Diplom-Sozialwirt

Diplom-Sozialwirt

Diplom-Sozialwirt ist ein akademischer Grad. Er konnte durch ein interdisziplinäres Studium an Universitäten und Fachhochschulen erworben werden. Auch die Ausbildung an Berufsakademien konnte mit einer Prüfung zum Diplom-Sozialwirt (BA) abschließen. Bei diesen Abschlüssen handelte es sich jedoch nicht um akademische Grade, sondern um staatliche Abschlussbezeichnungen.

Der Diplom-Sozialwirt mit Universitätsabschluss wurde zur akademischen Gruppe der Sozialwissenschaften gerechnet. Klassische Universitäten waren die Georg-August-Universität Göttingen, die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und die Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik bzw. des Fachbereichs Sozialökonomie an der Universität Hamburg. Seit der europaweiten Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge wird der Grad Diplom-Sozialwirt nicht mehr verliehen; er wird jedoch an der Universität Göttingen weitergeführt in Form polyvalenter Bachelor- und Masterabschlüsse. Konkret können Studierende an kooperierenden interdisziplinären Fakultäten, d.h. der wirtschaftswissenschaftlichen, sozialwissenschaftlichen und juristischen Fakultät, belegen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Göttingen

Zur Entwicklung der Sozialwissenschaften ist zu lesen:

Die Universität Göttingen wurde im Jahr 1737 im Geiste der Aufklärung gegründet. Sie gehört zu den renommiertesten Universitäten Deutschlands und hat darüber hinaus einen weltweit anerkannten Ruf. Sie gilt als einzige "Elite-Universität" Norddeutschlands und nimmt an der Exzellenzinitiative des BMFB teil.

Nürnberg

Seit 50 Jahren konnte Sozialwissenschaften als Integration wirtschafts- und sozialwissenschaftlicher Fächer studiert werden:

Die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften wurden als eine Einheit aufgefasst. Die Idee des Studiums gründete in einem vernetzten Denken ökonomischer, psychologischer und sozialer Sachverhalte, ihrer empirischen Überprüfung, wissenschaftlich fundierter Begleitung von Modellprojekten, soziologischer Beratung und Anwendung. Das Studium war interdisziplinär angelegt. Insofern deckte der Diplom-Sozialwirt ein breites akademisches Berufsfeld ab. Das Konzept der "Sozialen Marktwirtschaft" bei Ludwig Erhard, dem späteren Bundeskanzler und Bundeswirtschaftsminister, der selbst 1919–1922 Betriebswirtschaftslehre in Nürnberg studierte und 1925 bei dem Frankfurter Soziologen Franz Oppenheimer promovierte, konnte als Leitbild für diesen Studiengang interpretiert werden.

Hamburg

Die Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik (HWP) wurde 1948 als Akademie für Gemeinwirtschaft gegründet und 2005 mit der Universität Hamburg fusioniert. Als Fachbereich Sozialökonomie bildet sie gemeinsam mit den Fachbereichen Betriebswirtschaftslehre, Sozialwissenschaften und Volkswirtschaftslehre die Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hamburg.

Struktur und Gestalt

Göttingen

Unter dem Begriff Sozialwissenschaften sollten Wissensgebiete zusammengefasst werden, die durch wissenschaftliche Forschung und Lehre die Wirklichkeit des menschlichen Zusammenlebens in Staat und Gesellschaft, insbesondere aber in der industriellen Gesellschaft, erkennen und darzustellen ermöglichen. Dazu wurden sonst in getrennten Studiengängen behandelte Gegenstände und Gebiete zusammengefügt und miteinander sinnvoll ergänzt:

aus den Bereichen:

  • Wirtschaftswissenschaften,
  • Sozialwissenschaften,
  • Rechtswissenschaften.

Die Integration sozial-, wirtschafts- und rechtswissenschaftlicher Fächer sollte in Göttingen eine vielseitige wissenschaftliche Ausbildung ermöglichen, die zu einer Berufstätigkeit in verschiedenen (komplexen) Tätigkeitsfeldern befähigte, die ein breites, vielfältiges und interdisziplinäres Wissen erfordern:

  • Arbeits- und Organisationsentwicklung (insbesondere in großen Arbeitsorganisationen)
  • Beratungs- und Consultingbranche
  • Bildungs- und Erziehungswesen,
  • Entwicklungshilfe,
  • Industrieverwaltung,
  • öffentliche Verwaltung,
  • Presse,
  • Verbandswesen,
  • wissenschaftliche Forschung.

An der Universität Göttingen ist zum Diplom-Sozialwirt zu lesen:

  • Gleichrangig studiert werden zwei sozialwissenschaftliche, sowie je ein wirtschafts- und ein rechtswissenschaftliches Fach.
  • Angestrebt wird die Integration verschiedener Fächer.
  • In den sozialwissenschaftlichen Fächern sollten die Gemeinsamkeiten in Theorie und Methoden herausgearbeitet werden.
  • Integriert wurden die Sozial-, Wirtschafts- und Rechtswissenschaften, indem als Studienschwerpunkte gesellschaftliche Teilbereiche und Problemfelder gewählt wurden, die gleichermaßen Gegenstand der verschiedenen Disziplinen waren.
  • Unterschiede in den Bearbeitungsweisen, Methoden und theoretischen Bestimmungen des Forschungsgegenstandes sollten im Studium herausgestellt werden.

