Editionsrichtlinie

Editionsrichtlinie

Editionsrichtlinien sind fachwissenschaftliche Regeln, wie bei der Edition von Texten zu verfahren ist. Während Editionsrichtlinien der Vorbereitung einer gedruckten (oder neuerdings auch online verfügbaren) Ausgabe dienen, geben Transkriptionsrichtlinien an, wie man ein altes handschriftliches oder gedrucktes Schriftbild in heutiger Schreibschrift oder heutigem Druckbild wiedergibt. Transkriptionsrichtlinien und Editionsrichtlinien haben meist den gleichen Inhalt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichtswissenschaft

In der Geschichtswissenschaft des 19. Jahrhunderts haben bei der Edition von Urkunden vor allem die Monumenta Germaniae Historica Maßstäbe gesetzt. Einflussreich wurden die Richtlinien der Deutschen Reichstagsakten, die auf eine konsequente Normalisierung der spätmittelalterlichen Schreibweisen setzten.

1962 publizierte Johannes Schultze - als Neufassung eines Textes von 1930 - die Richtlinien für die äußere Textgestaltung bei Herausgabe von Quellen zur neueren deutschen Geschichte. Sie wurden zum Maßstab für unzählige historische Editionen, haben aber durch ihre weitgehende Normalisierung heftige Kritik von Seiten der Literaturwissenschaft hervorgerufen. Daher wurden 1980 durch die AHF Empfehlungen zur Edition frühneuzeitlicher Texte publiziert, die eine stärkere Orientierung an der sprachlichen Gestalt der Vorlage für angemessen halten.

Hatte Schultze bei der Doppelkonsonanz bedenkenlose Streichung der aus heutiger Sicht überzähligen Konsonanten empfohlen, so steht in den AHF-Empfehlungen unter Punkt 5.4: Der Bestand von Konsonanten wird in der Regel bewahrt. Abgesehen von Eigennamen werden aber auch nach den AHF-Empfehlungen i, j, u, v und w entsprechend dem Lautwert wiedergegeben (also und nicht vnd, zu nicht zw).

Altgermanistik

Viele mittelhochdeutsche Texte liegen nur in sehr viel späterer Überlieferung vor, weshalb man sie in ein normalisiertes Mittelhochdeutsch rückübersetzt hat. Solche Editionen werden vereinzelt auch heute noch veröffentlicht, doch hat sich allgemein das Prinzip der Leithandschrift durchgesetzt, die man wortgetreu wiedergibt. Traditionell versucht die Germanistik sehr viel akribischer den handschriftlichen Befund im Druck nachzubilden (etwa durch Beibehaltung der Unterscheidung von langem und rundem s).

Neuere Germanistik

Viele für ein breites Publikum bestimmte Klassiker-Ausgaben normalisieren die Schreibweise (schreiben also z. B. Not statt Noth, bei statt bey).

Epigraphik

Für Inschriften existieren eigene Editionsrichtlinien, wie z. B. für Inschriften der Antike das Leidener Klammersystem oder die Editionsprinzipien der Deutschen Inschriften für Inschriften des Mittelalters und der Frühen Neuzeit.

Kriterienkatalog

Wichtige Punkte, die bei Editionsrichtlinien zu regeln sind, behandelt der folgende Fragenkatalog:

  • Soll die Groß- und Kleinschreibung der Vorlage beibehalten werden?
  • Soll die Interpunktion der Vorlage beibehalten werden?
  • Soll die Getrennt- und Zusammenschreibung der Vorlage beibehalten werden?
  • Sollen Abkürzungen (wenn eindeutig) und Ligaturen stillschweigend aufgelöst werden?
  • Sollen Hervorhebungen (z. B. Unterstreichungen) und der Wechsel der Schriftart wiedergegeben werden?
  • Sollen Versehen der Vorlage (Verschreibungen, Druckfehler) stillschweigend verbessert werden?
  • Sollen Streichungen oder nachträgliche Zusätze einer handschriftlichen Vorlage berücksichtigt werden?
  • Sollen römische Zahlen stillschweigend durch arabische ersetzt werden?
  • Sollen übergeschriebene Buchstaben (z. B. o über u, e über u) berücksichtigt werden?
  • Sollen Konsonantenhäufungen (z. B. unnd) beibehalten werden?
  • Sollen i/j, u/v nach ihrem Lautwert wiedergegeben werden?
  • Sollen Modernisierungen der Sprachgestalt vorgenommen werden?

Siehe auch

Literaturhinweise

Weblinks


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