung

Die durch obige Permutationen definierte Zahlenverknüpfung wird bei Prüfsummenverfahren als Alternative zu diversen modulo-basierten Verfahren angewendet. Zum Beispiel besaßen die deutschen Banknoten Dieder-Prüfsummen.[1]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Jörg Michael: Blütenrein. Prüfziffernverfahren auf der Basis von Diedergruppen. In: c't 4/1997, S. 448

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