Durch die Gleichrangigkeit verschiedener Disziplinen wie durch den integrativen Ansatz unterschied sich dieses interdisziplinäre Studium von solchen Studiengängen, die nur einen wirtschaftswissenschaftliche, sozialwissenschaftliche oder rechtswissenschaftliche Einzeldisziplin ins Zentrum stellten und weitere Fächer als Nebenfächer behandelten. Durch eine geschickte Kombinationen der unterschiedlichen integrativen Studienschwerpunkte ergeben sich für den Studierenden eindeutige Vorteile gegenüber anderer einseitig ausgerichteten Studiengänge, welche gerade in komplexen und interdisziplinären Arbeits- und Tätigkeitsfeldern zum Vorschein kommen.

Nürnberg

An der Universität Erlangen-Nürnberg wurde unterschieden in einen Diplom-Sozialwirt sozialwissenschaftlicher Richtung mit einer Betonung pädagogisch-psychologischer Fächer und in einen Diplom-Sozialwirt wirtschaftswissenschaftlicher Richtung mit einer Betonung sozialpolitisch-rechtswissenschaftlicher Fächer. Die neuere Studienordnung hatte diese Differenzierung wieder aufgehoben und sprach von einem Diplom-Sozialwirt. Der Diplomstudiengang in Erlangen-Nürnberg bestand aus fünf Pflicht- und Wahlfächern. Der Fächerkanon beinhaltete, je nach Wahl des Studierenden:

Hamburg

Sozialökonomie an der HWP bzw. der Uni Hamburg versucht die Wechselwirkungen zwischen Gesellschaft, Wirtschaft, Ökologie und Politik zu verstehen. Sozialökonomische Forschung und Lehre behandelt und beantwortet soziologische und ökonomische Fragestellungen interdisziplinär von verschiedenen Blickwinkeln aus.

Sozialökonomie wird als Untersuchung mit praxisrelevanter Fragestellung und interdisziplinärer Vorgehensweise gesehen. Nach dieser Betrachtung funktioniert die Wirtschaft nur innerhalb gesellschaftlicher Zusammenhänge, stehen die Vernetzung der Akteure sowie Kollektive im Mittelpunkt und wird das Machtgefälle zwischen Akteuren untersucht sowie versucht, dass Verhalten zu verstehen und zu erschließen. Sozialökonomische Forschung und Lehre beruft sich auf Karl Marx, Max Weber, Émile Durkheim, Joseph Schumpeter, Karl Polanyi, Pierre Bourdieu, Reinhard Schultz, Günter Schmölders, Werner Hofmann, Manfred Schweres sowie Alfred Oppolzer.

Der Studiengang Sozialökonomie an der Universität Hamburg (ex HWP) ist ein interdisziplinäres Studium von Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre, Rechtswissenschaft und Soziologie zu den Wechselwirkungen zwischen Gesellschaft, Wirtschaft und Politik, das auch Menschen ohne Abitur studieren können - nach einer bestandenen Aufnahmeprüfung.

Aktuelle Entwicklung

Zum Wintersemester 2006/2007 wurden im Zuge des Bologna-Prozesses die Studiengänge zum Diplom-Sozialwirt in Göttingen und Erlangen-Nürnberg eingestellt. In Göttingen wird ein Bachelorstudiengang Soziologie sowie ab dem Wintersemester 2011/2012 ein neuer Bachelorstudiengang in Sozialwissenschaften angeboten. In Erlangen-Nürnberg ein Bachelorstudiengang Sozialökonomik angeboten. Masterstudiengänge werden folgen. In Hamburg wird ein Bachelor of Arts Sozialökonomie sowie Masterstudiengänge angeboten.

Namhafte Hochschullehrer und Dozenten

Göttingen

Nürnberg

Hamburg

Profilierte Sozialwirte

Göttinger Absolventen

  • Horst Kern, Seminar für Soziologie, Universität Göttingen, (1998–2004) Präsident der Georg-August-Universität Göttingen
  • Inge Daniel-Wettigmeier, (1991–2007) Bundesschatzmeisterin der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), ehemals Mitglied des Bundestages
  • Bundesminister a.D. Jürgen Trittin, stv. Fraktionsvorsitzender der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, (1990–1994) niedersächsischer Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, (1998–2005) Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
  • Volker Wittke, Soziologisches Forschungsinstitut, Universität Göttingen

Nürnberger Absolventen

Literatur

  • Wittenberg, Reinhard: Soziologie in Nürnberg. Forschung und Lehre zwischen 1919 und 2000 (Taschenbuch) Roderer, S, 2001, ISBN 3-897-83269-0
  • Wittenberg, Reinhard: Sozialwissenschaftler(Innen) aus Nürnberg-Erlangen in Studium und Beruf. In: Sozialwissenschaften und Berufspraxis (SuB), 2001, Nr. 1, S. 21-50, ISSN 0724-3464
  • Oppolzer, Alfred: Sozialökonomie: Zu Gegenstand, Begriff und Geschichte. In: Sozialökonomische Beiträge. Zeitschrift für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. 1. Jg. Hamburg. 1/1990, Seite 6–29.
  • Langthaler, Ernst: Was heißt Sozialökonomie? Universität Wien 2009. Download des PDF
  • Bärbel von Borries-Pusback: Keine Hochschule für den Sozialismus. Die Gründung der Akademie für Gemeinwirtschaft in Hamburg 1945–1955. Opladen (Leske und Budrich) 2002.
  • Wulf D. Hund (Hrsg.): Von der Gemeinwirtschaft zur Sozialökonomie. 50 Jahre Hochschule für Wirtschaft und Politik Hamburg. Hamburg (VSA) 1998.

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