Dummy-Bauer

Dummy-Bauer

Als Unterverwandlung bezeichnet man im Schach die Umwandlung eines Bauern auf der gegnerischen Grundreihe in eine geringerwertige Figur als die Dame – also in Turm, Läufer oder Springer.

Inhaltsverzeichnis

Motivation und Vorkommen

Während Umwandlungen in einen Springer gelegentlich vonnöten sind, um ein Schach zu bieten (womöglich kombiniert mit einer Gabel), sind Umwandlungen in Turm oder Läufer in einer „normalen“ Partie äußerst selten und stets durch Vermeidung eines gegnerischen Patts motiviert. Unterverwandlung ist ein beliebtes Motiv in der Schachkomposition. Hier kommt alternativ zur Pattvermeidung die Motivation vor, eine Unterverwandlung für ein eigenes Patt als Remischance zu nutzen. Eine schachhistorische Ausnahme bildet die Pam-Krabbé-Rochade.

Beispiele

a b c d e f g h
8 a8 b8 c8 d8 e8 f8 g8 h8 8
7 a7 b7 c7 d7 e7 f7 g7 h7 7
6 a6 b6 c6 d6 e6 f6 g6 h6 6
5 a5 b5 c5 d5 e5 f5 g5 h5 5
4 a4 b4 c4 d4 e4 f4 g4 h4 4
3 a3 b3 c3 d3 e3 f3 g3 h3 3
2 a2 b2 c2 d2 e2 f2 g2 h2 2
1 a1 b1 c1 d1 e1 f1 g1 h1 1
a b c d e f g h
Weiß am Zug gewinnt


Weiß am Zug gewinnt durch Unterverwandlung in einen Springer:
1.e7-e8S+! mit Springergabel, vgl. Mattsetzen mit Läufer und Springer. Die Umwandlung in eine Dame 1. e7-e8D? führt nach Dc7-f7+ zu Damentausch und nur zum Remis.

Charles Tomlinson
Amusements in Chess, 1845
a b c d e f g h
8 a8 b8 c8 d8 e8 f8 g8 h8 8
7 a7 b7 c7 d7 e7 f7 g7 h7 7
6 a6 b6 c6 d6 e6 f6 g6 h6 6
5 a5 b5 c5 d5 e5 f5 g5 h5 5
4 a4 b4 c4 d4 e4 f4 g4 h4 4
3 a3 b3 c3 d3 e3 f3 g3 h3 3
2 a2 b2 c2 d2 e2 f2 g2 h2 2
1 a1 b1 c1 d1 e1 f1 g1 h1 1
a b c d e f g h
Matt in 2 Zügen




Nach sofortiger Umwandlung in eine Dame wäre Schwarz patt. Die Unterverwandlung in einen Turm führt zu Zugzwang nebst Matt:
1. c7-c8T! Ka7-a6
2. Tc8-a8#




a b c d e f g h
8 a8 b8 c8 d8 e8 f8 g8 h8 8
7 a7 b7 c7 d7 e7 f7 g7 h7 7
6 a6 b6 c6 d6 e6 f6 g6 h6 6
5 a5 b5 c5 d5 e5 f5 g5 h5 5
4 a4 b4 c4 d4 e4 f4 g4 h4 4
3 a3 b3 c3 d3 e3 f3 g3 h3 3
2 a2 b2 c2 d2 e2 f2 g2 h2 2
1 a1 b1 c1 d1 e1 f1 g1 h1 1
a b c d e f g h
Babushkin-Postnikow, Fernpartie, UdSSR 1969/70





Eine der seltenen Unterverwandlungen in einen Springer ohne Schachgebot, die sich in praktischen Partien finden: 1. e7-e8S! und Schwarz kann das folgende Dauerschach auf c7 und b5 nicht verhindern.
Weitere Beispiele von Unterverwandlungen finden sich in den Studien von Benkö, Saavedra, Vitali Halberstadt und Selesnjow. Pogosjanz zeigt sogar eine beiderseitige Springerunterverwandlung. Eine achtfache (!) Springerunterverwandlung ist bei Chéron zu finden.

Eine Unterverwandlung kann auch im frühen Stadium der Partie als Eröffnungsfalle vorkommen (zu einer bekannten Variante siehe Albins Gegengambit).

