Eduard Limonow

Eduard Limonow
Eduard Limonow, 2008

Eduard Weniaminowitsch Limonow (russisch Эдуард Вениаминович Лимонов, eigentlich Eduard Weniaminowitsch Sawenko, russ. Эдуард Вениаминович Савенко; * 22. Februar 1943 in Dserschinsk, Oblast Nischni Nowgorod) ist ein russischer Schriftsteller und Politiker. Er ist eine der umstrittensten, widersprüchlichsten und schillerndsten Personen des heutigen Russlands.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Aufgewachsen ist Eduard Limonow in der ukrainischen Stadt Charkow. Mitte der 1960er Jahre siedelte er nach Moskau über, wo er sich zunächst als Hosenschneider durchs Leben schlug. Dann machte er Bekanntschaft mit dem literarischen Untergrund und sorgte bald selber als Avantgarde-Lyriker und Dissident für Aufsehen. 1974 wurde er aus der Sowjetunion ausgewiesen. In den folgenden Jahren lebte er in den USA. Aber auch dort bewahrte er sich die Rolle des vehementen Protestlers gegen Machtstrukturen. Er wurde zum Dissidenten innerhalb der Dissidentenszene. Er warf den USA vor, ein ähnliches System wie in der Sowjetunion zu besitzen; nur sei das US-amerikanische wesentlich weiter entwickelt und hätte eine weiter entwickelte Propaganda. Echter Dissens sei auch in den USA unerwünscht.

Limonow hatte große Probleme, seine politischen Ansichten in den USA publizieren zu können. Für seinen autobiografischen Roman It’s me, Eddie von 1976 (Titel der deutschen Ausgabe: Fuck Off, Amerika) fand er erst 1979 in Frankreich einen Verlag. Dieses Buch machte Limonow dann aber international bekannt. Ab 1982 lebte er in Frankreich. Hier veröffentlichte er einige herausragende Bücher, namentlich die Memoiren eines russischen Punks (die epische Erzählung des Wochenendes eines russischen Teenagers im poststalinistischen Charkow). Sein Stil war kalt und brutal. Er nahm die französische literarische Szene im Sturm für sich ein. Das Cosmopolitan-Magazin zählte ihn 1987 zu den 40 wichtigsten Intellektuellen Frankreichs; im selben Jahr erhielt er die französische Staatsbürgerschaft. Auch in Frankreich schrieb er in politischen Magazinen: Er begann auf der radikalen Linken, wechselte dann aber zur radikalen Rechten.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion kehrte Limonow nach Russland zurück – Michail Gorbatschow gab ihm 1991 die russische Staatsbürgerschaft zurück. It’s me, Eddie hatte sich bis dahin 1,5 Millionen Mal verkauft. Mit seinen Tätigkeiten sucht Limonow nach wie vor den Skandal, die Provokation. Er unterstützte die Putschisten gegen Boris Jelzin, kämpfte auf der Seite der Serben im Jugoslawienkrieg und auf der Seite der Abchasen gegen die Georgier, er saß als designierter Innenminister im Schattenkabinett des Nationalisten Wladimir Schirinowski und gründete schließlich (1994) die Nationalbolschewistische Partei Russlands (NBP). Diese gab sich antiamerikanisch, antikapitalistisch und propagierte russische Großmachtsphantasien. 2005 wurde sie als verfassungsfeindlich eingestuft und verboten. Das Gleiche gilt für die Hauspostille der Nationalbolschewisten, das vehement regierungskritische Magazin Limonka (russisch für eine Handgranate wegen ihrer Zitronenform). Das Moskauer Büro für Menschenrechte rief 2006 die Rechtsschutzorgane dazu auf, Äußerungen Limonows auf den Tatbestand einer Anstiftung zum Fremdenhass zu überprüfen.[1]

Im April 2001 wurde Limonow in der russischen Republik Altai, wohin er sich mit einigen Parteigängern zurückgezogen hatte, verhaftet. Die nächsten zwei Jahre saß er im Lefortowo-Gefängnis des FSB bei Moskau in Untersuchungshaft. Im April 2003 schließlich wurde Limonow wegen versuchter Bildung eines bewaffneten Haufens, der Planung terroristischer Anschläge und des illegalen Waffenbesitzes zu vier Jahren Gefängnis verurteilt.[2]

Werk

Limonow wurde von Daniil Charms und Wladimir Majakowski beeinflusst. Aus der internationalen Literatur hat ihn vor allem die Avantgarde der 1960er- und 1970er-Jahre bewegt. Nach eigenen Angaben waren Texte von Lou Reed die ersten, die er übersetzt hat. Seine Begeisterung für die Skinheadkultur stammt wahrscheinlich von den Sex Pistols und von The Clash.

Einige Werke schrieb Limonow in Untersuchungshaft und im Gefängnis, darunter Das Buch des Wassers. Für diesen Roman erhielt Limonow 2002 den Andrei-Bely-Preis.

