Edward de Vere, 17. Earl of Oxford

Edward de Vere, 17. Earl of Oxford
Edward de Vere, 1575

Edward de Vere (* 12. April 1550 auf Hedingham Castle; † 24. Juni 1604[1] in Hackney Wick, Middlesex) war der 17. Earl von Oxford und Lord Great Chamberlain am Hofe Elisabeths I. von 1562 bis 1604. Heute ist Edward de Vere auch im Zusammenhang mit der Debatte um die Urheberschaft der Stücke Shakespeares bekannt.

Inhaltsverzeichnis

Kindheit und Jugend

Nachdem sein Vater am 3. August 1562 überraschend verstorben war, wurde aus dem zwölfjährigen Lord Bulbeck (der er von Geburt an war) der 17. Earl of Oxford und der Lord Great Chamberlain von England. Edwards Mutter heiratete innerhalb der nächsten vierzehn Monate einen pensionierten Gentleman namens Charles Tyrell, einen ehemaligen Stallmeister der Familie Dudley.

Während Oxford noch minderjährig war, wurde er zum königlichen Mündel und kam in den Haushalt von Sir William Cecil, dem späteren Lord Burghley, der damals bereits Lord High Treasurer und Mitglied des Privy Council Königin Elisabeths und deren engster Berater war. In Anbetracht von Oxfords Verbindungen zum Theater ist es interessant, dass Lord Burghley von vielen Historikern als Vorbild für die Figur des Polonius in Hamlet betrachtet wird. Unter Burghleys Führung wurde Oxford in Französisch, Latein, Schreiben und Zeichnen, Kosmographie, Musik und Tanzen, Reitkunst, Fechten, in der Falknerei und Jagd unterrichtet.

Unter seinen bekannten Lehrern befanden sich der Altphilologe und Diplomat Sir Thomas Smith sowie Laurence Nowell, einer der „Gründerväter“ angelsächsischer Studien. Nowell wurde 1563 als Lehrer Oxfords angestellt, im gleichen Jahr, als Nowell seinen Namen unter die einzige bekannte Kopie des Manuskripts von Beowulf setzte (auch bekannt als „Nowell Codex“).

Am Hof Königin Elisabeths

Oxford kam in den späten 1560er-Jahren an den königlichen Hof. Zeitgenossen berichten darüber, dass er schon bald alle anderen Höflinge in der Gunst der Königin übertrumpfte und bei diversen höfischen Turnieren als Sieger hervorging. 1564 erhielt er den Bachelor der Universität Cambridge, 1566 den Master der Universität Oxford, ab etwa 1567 absolvierte er eine juristische Ausbildung am Gray's Inn. Die Rechtmäßigkeit der akademischen Grade ist jedoch umstritten: Edward de Vere habe die Universitätsabschlüsse, so der Oxford-Biograph Alan Nelson, „unverdient“ erhalten.

Am 23. Juli 1567 tötete der siebzehnjährige Oxford einen unbewaffneten Koch namens Thomas Brincknell, während er mit Edward Baynam, einem Schneider, im Hinterhof von Cecils Haus in der Nähe der Strand fechten übte. Im darauffolgenden Strafprozess berief man sich darauf, dass das Opfer in die Spitze von Oxfords Schwert gerannt sei und somit Selbstmord begangen habe.

In Absprache mit Lord Burghley heiratete Oxford am 19. Dezember 1571 dessen fünfzehnjährige Tochter Anne Cecil; eine überraschende Wahl, da Oxford aus einer der ältesten Adelsfamilien Englands stammte, wogegen Anne von bürgerlicher Geburt war – ihr Vater war erst im selben Jahr von Königin Elisabeth in den Adelsstand erhoben worden, um diese Heirat überhaupt erst zu ermöglichen. Im Alter von 21 Jahren erhielt Oxford die Rechte an einigen geerbten Ländereien zurück. Aus seiner Ehe gingen fünf Kinder hervor, von denen drei Töchter ihre Kindheit überlebten. 1575 bereiste er Frankreich, Deutschland und Italien, und man sagte ihm während dieser Zeit nach, er habe, wie viele Angehörige des Adels, Sympathien für den Katholizismus.

Bei seiner Rückkehr über den Ärmelkanal wurde Oxfords Schiff von Piraten gekapert, die ihn seiner Kleider beraubten und ihn augenscheinlich töten wollten – bis sie darüber aufgeklärt wurden, wer er sei. Er wurde daraufhin freigelassen, wenn auch ohne seine Habseligkeiten. Weitere Streitereien folgten, nachdem er gewahr wurde, dass seine Ehefrau während seiner langen Abwesenheit eine Tochter zur Welt gebracht und offensichtlich Ehebruch begangen hatte.

1580 bezichtigte Oxford einige seiner katholischen Freunde des Hochverrats und denunzierte sie bei der Königin, wobei er gleichzeitig um Milde für sich selber bat und den eigenen Katholizismus leugnete. Dieselben Freunde wiederum beschuldigten Oxford einer langen Liste von Verbrechen, unter anderem geplante Mordanschläge auf eine Reihe von Höflingen wie Sir Philip Sidney und den Earl of Leicester. Die Anschuldigungen wurden zwar niemals ernst genommen, dennoch konnte sich Oxford die Gunst der Königin nicht wieder vollständig zurückerwerben, sein Ruf war fortan befleckt.

