Dorothee von Velsen

Dorothee von Velsen

Dorothee von Velsen (* 29. November 1883 in Zabrze (heute Polen); † 16. Mai 1970 in Kochel am See) war eine deutsche Schriftstellerin und eine der führenden Frauenrechtlerinnen ihrer Zeit.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Dorothee von Velsen war die zweite von drei Töchtern des königlichen Oberberghauptmanns Gustav Julius von Velsen (1847–1923) und Anna Loerbroks (1856–1910). Ihre Kindheit und Jugend verbrachte sie in Oberschlesien, im Saarland, in Halle (Saale) und schließlich in Berlin. Sie führte das seinerzeit übliche Leben einer Höheren Tochter, besuchte ein Pensionat, reiste viel und nahm an kulturellen Ereignissen teil. Nach dem Tod der Mutter führte sie dem Vater den Haushalt.

Unzufrieden mit dieser Situation entschloss sie sich für eine Ausbildung an der von Alice Salomon gegründeten Sozialen Frauenschule. Dabei war sie vordergründig nicht an der sozialen Arbeit interessiert, sondern an der bürgerlichen Frauenbewegung. Bedingt durch ihre finanzielle Sicherheit konnte sie die ganze Arbeitskraft in diese Bewegung investieren.

Ab 1911 verband sie eine große Zuneigung mit Marianne Weber, die bis zum Tode letztgenannter anhielt. 1923 schrieb von Velsen für Die Frau einen Aufsatz Über die Freundschaft. Dieser ist deshalb

von besonderen Interesse, weil Velsen darin nicht nur einen Zusammenhang zwischen Frauenfreundschaft und den Emanzipationszielen der Frauenbewegung herstellt, sondern weil sie zwischen den Zeilen auch die konfligierenden Deutungsmuster feministischer Traditionsbildung und sexualwissenschaftlicher Kategorisierung thematisiert, die sich vor allem um das Thema der körperlichen Erfahrungen und der Sexualität drehen, sprich: um die Einordnung gleichgeschlechtlicher Beziehungen in die zeitgenössischen Raster von Homo- und Heterosexualität (Göttert 2000, S.188).

Im Ersten Weltkrieg arbeitete von Velsen für den Nationalen Frauendienst in Berlin. Nach einer Zwischenstation im Generalgouvernement Belgien in der Zivilverwaltung, wo sie in Brüssel gemeinsam mit Marie Elisabeth Lüders eine Fürsorgeabteilung aufbaute, übernahm sie 1917 in Breslau das Frauenreferat der Kriegsamtsstelle. Gegen Kriegsende wechselte sie als Referentin einer Heeresgruppe in die besetzte Ukraine.

Während der Weimarer Republik übernahm sie – durch die Inflation zur Lohnarbeit gezwungen – die Geschäftsführung des Bundes Deutscher Frauenvereine sowie die Geschäftsführung eines Ausschusses der Deutsche Demokratische Partei, für die sie sich auch in der Wahlkampfarbeit engagierte. Sie war Mitglied der DDP sowie seit 1921 Vorsitzende des Deutschen Staatsbürgerinnenverbandes.

Ab 1925 studierte von Velsen Volkswirtschaft und Geschichte an den Universitäten in Berlin und Heidelberg und wurde in Geschichte promoviert.

Die Position von Dorothee von Velsen zum Nationalsozialismus

Dorothee von Velsen führte mit Gertrud Bäumer eine engagierte Auseinandersetzung zu Bäumers „Affinitäten zum nationalsozialistischen Gedankengut“ (Angelika Schaser 1997, S. 24ff.):