  • «Американские каникулы», Erzählungen
    • DE: «Urlaub auf amerikanisch»
    • US: «American Vacation»
  • «Великая мать любви», Erzählungen
    • DE: «Die große Mutter der Liebe»
    • US: «The Great Mother of Love»
  • «Девочка-зверь», Erzählungen
    • DE: «Das wilde Mädchen»
    • US: «The Wild Girl»
    • RS: «Девојка-ѕвер!»
  • «Коньяк «Наполеон»», Erzählungen
    • DE: «Cognac Napoleon»
    • FR: «Cognac Napoléon»
    • US: «Cognac Napoleon»
    • RS: «Konjak Napoleon»
  • «Монета Энди Вэрхола», Erzählungen
    • DE: «Die Münze des Andy Warhol»
  • «Обыкновенные инциденты», Erzählungen
    • DE: «Gewöhnliche Vorfälle»
    • FR: «Des Incidents ordinaires»
    • US: «Of the ordinary Incidents»
  • «Чужой в незнакомом городе», Erzählungen
    • DE: «Ein Fremder in einer unbekannten Stadt»

...

  • «Русское», 1967–1974, Gedichte
    • DE: «Russisches»
  • «Мы — национальный герой», 1974
    • DE: «Wir — Nationalheld» (Wir)
  • «Мой отрицательный герой», 1976–1982, Gedichte
    • DE: «Mein negativer Held»
  • «Это я, Эдичка», 1976, Roman
    • DE: «Fuck off, Amerika» (Im Original: «Hier bin ich, Eduardchen») (Übersetzung: Hans Brink) // Bern und München: «Scherz Verlag», 1982, 1986, 269 Seiten
    • DE: «Fuck off, Amerika» (Im Original: «Hier bin ich, Eduardchen») (Übersetzung: Hans Brink) // München: «Wilhelm Heyne Verlag», 1984, 1986, 1988, 1990, 1993, 269 Seiten, ISBN 3453020197
    • DE: «Fuck off, Amerika» (Im Original: «Hier bin ich, Eduardchen») (Übersetzung: Jürgen Bavendam) // Köln: «Kiepenheuer & Witsch», 2004, 272 Seiten, ISBN 3462033840
    • FR: «Le Poète russe préfère les grands nègres»
    • US: «It’s me, Eddie» or «The Russian Poet Prefers the Large Negros»
    • IT: «Il poeta russo preferisce i grandi negri»
    • NO: «Det er meg, Editsjka»
    • NL: «De Russische Dichter Houdt Van Grote Negers»
    • PL: «To ja, Ediczka»
    • LT: «Tai aš — Edička»
    • BG: «Това съм аз — Едичка!»
    • DK: «Det er mig: Eddie!»
    • RS: «Ja, Edička!»
    • CZ: «To jsem já, Edáček»
    • IL: «זה אני, אֶדיצ'קה»
  • «Дневник неудачника, или Секретная тетрадь», 1977, Roman
    • DE: «Tagebuch eines Pechvogels»
    • US: «Diary of a Loser» or «Newspaper of a Failure»
    • FR: «Journal d'un raté»
    • IT: «Diario di un fallito»
  • «История его слуги», 1980–1981, Roman
    • DE: «Die Geschichte seines Dieners»
    • FR: «Histoire de son serviteur»
    • US: «His Butler's Story»
    • PT: «Historia de um Poeta Mordomo»
    • ES: «Historia de un servidor»
  • «Подросток Савенко, или Автопортрет бандита в отрочестве», 1982, Roman
    • DE: «Selbstbildnis des Banditen als junger Mann» (Übersetzung: Ulrike Endres und Hilde Schneider) // Ravensburg: «Peter Selinka Verlag», 1988, 285 Seiten, ISBN 3926532092
    • DE: «Der Jüngling Sawenko, oder Selbstportrait eines Banditen im Knabenalter»)
    • FR: «Autoportrait d'un bandit dans son adolescence»
    • US: «Memoir of a Russian Punk»
    • US: «The Teenager Savenko» or «Self-portrait of a Gangster in His Adolescence»
    • IT: «Eddy-baby ti amo»
    • GR: «Η αυτοβιογραφία ενός ανήλικου ληστή»
    • NL: «Zelfportret van een bandiet»
  • «Палач», 1982, Roman
    • DE: «Der Henker»
    • US: «Oscar and the Women»
    • FR: «Oscar et les femmes»
    • GR: «Δήμιος γυναικών»
    • NL: «De kus van de kakkerlak»
  • «Молодой негодяй», 1985, Roman
    • DE: «Der kleine Dreckskerl» // Ravensburg: «Verlag Peter Selinka», 1989, ISBN 3926532203
    • DE: «Junger Tunichgut»
    • FR: «Le petit salaud»
    • US: «A Young Scoundrel» or «The Small Bastard»
    • NL: «Eenklein mispunt»
    • ES: «Historia de un canalla» / «Historia de un granuja»
  • «Укрощение тигра в Париже», 1985, Roman
    • DE: «Des Tigers Zähmung in Paris»
  • «Смерть современных героев», 1982–1985, Roman
    • DE: «Der Tod der modernen Helden» oder «Heldentod»
