Adolph Freiherr Knigge

Adolph Freiherr Knigge
Adolph Freiherr Knigge

Freiherr Adolph Franz Friedrich Ludwig Knigge (* 16. Oktober 1752 in Bredenbeck bei Hannover; † 6. Mai 1796 in Bremen als Oberhauptmann) war ein deutscher Schriftsteller und Aufklärer. Bekannt wurde er vor allem durch seine Schrift Über den Umgang mit Menschen. Sein Name steht heute stellvertretend aber irrtümlich für Benimmratgeber, die mit Knigges eher soziologisch ausgerichtetem Werk nichts gemein haben.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Herkunft, Jugend und Ausbildung

Herrenhaus des 1825 entstandenen Gutes auf dem früheren Schlossgelände, auf dem Adolph Freiherr Knigge geboren wurde

Knigge war der Spross einer uradligen, allerdings verarmten Familie, deren Titel „Freiherr“ (als einer von wenigen Familien in Deutschland) nicht mehr das typische „von“ mit sich führt. In seinem Geburtsort Bredenbeck am Ostrand des Deisters besaß bereits um 1338 der Ritter Hermann von Knigge ein Schloss. Mit herzöglicher Erlaubnis wurde es in die mächtigste Wasserburg des Calenberger Landes ausgebaut. Die Burg brannte 1550 ab und wurde noch wehrhafter wiederaufgebaut.

Knigge wuchs in Bredenbeck auf, wo er standesgemäß erzogen wurde. Seine Mutter verstarb, als er elf Jahre alt war, sein Vater, als er 14 war. Er erbte Schulden in Höhe von 130.000 Reichstalern. Die Gläubiger nahmen das Anwesen unter Zwangsverwaltung und gestanden ihm eine jährliche Rente von 500 Reichstalern zu. Im Alter von 14 Jahren wurde das elternlose Kind durch seinen Vormund nach Hannover zur Erziehung durch Privatunterricht geschickt. Er studierte von 1769–72 Jura und Kameralistik in Göttingen.

Berufstätigkeit

1771 wurde Knigge vom Landgrafen Friedrich II. von Hessen-Kassel zum Hofjunker und Assessor der Kriegs- und Domänenkammer zu Kassel ernannt. Dieses Amt bekleidete er nur kurz, weil er sich „durch amtliche und gesellige Misshelligkeiten unmöglich machte“. 1773 heiratete er die Hofdame Henriette von Baumbach, angeblich weil Landgräfin Philippine von Brandenburg-Schwedt ihn dazu genötigt hatte: Kurz zuvor hatte er die Hofdame durch den als Scherz gemeinten Diebstahl ihres Schuhs bei Hofe bloßgestellt. Knigge zog mit ihr und der 1775 geborenen nach der Landgräfin benannten Tochter Philippine Auguste Amalie auf das Gut Baumbach in Nentershausen. 1776 erhielt er eine weitere Anstellung an einem Fürstenhof. Herzog Carl August von Sachsen-Weimar ernannte ihn zum weimarischen Kammerherrn, wo er „als gern gesehener Kurzweilmacher viel am dortigen Hofe verkehrte“. Das Dasein eines Höflings war dem Freigeist Knigge aber zuwider, in seinem 1785 abgeschlossenen satirischen Roman Geschichte Peter Clausens goss er Hohn und Häme über die seiner Meinung nach „erbärmlichsten Hofschranzen“ und das ganze „Hofgeschmeisse“.

Ab 1780 lebte Knigge daher in Frankfurt am Main, um sich seinen schriftstellerischen Projekten und der Arbeit in verschiedenen Logen und Geheimbünden zu widmen. 1783 zog er nach Heidelberg, später ging er nach Hannover zurück, um sich um seine Güter zu kümmern. Von 1790 an lebte er bis zu seinem Tode in Bremen, wo er aus Geldnot das Amt eines Oberhauptmanns der großbritannisch-hannoverschen Regierung übernahm. Darüber hinaus engagierte er sich im Kulturleben der Stadt und förderte ein Liebhabertheater, bis ihn ab 1795 Nervenfieber und Gallensteine ans Bett fesselten.