In seitenlangen Briefen rang sie mit Bäumer, ohne diese je zu überzeugen. Trotzdem brach sie nie mit ihr. […] Sie machte Bäumer immer wieder darauf aufmerksam, dass der Preis, den sie den Nationalsozialisten mit der Herausgabe Der Frau entrichtete, zu hoch sei. […] Anläßlich eines Kommentars, der zusammen mit einem Auszug aus der SS-Zeitschrift Schwarzes Korps zur „Kriegsväterfrage“ publiziert worden war, fragte sie zum Beispiel, ob „Die Frau sich für solche Dinge hergeben müsse“. […] Bäumer entgegnete, die Frauen müssten über solche Dinge unterrichtet werden. […] Von Velsen ließ die Sache nicht auf sich beruhen. Sie gab zu bedenken, dass die nationalsozialistischen Maßnahmen Teil eines menschenverachtenden Systems seien und deshalb nicht isoliert betrachtet werden könnten. Weiter wies sie eindringlich darauf hin, dass es gerade die der NSDAP nahe stehenden Frauen seien, die die Meinung vertraten, Die Frau solle um jeden Preis Kompromisse eingehen, um nur ja weiter erscheinen zu können. Andere dagegen zögen „die Haltung der Kämpferin vor, die ungeniert Kritik übte, und deshalb schließlich auch 1937 verboten wurde“. Die „Machtpolitikerin“ Bäumer konnte sich jedoch nicht entschließen, wegen derartiger Bedenken Die Frau einzustellen. […] [Bäumer] war seit dem Versailler Vertrag davon überzeugt, dass Deutschlands Grenzen revidiert werden müßten. Deshalb „erschienen [ihr] zur Erreichung dieses Zieles auch die gewagtesten politischen Experimente und moralisch anfechtbare Methoden noch vertretbar als Mittel zum Zweck“. Und deshalb konnte sie auch „nicht ganz sehen, warum [von Velsen] bei dem Wort ‚Lebensraumpolitik‘ übel“ wurde. […] Von Velsen war es, die in ihren Briefen immer wieder auf den „alten Hammel der Mitschuld“ zurückkam. Auf die Vernichtung der Juden angesprochen, differenzierte Bäumer zwischen Schuld des Volkes und Schuld der Regierung. Sie, die in früheren Jahren immer den Blick und die Verantwortung für das „Ganze“ eingefordert hatte, weigerte sich nun unter dem Druck der politischen Verhältnisse, die nationalsozialistisch Politik in ihrer ganzen Tragweite zu werten. Sie wusste von der Deportation deutscher Juden und den Gräueltaten gegenüber der polnischen Zivilbevölkerung. Von Velsen fühlte sich hilf- und machtlos. Bäumer wies jede Schuld weit von sich […].

1933 zog sich Dorothee von Velsen aus der Politik zurück und lebte während der Nazi-Diktatur zurückgezogen in Oberbayern in Kochel am See, wo sie literarisch arbeitete:

(…) sie schrieb historische Arbeiten, jedoch nicht mit dem Ziel, die Öffentlichkeit zu beeinflussen. In der Beschäftigung mit der Geschichte fand sie Halt und Trost gegen die unsaubere Flut von außen (Schlaske 1997, S. 34).

Dorothee von Velsens Nachlass lagert im Landesarchiv Berlin.[1]

Werke (Auswahl)

  • Über die Freundschaft. In: Die Frau 1923, H. 12, S. 367–374
  • Die Königlichen Kinder. Erben der Häuser Habsburg und Burgland. 1938
  • Das goldene Tor. 1939
  • Wir leben eine Spanne Zeit. 1950
  • Zum Entwurf eines Familiengestzes in der sowjetisch besetzten Zone. In: Mädchenbildung und Frauenschaffen 1955/H. 5, S. 427–431
  • Im Alter die Fülle. 1956 (Erinnerungen)

Literatur

  • Marie Elisabeth Lüders: Dorothee von Velsen. Versuch zu einem Lebensbild. Eine Würdigung zu ihrem 80. Geburtstag am 29. November 1963. o. O.
  • Margit Göttert: Macht und Ohnmacht. Frauenbeziehungen und weibliche Kultur um 1900 – eine neue Perspektive auf Helene Lange und Gertrud Bäumer. Königstein/Taunus 2000
  • Angelika Schaser: Gertrud Bäumer – „eine der wildesten Demokratinnen“ oder „verhinderte Nationalsozialistin“? S.34ff: „Bäumers Auseinandersetzung mit Dorothee von Velsen“. In: Kirsten Heinsohn, Barbara Vogel, Ulrike Weckel (Hrsg.): Zwischen Karriere und Verfolgung. Handlungsräume von Frauen im nationalsozialistischen Deutschland. Campus, 1997.
  • Ernst Probst: Superfrauen 11 – Feminismus und Familie. Biographien berühmter Femistinnen in Wort und Bild. Grin Verlag für akademische Texte, 2008.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. landesarchiv-berlin.de

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