Dämon (Religion)

Dämon (Religion)
Plagen des Heiligen Antonius durch Dämonen, Darstellung aus dem 15. Jh. von Martin Schongauer

Als Dämon [ˈdɛːmɔn] (Pl.: Dämonen [dɛˈmoːnən]; von griech.: δαίμων „daimon” für Geist, und das Schicksal der Menschen beeinflussend – und ganz ähnlich δαιμόνιον „daimónion” für Schicksalsmacht, warnende oder mahnende Stimme (des Gewissens), auch Verhängnis, sowie unter christlichem Einfluss dann Geist, Gespenst bis zu Teufel, Satan oder Luzifer) wird entgegen dem neutralen bis eher positiven Sinn des Ursprungswortes für die gemeinten Geisteserscheinungen oder Geisteswesen heute ausschließlich ein solches „Wesen” bezeichnet, das nach allgemeiner Vorstellung Menschen erschrickt, bedroht oder Schaden zufügt, in jeder Hinsicht also als böser Geist erscheint.

Im archäologischen Sprachgebrauch bedeutet „Dämon” ein theriokephales, also tierköpfiges Mischwesen (Chimäre) mit mindestens menschengestaltigen Beinen. Den Gegensatz dazu bilden „Monster”, wie Mischwesen mit Tierkörpern und Tierköpfen phantastischer Art bezeichnet werden (z. B. Greif oder Drachen) oder Tierkörper mit menschlichem Köpfen wie Sphinx (Frauenkopf und Löwinnenkörper), Mantikor (Männerkopf mit Löwenkörper und Skorpionschwanz) und Zentauren (Menschenoberkörper und Pferdeleib).

Inhaltsverzeichnis

Etymologie

Das Wort stammt wie oben angegeben vom griechischen Wort δαίμων ab, das wohl ursprünglich für den Geist der Abgeschiedenen oder umgekehrt den abgeschiedenen Geist der Verstorbenen stand,[1] wobei insoweit eine positive Bedeutung im Vordergrund gestanden zu haben scheint, solange die Sage von Bedeutung war, in der die Seelen der Menschen des goldenen Zeitalters δαίμονες genannt wurden, die dabei „eine Mittelstufe zwischen Göttern und Menschen, eine zweite Klasse niederer Götter” darstellten.[2] Das Wort δαίμων wiederum steht in Verbindung mit dem griechischen Wort δαιμόνιον in der Bedeutung des „Schicksals” oder „Gewissens”, das den Menschen jederzeit unsichtbar begleitet. Es gibt die Einschätzung, dass erst im Lauf des Mittelalters der Begriff „Dämon” mit unangenehmen Vorstellungen verbunden worden sei und damit eine Verschiebung ins Negative erhalten habe.

Geschichte des Dämonenglaubens

Die ägyptische Mythologie postulierte eine ungeheure Zahl Dämonen auf der Erde, in der Luft und im Wasser. In der sumerischen und später auch der babylonischen Mythologie wurden neben den himmlischen Geistern im Sterndienst auch solche verehrt, deren Aufenthalt und Wirksamkeit an bestimmte Gegenden gebunden war, und noch tiefer unten die verfinsterten Geister, die auf und in der Erde und in ihrer Atmosphäre wohnten, wie die Feuer-, Licht-, Feldgeister, etc.

Systematisiert wurde die Dämonenlehre in der persischen Mythologie, in welcher dem Ahura Mazda außer den sieben Amschaspands (s. d.) viele gute Genien und dem Ahriman außer den sieben Daevas noch zahllose böse Geister untergeordnet sind.

