Effizienzlöhne

Effizienzlöhne

Unter einem Effizienzlohn versteht man in der Volkswirtschaftslehre einen Lohn, der oberhalb des Gleichgewichtsniveaus liegt und den ein Arbeitgeber freiwillig bezahlt, um die Arbeitsproduktivität zu erhöhen oder die Fluktuationskosten zu senken.

Differenziert nach neoklassischen, soziologischen und psychologischen Modellen möchte der Artikel die Motivation für das Zahlen von Effizienzlöhnen aufzeigen. In den neoklassischen Bereich fallen der so genannte shirking-Ansatz, das Fluktuationskostenargument sowie die Theorie der adversen Selektion. Bei den sozialen Effizienzlohntheorien wird den sozialen Normen und der Interaktion zwischen Personen ein entscheidender Einfluss auf das menschliche Verhalten beigemessen. Inwiefern dieser Einfluss bei Gestaltung von Effizienzlöhnen berücksichtigt werden muss, wird in dem fair-wage/effort-Modell und dem Gift-Exchange-Ansatz beschrieben. Die Equity-Theorie beleuchtet das Thema Effizienzlohn aus psychologischer Sicht. Das Ende des Artikels markiert einen Blick auf die empirischen Befunde zu den beschriebenen Theorien.

Inhaltsverzeichnis

Neoklassik

No-Shirking

Dem ersten No-Shirking Modell, entwickelt von Shapiro und Stiglitz, liegt die Annahme zu Grunde, dass Arbeitnehmer tendenziell drückebergerisch eingestellt sind. Um eine hohe Produktivität seitens der Arbeitnehmer zu erhalten, bedarf es einer entsprechend großen Strafe, falls drückebergerisches Verhalten festgestellt wird. Dies wird im Höchstfall die fristlose Kündigung sein. Zwei weitere Aspekte spielen hier eine gewichtige Rolle. So ist erstens eine Beobachtung der Belegschaft nicht ohne weitere Kosten gewährleistet (Monitoring). Des Weiteren ist eine Kündigung nur wirklich dann eine Strafe, wenn sie mit einem hohen Einkommensverlust einhergeht. Kann der Arbeitnehmer also auf einem gleichgewichteten Arbeitsmarkt schnell eine weitere Stelle bekommen, welche gleich gut bezahlt wird, so sollte er sich nicht von der Kündigung an sich schrecken lassen. Hierin liegt der Anreiz der Arbeitgeber, einen höheren Lohn als den Marktlohn zu zahlen, um somit effizienteres Arbeiten seitens der Arbeitnehmer bzw. die Abwehr von „shirking“ zu erreichen. In dem sehr einfachen Modell haben alle Unternehmungen das Ziel, ihre Mitarbeiter vom drückebergerischen Verhalten fernzuhalten, somit werden alle Firmen ihre Löhne anheben und sie werden sich dann oberhalb des markträumenden Niveaus treffen. Durch diese höheren Ausgaben werden die Firmen gezwungen Personal abzubauen, was zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit führt. Ging man am Anfang davon aus, dass der Einkommensverlust den Arbeitnehmer abschrecken wird, kommt nun auch ergänzend hinzu, dass der (entlassene) Arbeitnehmer sich in der Arbeitslosigkeit wieder findet.

Fluktuationskostenargument

Ein weiterer Erklärungsansatz im Effizienzlohnbereich beschäftigt sich vor allem mit der Bedeutung der Kosten nach Kündigung und Neueinstellung. Zugrunde liegt die Annahme, dass Mitarbeiter kündigen, um sich auf dem Arbeitsmarkt nach lukrativeren Angeboten umzusehen. Die Fluktuationskosten entstehen direkt und indirekt. Auf direkte Weise durch Bewerbungsgespräche oder Kosten durch Traineeprogramme, indirekt werden Kosten beispielsweise durch eine geringere Produktivität im Lernprozess anfallen. Diese Ausgaben sind für die Firmen unabwendbar, da jeder Neueingestellte, ersetzt er den scheidenden Mitarbeiter auch noch so schnell, eine geringere Effizienz aufweist und er dem Unternehmen somit wiederum mehr kostet als ein erfahrener Mitarbeiter.