Geschichtliches

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war es statthaft, einem Bauer nach Erreichen der gegnerischen Grundreihe ohne Umwandlung auf dieser stehen zu lassen (und zwar bis zum Ende der Partie, so er nicht vorher geschlagen wurde). Die englische Bezeichnung für einen solchen Bauer war dummy pawn. Die zeitgenössische deutsche Bezeichnung, so es denn eine gab, ist verschollen; Tim Krabbé verwendet die Übersetzung Dummy-Bauer. Er wurde 1862 in den Gesetzen der Britischen Schachföderation festgeschrieben und einige der ersten Turniere wurden nach diesen Regeln gespielt, zuletzt Wien 1873. Ein Dummy-Bauer dürfte in praktischen Partien kaum jemals notwendig gewesen sein. Allerdings gibt es einige Schachkompositionen mit diesem Thema. Im Jahre 1903 wurde diese Möglichkeit wieder abgeschafft.

Ein Dummy-Bauer konnte vor allem zur Erzwingung eines Selbstpatts dienlich sein, wie die folgende Illustration zeigt:


a b c d e f g h
8 a8 b8 c8 d8 e8 f8 g8 h8 8
7 a7 b7 c7 d7 e7 f7 g7 h7 7
6 a6 b6 c6 d6 e6 f6 g6 h6 6
5 a5 b5 c5 d5 e5 f5 g5 h5 5
4 a4 b4 c4 d4 e4 f4 g4 h4 4
3 a3 b3 c3 d3 e3 f3 g3 h3 3
2 a2 b2 c2 d2 e2 f2 g2 h2 2
1 a1 b1 c1 d1 e1 f1 g1 h1 1
a b c d e f g h
Weiß am Zug remisiert


Nach 1. b7-b8B ist Weiß in jedem Fall patt, wohingegen jeder andere Zug unweigerlich zum Partieverlust führt.



Der amerikanische Rätselexperte Samuel Loyd komponierte einen Dreizüger, in dem ein weißer Bauer einen schwarzen Turm auf der Grundreihe schlagen und sodann Bauer bleiben muss, da jede umgewandelte Figur schwarze Pattmanöver zuließe.


a b c d e f g h
8 a8 b8 c8 d8 e8 f8 g8 h8 8
7 a7 b7 c7 d7 e7 f7 g7 h7 7
6 a6 b6 c6 d6 e6 f6 g6 h6 6
5 a5 b5 c5 d5 e5 f5 g5 h5 5
4 a4 b4 c4 d4 e4 f4 g4 h4 4
3 a3 b3 c3 d3 e3 f3 g3 h3 3
2 a2 b2 c2 d2 e2 f2 g2 h2 2
1 a1 b1 c1 d1 e1 f1 g1 h1 1
a b c d e f g h
Matt in 3 Zügen


Nach dem Schlüsselzug 1. c7xd8B! (droht 2. f7-f8D) ergeben sich folgende Varianten:

1. ... Ld7-f5+ 2. Te5xf5 Kd6-e7 3. f7-f8D#
1. ... Ld7-c6+ 2. b5xc6 Kd6xc6 3. b4-b5#
1. ... Ld7xc8 2. f7-f8D+ Kd6-d7 3. Df8-e7#

Nicht zum Ziel führen:

1. c7xd8L? Ld7-f5+ 2. Ke4-d4 Lf5xc8
1. c7xd8S? Ld7-c6+ 2. Ke4-d4 Lc6xa8


Häufigkeit

Von Guretzki Cornitz - Neumann
Berlin 1863
a b c d e f g h
8 a8 b8 c8 d8 e8 f8 g8 h8 8
7 a7 b7 c7 d7 e7 f7 g7 h7 7
6 a6 b6 c6 d6 e6 f6 g6 h6 6
5 a5 b5 c5 d5 e5 f5 g5 h5 5
4 a4 b4 c4 d4 e4 f4 g4 h4 4
3 a3 b3 c3 d3 e3 f3 g3 h3 3
2 a2 b2 c2 d2 e2 f2 g2 h2 2
1 a1 b1 c1 d1 e1 f1 g1 h1 1
a b c d e f g h
Schwarz am Zug




Unterverwandlungen sind in Partien extrem selten. Der niederländische Kuriositätensammler Tim Krabbé hat auf seiner Website in Partien seit 1863 ein paar Dutzend Unterverwandlungen zusammengetragen, wobei er nur solche berücksichtigt hat, die anders als Scherzunterverwandlungen, wenn der Stein ohnehin geschlagen werden muss oder ohnehin Gewinnstellung erreicht ist, einen praktischen Sinn erfüllen. In einigen der Stellungen ist die Unterverwandlung der leichteste Weg und in anderen sogar notwendig. In der Diagrammstellung gewann Schwarz beispielsweise, den einzigen Gewinnweg sehend, mit 1...a3-a2+ 2.Kb1-b2 b3xc2 3.Kb2xa2 c2-c1T! und Weiß gab auf.

Bisher wurden Partien zwar durch Unterverwandlung gewonnen, aber es ist laut Krabbé keine Partie mit einem Remisschluss durch Unterverwandlung bekannt.

Siehe auch

Weblinks


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