Die griechische Mythologie ging zunächst bei sämtlichen Naturphänomenen von Dämonen aus (übernatürliche Wesen), z. B. Blätterrauschen im Wind, Zikadenzirpen usw., später nur noch bei ungeklärten Vorgängen oder Prozessen, z. B. Gärung von Milch oder Alkohol, Verdunstung, Verwesung, Verwitterung, Alterung, etc. Im alten Orient galten Dämonen als Teil der Weltordnung, indem ihnen der Ursprung von Krankheit und auch Tod zugesprochen wurde. Der griechische Epenschreiber Hesiod (etwa 700 v. Chr.) beschreibt in seinem Hauptwerk Theogonie den Glauben an ganze Scharen und verschiedene Klassen von Dämonen als Zwischenwesen zwischen den Göttern und den Menschen. Sie umschweben den Menschen als quasi unsichtbare Wächter über Recht und Unrecht und spenden auch Reichtum. Außerdem wirken sie in der irdischen Sphäre als Natur- und Elementargeister, entweder als Wohltäter oder als Verderber. Eine größere Rolle spielt die Dämonologie auch in der neuplatonischen Philosophie (ab etwa 300 n. Chr.), welche den ganzen Polytheismus der Griechen in Gestalt des Glaubens an Dämonen, die als Untergötter der Natur und allen Lebensbeziehungen vorstehen und als „weltschöpferische Mittelwesen” zwischen den hilfsbedürftigen Menschen und der Gottheit vermitteln sollten, in ihr System mit aufnahm. Die Philosophen haben diesen Glauben mit vielen einzelnen Beziehungen auf das Natur- und das menschliche Seelenleben (auch mit Übertragung auf die geheimnisvolle Geisterwelt der Verstorbenen) immer weiter ausgebildet. Besonders in zwei Richtungen trat derselbe hervor:

    • Einmal waren die Dämonen als dienende Kräfte und begleitende Umgebung der einzelnen Kultusgötter gedacht (in welcher Anwendung sie häufig individuellere Gestalt und Namen annehmen).
    • Andererseits waren nach Ansicht der damaligen Dämonologie die Dämonen den einzelnen Menschen (oder auch Völkern) zugesellte Geisterwesen, welche dieselben von der Geburt an auf allen ihren Lebenswegen begleiten. Die Einwirkung dieser Dämonen äußerte sich einmal zum Schutz und Heil, aber auch zum Schaden der Menschen. Daher nahm man später auch zwei Dämonen für jeden Einzelnen an: einen guten und einen bösen. Der allgemeine Glaube war aber auch, dass von dem Dämon jedes Einzelnen Gutes oder Böses kommen würde, dass der Dämon des einen mächtig oder wohlwollend, der des andern schwach oder übelwollend sei.
Sokrates spricht in diesem Glauben von seinem „Dämonion” als von einem guten Geist, welcher ihn von den ersten Jahren seines Lebens an begleitet und stets von Unrechtem abgehalten habe. Angelehnt an diese Vorstellung beschreibt Goethe den Dämon als Charakter des Einzelmenschen[1].

Der Zoroastrismus entfaltet einen eigenständigen Dämonenglauben etwa in Form der Dämonin Drug (Lüge), der Leichenhexe Nasu oder der Zornesgestalt Aesma Daeva Asmodeus. Während noch Plato Dämonen als Mittlergestalten zwischen Göttern und Menschen begreift, verstärkt sich mit dem antiken Judentum und Christentum die rein negative Einschätzung der Dämonen.

In den alten Schriften der Hebräer spielt die Dämonologie eine ganz untergeordnete Rolle; nur wenige Eindringlinge aus den eben besprochenen Religionen machen sich bemerklich. Mit voller Macht dagegen drang der Glaube an die Dämonen in das jüdische Bewusstsein seit der Berührung mit dem Parsismus während der jüdischen Exile ein. Die Geister wurden nun in gute und böse (Teufel) unterschieden, beide wieder in Klassen geteilt, mit Namen belegt und mit Ämtern betraut, insbesondere als Schutzengel für Städte und Länder bezeichnet. Auf die Einwirkung der bösen Dämonen führte man oft Krankheit, insonderheit Tobsucht, Epilepsie, plötzliches Stumm- oder Taubwerden und auch alle Arten von Geistesgestörtheit zurück. Dies waren die „Besessenen” oder „unsauberen Geister” des Neuen Testaments. Eine noch vollständigere Ausbildung und eine erschöpfende, mit fast naturgeschichtlicher Genauigkeit verfahrende Terminologie erhielt die Dämonologie im Gnostizismus, der rabbinischen Überlieferung und der Kabbala, so dass es zuletzt keinen Teil der Natur und der Verhältnisse des Lebens mehr gab, über die man nicht Geister gesetzt hätte.