Adverse Selektion

Der Theorie der adversen Selektion liegt die Annahme zu Grunde, dass Arbeiter sich selbst am besten kennen und somit sich ihres Wertes bewusst sind und einen höheren Lohn für ihre qualifiziertere Arbeit fordern. Die Unternehmungen können die Produktivität von Arbeitnehmern nicht einschätzen, es herrscht Informationsasymmetrie. Das Wissen um das eigene Fähigkeitsniveau der Arbeitnehmer wird sich in diesem Modell zu Nutze gemacht. Firmen bieten auch hier Arbeitsentgelte an, die über dem markträumenden Lohn liegen. Zeigt sich bei dem Einstellungsgespräch ein Kandidat bereit, auch für weniger Geld für das Unternehmen tätig zu werden, so wird dieser abgelehnt.

Soziologische Theorien

Der Gift-Exchange-Ansatz

Bei dem Gift-Exchange-Ansatz handelt es sich wie bei dem fair-wage/effort-Modell um eine soziologische Effizienzlohntheorie. Kern dieser Theorie ist, dass das Arbeitsverhältnis als Austausch von Geschenken betrachtet wird. Der Arbeitgeber „schenkt“ dem Arbeitnehmer einen Stundenlohn, der höher ist als der marktübliche. Als Gegenleistung strengt der Arbeitnehmer sich mehr an, als er es bei dem normalen Lohnsatz tun würde, und „schenkt“ dem Arbeitgeber somit eine höhere Arbeitsleistung.

Das fair-wage/effort-Modell

In diesem Modell wird davon ausgegangen, dass die Leistung eines Arbeitnehmers davon abhängt, ob er seinen Lohn als gerecht empfindet. Als Kriterien für eine faire Entlohnung gelten: der gleiche Lohn für die gleiche Leistung, die wahrgenommene Arbeitsleistung muss dem wahrgenommen Lohn entsprechen und die Kosten der Beschäftigung (Ausbildungskosten und Opportunitätskosten) müssen erstattet werden. Weiterhin ist wichtig, dass ein Arbeitnehmer sich mit Kollegen vergleicht, um zu ermitteln, ob der Lohn fair ist. Wichtig ist, dass eine Unterbezahlung zwar dazu führt, dass die Arbeitsanstrengung verringert wird, eine Überbezahlung aber nicht zu einer weiteren Leistungssteigerung des Arbeitnehmers führt.

Psychologischer Ansatz

Equity-Theorie

Neben den soziologischen Erklärungsansätzen lässt sich durch die Equity-Theorie ein ähnlicher Zusammenhang zwischen Lohn und Leistung aus psychologischer Perspektive erklären. Diese Theorie geht auf Leon Festinger zurück und nimmt insbesondere Bezug auf die Theorie der kognitiven Dissonanz. Kognitive Dissonanz entsteht, wenn das Austauschverhältnis von Arbeitsanstrengung und Lohn von zwei Personen als unterschiedlich wahrgenommen wird. Auch hier wird das Bedürfnis geweckt, auf das ungerechte Austauschverhältnis derart einzuwirken, dass Gerechtigkeit erreicht wird. Die Ungerechtigkeit hat aber nicht nur auf unterbezahlte Personen Auswirkungen, sondern auch auf überbezahlte, wie sich in einem Experiment von Pritchard/Dunnette/Jorgenson zeigte.

Literatur

  • Akerlof, George A.: Labor Contracts as Partial Gift Exchange, in: Quarterly Journal of Economics, Vol. 97, S. 543 - 569
  • Akerlof, George A. / Yellen Janet L.: The Fair Wage/Effort Hypothesis and Unemployment,Verlag: Mimeo, Berkeley, 1987
  • Kubon-Gilke, Gisela: Motivation und Beschäftigung, Verlag: Campus Verlag, Frankfurt am Main/New York, 1990
  • Salop, S. C. 1979, A Model of the Natural Rate of Unemployment. In: American Economic Review, 69, S. 117–125
  • Schwimmer, Florian: Firmengröße und Entlohnung: eine Neuinterpretation auf Basis arbeitsteiliger Prozesse. München, Univ., Diss., 2007.
  • Shapiro, C. und J. E. Stiglitz (1984): Equilibrium Unemployment as a Worker Disciplin Device, American Economic Review, Band 74, S. 433-444.
  • Solow, R. M. 1979, Another Possible Source of Wage Stickiness. In: Journal of Macroeconomics, 1, S. 79–82.

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