Mit Anne Vavasour zeugte er 1581 ein uneheliches Kind, Sir Edward Vere, und wurde kurzzeitig im Tower von London gefangengehalten. Die verbotenen Zusammenkünfte mit Anne Vavasour führten zu einem langandauernden Zerwürfnis mit ihrem Onkel, Sir Thomas Knyvett, an dessen Ende drei Tote und mehrere Verletzte zu beklagen waren. Oxford selbst wurde bei einem Duell schwer verletzt, was möglicherweise zu der „Lahmheit“ führte, die er später in einigen seiner Briefe erwähnte. Die Fehde wurde erst beendet, als die Königin allen Beteiligten mit Gefängnis drohen ließ. Weihnachten 1581 hatte sich Oxford mit Anne Cecil ausgesöhnt und lebte wieder mit ihr zusammen.

Die späteren Jahre

1585 erhielt Lord Oxford ein militärisches Kommando in den Niederlanden und diente 1588 in der Schlacht gegen die Spanische Armada. Anne Cecil, seine erste Frau, starb im selben Jahr im Alter von 32. 1591 heiratete Oxford Elizabeth Trentham, eine der „Maids of Honour“ der Königin. Aus dieser Heirat ging sein Erbe, Henry, Lord Vere, der spätere 18. Earl of Oxford, hervor. Die drei Töchter des Grafen heirateten Adlige: Elizabeth den Earl of Derby; Bridget den Earl of Berkshire; Susan den Earl of Montgomery, einer der „Incomparable Paire of Brethren“, dem William Shakespeares First Folio gewidmet wurde.

Finanzielle Unzulänglichkeiten brachten Oxford an den Rand der Armut. 1586 wurde ihm von der Königin eine jährliche Pension von 1000 Pfund zugesagt, eine Summe, die auch von ihrem Nachfolger, König Jakob I., fortgezahlt wurde.

Oxford war ein Förderer einiger namhafter Schriftsteller, unter ihnen Edmund Spenser, Arthur Golding, Robert Greene, Thomas Churchyard, Thomas Watson, John Lyly und Anthony Munday, wobei die beiden Letzteren viele Jahre als Sekretäre in seinen Diensten gestanden hatten.

Oxford in der Shakespeare-Urheberschaftsdebatte

John de Vere, 16. Earl of Oxford, später irrtümlich „Ewd de Vere“ überschrieben[2]

Innerhalb der sogenannten Urheberschaftsdebatte, die außerhalb der eigentlichen Shakespeare-Forschung geführt wird und in der behauptet wird, dass die unter dem Namen William Shakespeares erschienenen und weitere ihm mit hoher Wahrscheinlichkeit zugeschriebene Werke nicht von Shakespeare selbst stammen, sondern von einer anderen Person, ist Oxford seit einer Veröffentlichung von J. Thomas Looney im Jahr 1920 der am häufigsten genannte Kandidat als eigentlicher „Verfasser“. Eindeutige dokumentarische Belege, die de Vere mit den Werken Shakespeares in Verbindung bringen, gibt es für die Theorie nicht. Als Argumente werden eine Reihe von Ähnlichkeiten angeführt, die zwischen Ereignissen in Shakespeares Stücken und dem Lebenslauf Lord Oxfords aus den Werken herausgelesen werden. Die Shakespeare-Forscher bestehen jedoch darauf, dass diese angeblichen Verbindungen reine Mutmaßungen sind und auf einer anachronistischen Auffassung von Dichtung als Medium autobiographischer Aussagen beruhen und dass die Anerkennung Oxfords dichterischer und dramaturgischer Fähigkeiten durch seine Zeitgenossen bescheiden gewesen sei. Ein Haupteinwand ist außerdem, dass Oxford bereits 1604 starb, in der Shakespeare-Forschung aber als gesichert gilt, dass elf Stücke Shakespeares jünger sind.

Literatur

Werke:

  • Steven W. May: The Poems of Edward de Vere, Seventeenth Earl of Oxford and of Robert Devereux, Second Earl of Essex. In: Studies in Philology 77 (1980), S. 1-132.
  • Edward de Veres Lyrik. Laugwitz, Buchholz 2005, ISBN 3-933077-13-3, Übersetzung von Kurt Kreiler.

Wissenschaftliche Biographien

  • Capt. Bernard M. Ward: The Seventeenth Earl of Oxford. John Murray, London 1928 (erste aus den Quellen erarbeitete Biographie).
  • Alan H. Nelson: Monstrous Adversary. The Life of Edward de Vere, 17th Earl of Oxford. Liverpool University Press, Liverpool 2003, ISBN 0-85323-678-X (gilt als die maßgebliche Darstellung).

Weblinks

 Commons: Edward de Vere, 17. Earl of Oxford – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Alan H. Nelson: Monstrous Adversary. The Life of Edward de Vere, 17th Earl of Oxford. S. 424
  2. Kurt Kreiler: Der Mann, der Shakespeare erfand: Edward de Vere, Earl of Oxford (1550-1604). Insel Verlag, Frankfurt 2009

Siehe auch

William-Shakespeare-Urheberschaft


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