Etwas anders entwickelte sich der Dämonenglaube in der römischen Mythologie, in der griechische Ideen sowie orientalische Vorstellungen (durch Vermittlung über die etruskische Mythologie) aufgenommen und weitergebildet wurden. Hier erscheinen die Dämonen als so genannte Genien. Diese Vorstellungen wurden dann vom frühchristlichen Dämonenglauben übernommen.

In der indischen Mythologie haben die Dämonen (Asuras) einen festen Platz. Im Hinduismus sind sie die Gegenspieler der Götter (Devas). Nach alter indischer Vorstellung waren die Dämonen einstmals Götter. Als die Asuras geschaffen wurden, gab man ihnen als Gabe die Wahrheit und die Lüge mit, wobei sie später die Wahrheit ablegten und dämonisiert wurden. Es gibt verschiedene Dämonengruppen, die Daityas, die Danavas oder die Rakshasas, die oft als Tiere, z. B. Geier, Hunde oder Tiger, oder als besonders hässliche Menschen dargestellt werden.

Der Islam sieht die Dschinnen als dämonische, aus dem Feuer geschaffene Wesen an, die neben Engeln, Teufeln und Menschen eine eigene Bedeutung haben. Sie können mit Menschen verkehren; böse Dschinnen gelten als Teufel (shayatin). Salomo machte sie sich lt. Koran 34, 12–14 als Erster dienstbar. Häufig erscheinen sie als kriechendes Getier, schwarze Hunde und Windhosen. Dschinnen werden auch positiv bewertet.

Zunächst lebten zu Beginn des Christentums bei einigen Menschen auch die alten heidnischen Götter als Dämonen noch lange fort. Man glaubte auch in Anlehnung an altjüdische Vorstellungen (so beschrieben bei Lactantius) an zahlreiche auf das Menschengeschlecht vehement einwirkende, allerdings auch durch Menschen zu bannende „Mittelmächte”, die man sich als gefallene Engel oder als Giganten (Söhne der Engel und der Töchter der Menschen) vorstellte. Alle diese Geister galten als überaus böse und dem Reich Gottes sowie den Menschen feindlich gesinnt. Manche hielten sie gar für die eigentlichen Urheber des Unheils in der Natur und glaubte, sie würden Erdbeben, Seuchen, etc. hervorbringen. Die Dämonen galten einigen letztendlich als die Urheber des gesamten Heidentums, wozu sie die Menschen verführt hätten, um sie in ihrer Gewalt zu behalten. Der christliche Urglaube geht davon aus, dass um jede Menschenseele ein oder mehrere „Schutzgeister” / „Schutzengel” ihre beschützende Funktion ausüben und nur solche Versuchungen und Verirrungen zulassen, die der umsorgten Seele bei deren Aufarbeitung bzw. Bewältigung geistig-seelisch fortentwickelnd dienen können. Nach heutiger christlicher Lehre sind die Dämonen, in diesem Zusammenhang auch unreine Geister genannt, einst gefallene Engel gewesen. Der Engelfürst, welcher als Satan bezeichnet wird, lehnte sich gegen Gott auf, da er seine Freiheit dazu nutzen wollte, selbst Gott zu sein. Gott sollte gestürzt werden, damit Satan sich selbst auf den Thron setzen und über die Schöpfung herrschen konnte. Satan nahm seine Anhänger (wohl ein Drittel der Engel) für diesen Plan zur Hilfe. Gott war jedoch stärker, ließ Satan und seine Anhänger durch den Erzengel Michael aus dem ewigen feinstofflichen Himmelsreich werfen und beschränkte Satans Herrschaftsbereich auf die grobstoffliche Erde. Von dieser Zeit an würden viele Menschen auf der Erde von Dämonen unsichtbar, aber nicht „unwirkbar”, verführt und bedrängt; siehe auch Besessenheit, Exorzismus.