Grabplatte Knigges im Bremer St.-Petri-Dom

1796 verstarb Knigge vierundvierzigjährig ohne männliche Nachkommen, sein Grab befindet sich im Bremer Dom. Der Levester Familienzweig der Knigges wurde Lehnsnachfolger und übernahm die Burg, die heute als Gutshof im Besitz der Familie Knigge steht.

Logen und Orden

Knigge schloss sich 1773 der Strikten Observanz an, aufgrund seiner begrenzten finanziellen Mittel gelang es ihm allerdings nicht, in den engeren Führungszirkel des elitären Ordens aufzusteigen. In Kassel wurde Knigge in die Freimaurerloge Zum gekrönten Löwen aufgenommen. In Hanau war er Mitglied der Loge Wilhelmine Caroline. Als Eques a cygno (lat.: Schwanenritter) korrespondierte er mit deren Führern und mit denen der Rosenkreuzer. Im Dienst der Freimaurerei war er viel auf Reisen. Auf den Konventen der Strikten Observanz in Braunschweig, Wolfenbüttel und Wilhelmsbad setzte er sich für Reformen ein. Über Marquis Constanzo schloss er sich 1780 unter dem Decknamen „Philo“ zusätzlich dem radikalaufklärerischen Illuminatenorden an.[1] Knigge hatte den Auftrag, den Orden in Norddeutschland aufzubauen, wobei es dem rastlosen und geschickten Organisator gelang, rund 500 Mitglieder anzuwerben, in der Hauptsache Adlige und Intellektuelle. Durch den von Knigge angeworbenen Johann Christoph Bode wurde sogar Johann Wolfgang von Goethe gewonnen. Nach heftigen Machtkämpfen mit Bode und Ordensgründer Adam Weishaupt wurde Knigge jedoch schon 1784 wieder ausgeschlossen. Rückblickend meinte er, die von ihm erhoffte „Erneuerung des geistigen Lebens der Nation“ durch den Orden sei nicht durchführbar gewesen. Zudem war er an der Ausarbeitung der Grundlagen des Eklektischen Bundes beteiligt. Zeit seines Lebens befasste sich Knigge mit verschiedenen Projekten egalitärer Männer- und Freundschaftsbünde; noch kurz vor seinem Tode entwarf er 1795 das Manifest eines Patriotischen Bundes. Diese vielfältigen Tätigkeiten, vor allem die prominente Rolle, die er im kurz nach seinem erzwungenen Austritt aufgelösten Illuminatenorden gespielt hatte, machten Knigge nach der Französischen Revolution der Obrigkeit verdächtig. Er galt als gefährlicher Demokrat und Jakobiner. 1796 schickte ihm die Wiener Geheimpolizei unter dem Namen des Ex-Illuminaten Aloys Blumauer gefälschte Briefe, in der Hoffnung, aus Knigges Antwortschreiben Einblick in das Netzwerk der deutschen Anhänger der Französischen Revolution zu erhalten.

Über den Umgang mit Menschen

Über den Umgang mit Menschen

1788 erschien die erste Ausgabe seines wohl bekanntesten Werkes Über den Umgang mit Menschen (heute einfach kurz als „Knigge“ bekannt). Knigge beabsichtigte damit eine Aufklärungsschrift für Taktgefühl und Höflichkeit im Umgang mit den Generationen, Berufen, Charakteren, die einem auch Enttäuschungen ersparen sollte. Man kann seine durchdachten und weltkundigen Erläuterungen sehr wohl als angewandte Soziologie würdigen, was in den Abschnitten Über den Umgang mit Kindern, Über den Umgang mit Ärzten, Über den Umgang mit Jähzornigen, Über den Umgang mit Schurken und nicht zuletzt Über den Umgang mit sich selbst deutlich wird.