    • FR: «Мort des héros modernes»
    • US: «Died of the modern heroes»
    • EE: «Tänapäeva kangelaste surm»
  • «У нас была великая эпоха», 1987, Roman
    • DE: «Wir hatten eine große Epoche»
    • US: «The Great Time»
    • FR: «La grande époque»
    • BG: «Велика беше нашата епоха»
    • GR: «Η μεγάλη εποχή»
    • RS: «Имали смо велико доба»
  • «Дисциплинарный санаторий», 1988–1989, Publizistik
    • DE: «Das Disziplinarsanatorium»
    • FR: «Le grand hospice occidental»
  • «Иностранец в Смутное время, или Иностранец в родном городе», 1992, Roman
    • DE: «Der Ausländer in der dunklen Zeit, oder Der Ausländer in der Geburtsstadt»
    • FR: «L'étranger dans sa ville natale»
    • US: «The Foreigner in His Birthplace»
  • «Исчезновение варваров», 1992, Publizistik
    • DE: «Das Verschwinden der Barbaren»
    • US: «Disappearance of Barbarians»
  • «Лимонов против Жириновского», 1994, Publizistik
    • DE: «Limonow contra Zhirinowski»
  • «Убийство часового», 1994, Publizistik
    • DE: «Die Ermordung des Wachmanns»
    • FR: «La sentinelle assassinée: journal dissonant»
    • US: «The Assassinated Sentinel»
  • «Последние дни супермена», 1996, Roman
    • DE: «Die letzten Tage des Superman»
  • «316, пункт «B»», 1982–1997, Roman
    • DE: «316, Punkt «B»»
  • «Анатомия героя», 1998, Roman
    • DE: «Anatomie eines Helden»
    • US: «Anatomy of a Hero»
  • «Книга мёртвых», 2001, Erinnerungen
    • DE: «Buch der Toten»
  • «Охота на Быкова: расследование Эдуарда Лимонова», 2001, Untersuchung
    • DE: «Die Untersuchung Eduard Limonows: Die Jagd auf Bykow»
  • «В плену у мертвецов», 2002, Erinnerungen, Essais
    • DE: «Gefangen genommen von Toten»
    • US: «Imprisoned by Dead Men» or «Prisoner of the Walking Dead»
  • «Книга воды», 2002, Erinnerungen
    • DE: «Das Buch des Wassers»
    • US: «The Book of Water»
    • IT: «Libro dell'acqua»
  • «Моя политическая биография», 2002, Publizistik
    • DE: «Meine politische Biografie»
    • US: «My Political Biography»
  • «Другая Россия. Очертания будущего», 2003, Publizistik
    • DE: «Ein anderes Russland — Skizzierung der Zukunft»
    • US: «The Other Russia»
  • «Контрольный выстрел», 2003, Publizistik
    • DE: «Sicherheitsschuß»
    • US: «Control Shot»
  • «Русское психо», 2003, Publizistik
    • DE: «Russischer Psycho»
    • US: «Russian Psycho»
  • «Священные монстры», 2003, Publizistik
    • DE: «Die heiligen Monster»
    • US: «The Holy Monsters»
  • «Бутырская-сортировочная, или Смерть в автозаке», 2003, Theaterstück
    • DE: «Butirskaja-sortirowotschnaja, oder Tod im Autosack»
  • «Как мы строили будущее России», 2004, Publizistik
    • DE: «Wie wir die Zukunft von Russland bauten»
  • «По тюрьмам», 2004, Roman
    • DE: «Durch die Gefängnisse»
    • FR: «Mes prisons»
  • «Tоржество метафизики», 2004, Roman
    • DE: «Sieg der Metaphysik»
  • «Лимонов против Путина. Такой президент нам не нужен», 2005, Publizistik
    • DE: «Limonow contra Putin. Einen solchen Präsidenten brauchen wir nicht»
    • US: «Limonov vs. Putin»
  • «Ноль часов», 2002–2006, Gedichte
    • DE: «Null Uhr»
  • «Смрт», 2007, Erzählungen
    • DE: «Tod» (im Original serbisch)
  • «Ереси», 2008, Essais
    • DE: «Die Ketzereien»
  • «Дети гламурного рая», 2008, Essais
    • DE: «Kinder des Glamur-Paradises»
  • «Мальчик, беги!», 2006–2008, Gedichte
    • DE: «Lauf, Junge, lauf!»

Literatur

  • Felix Dreizin: Russian Style in Emigration: Edward Limonov's Anglicisms, in: Wiener Slawistischer Almanach 22 (1988)

Weblinks

Quellen

  1. Menschenrechtler in Russland wollen Limonow wegen Anstiftung zum Fremdenhass belangen, auf russland.ru vom 8. Juni 2006.
  2. Eduard Limonow zu vier Jahren Gefängnis verurteilt, auf respectabel.de.

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