Individuelle Dämonen

Siehe auch

Literatur

  • Otto Böcher, Gunther Wanke, Günter Stemberger und Georges Tavard: Dämonen. I. Religionsgeschichtlich. II. Altes Testament. III. Judentum. IV. Neues Testament. V. Kirchengeschichtlich. In: Theologische Realenzyklopädie 8 (1981), S. 270–300 (Überblick)
  • Felicitas Goodman: Ekstase, Besessenheit, Dämonen – die geheimnisvolle Seite der Religion. Gütersloher Verlangshaus Gerd Mohn, Gütersloh 1991, ISBN 3-579-00282-1 bzw. ISBN 978-3-579-00282-8.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Griech. σκιά oder „skiá” für Schatten, die körperperlosen Gestalten der Abgeschiedenen (psychologisch gesehen offenbar die schatten- oder schemenhaften Erinnerungsbilder an Verstorbene) in ganz ähnlicher Bedeutung wie im Deutschen das nur selten gebrauchte Wort Schemen (wie erwähnt in schemenhaft) für Geist(er), Gespenst(er) und sonstige Erscheinung(en) gleicher Art wie etwa Spukgestalten; zugrunde liegt diesen und anderen Wortbildungen (wie scheinen, schimmern, schier und Schimmel) nach dem Herkunftwörterbuch des „Großen Duden” das idg. Wurzelwort *skai- in der Bedeutung von (stumpf) glänzen, Glanz, Abglanz (durchaus auch in der Bedeutung von mehr oder weniger hell scheinen wie in der dt. Redewendung von einer „glänzenden” oder „gleißenden Sonne”).
  2. Nach Wilhelm Gemoll: Griechisch-Deutsches Schul- und Handwörterbuch. Freyta, München 1959 (7. Aufl.), S. 181; interessant ist dort die weitere Angabe, dass alter Vorstellung nach jeder Mensch bei der Geburt von diesen δαίμονες einen Schutzgeist erhalte, einen „Genius”, auf Deutsch einen „schöpferischen Geist”: diese übliche Umschreibung lässt bereits in seinem Wortlaut den im Hintergrund stehenden tatsächlichen Zusammenhang mit [Er]Zeugung und Entstehung erkennen, auf den viele andere bekannte Begriffen mit der Silbe gen bezogen sind (s. neben den Genen Genetik, Genitalien sowie Kind, weiter Generation, Degeneration, Regeneration und Ingenieur, vor allem Genie und generell oder lat. gens „das Volk” und genus für „Geschlecht” und „Knie”, dann aber auch natus – von älter gnatus… – für „geboren”, von wo abgeleitet ist: Natur, Natalität, Naivität, Nativität und Nation, Knie sodann und auch König mit der Bedeutung „aus vornehmem Geschlecht”)! – Das Herkunftwörterbuch des Großen Duden gibt als heutige die Bedeutung von Dämon „böser Geist”, ein Mittelwesen zwischen Gott und Mensch an und führt es auf griech. δαίεσθει für (ver)teilen, zer- und zuteilen sowie geteilt werden zurück; von daher wird dort als Grundbedeutung von Dämon die Angabe „Ver- und Zuteiler (des Schicksals)” hergeleitet. Interessant sind die weiteren Beziehungen von δαίμων: einerseits zu dem griech. Wort für Volk δῆμος dämos – wie in Demokratie) –, andererseits und noch weiter ausholend zu „Zeit” (time, tide/Tide[(n)hub]/Gezeiten, siehe auch Zeile, Ziel, Zeitung) i.S.v. Abschnitt, Abgeteiltes: bei alledem handelt es sich sprachhistorisch oder etymologischum Ableitungen aus dem idg. Wurzelwort *da[i]- für teilen, zerreißen, zerschneiden.

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