Der Wandel des Verständnisses von Knigges „Umgang“

Irrtümlicherweise wurde dieses Buch späterhin als Benimmbuch missverstanden, oft nur nach Hörensagen. Dieses Missverständnis verstärkte bereits der Verlag, indem er nach dem Tode von Knigge das Werk um Benimmregeln erweiterte. Außerdem ist bekannt, dass etwa alle zehn Jahre eine neue Ausgabe herausgegeben wurde – hauptsächlich mit Kleiderregeln. Heute erwartet man von einem „Knigge“ meist Hinweise, wie man Rot- zu Weißweingläsern beim gedeckten Tisch zueinander gruppiert; derlei überging Knigge selbst jedoch völlig.

Der Nachfahre Moritz Freiherr Knigge gab im Jahre 2004 in der Intention einer zeitgemäßen Adaption eine moderne Fassung des bekanntesten Werkes unter dem Titel Spielregeln. Wie wir miteinander umgehen sollten heraus.

Werke

  • Allgemeines System für das Volk. Zur Grundlage aller Erkenntnisse für Menschen aus allen Nationen, Ständen und Religionen in einem Auszuge heraus gegeben. Nicosia.1873, [o.O. 1778]
  • Der Roman meines Lebens, 1781-1887, 4 Bände
  • Geschichte Peter Clausens, 1783-1785, 3 Bände
  • Über den Umgang mit Menschen, 1788
  • Geschichte des armen Herrn von Mildenburg, 1789
  • Benjamin Noldmann's Geschichte der Aufklärung in Abyssinien, oder Nachricht von seinem und seines Herrn Vetters Aufenthalte an dem Hofe des grossen Negus, oder Priesters Johannes. Göttingen 1791, 2 Bände gutenberg.spiegel.de Onlineausgabe
  • Des seligen Herrn Etatsrats Samuel Konrad von Schafskopf hinterlassene Papiere. 1792
  • Die Reise nach Braunschweig. 1792
  • Josephs von Wurmbrand, Kaiserlich abyssinischen Ex=Ministers, jezzigen Notarii caesarii publici in der Reichsstadt Bopfingen, politisches Glaubensbekenntniss, mit Hinsicht auf die französische Revolution und deren Folgen. Frankfurt und Leipzig 1792
  • Reise nach Fritzlar im Sommer 1794. 1795
  • [Kompositionen] Konzert für Fagott, Streicher und Basso continuo F-Dur, 1776; Sechs Sonaten für Klavier, 1781; Zwei Klavierlieder: Der stille Abend kömmt herbei und Ergreift das Werk, ihr guten Kinder, 1785/86

Quellen

  1. Eugen Lennhoff, Oskar Posner, Dieter A. Binder: Internationales Freimaurer Lexikon. 5. überarbeitete und erweiterte Auflage. Herbig, München 2006, ISBN 3-7766-2478-7.

Literatur

  • Karl-Heinz Göttert: Knigge oder: Von den Illusionen des anständigen Lebens. dtv, München 1995, ISBN 3-423-04672-4.
  • Ingo Hermann: Knigge. Eine Biografie. Propyläen, Berlin 2007, ISBN 978-3549072608.
  • Peter Kaeding: Adolph von Knigge. Begegnungen mit einem freien Herrn. Verlagsanstalt Union Berlin
  • Knigges Werke. Eine Bibliographie der gedruckten Schriften, Kompositionen und Briefe Adolphs, Freyherrn Knigge und seiner Tochter Philippine von Reden, geb. Freiin Knigge. Mit einem Anhang: Sekundärliteratur, zusammengestellt von Ernst August Freiherr Knigge. Wallstein, Göttingen 1996, ISBN 3-89244-229-0.
  • Michael Schlott (Hrsg.): Wirkungen und Wertungen. Adolph Freiherr Knigge im Urteil der Nachwelt (1796-1994). Eine Dokumentensammlung. (= Das Knigge-Archiv; Band 1). Wallstein, Göttingen 1998, ISBN 3-89244-287-8.
  • Silke Schneider-Flaig: Der neue große Knigge - Gutes Benehmen und richtige Umgangsformen. Compact, München 2004, ISBN 3-8174-5746-4. (sowohl zeitgemäße Interpretation des Werkes als auch Rekurs auf die Urfassung mit Erläuterungen)

Weblinks


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