Ehemalige Synagoge St. Pölten

Ehemalige Synagoge St. Pölten
Außenansicht der ehemaligen St. Pöltner Synagoge

Die St. Pöltner Synagoge war bis zur „Reichskristallnacht“ die Hauptsynagoge der Israelitischen Kultusgemeinde St. Pölten. Die in den Jahren 1912 bis 1913 vom Architekten Theodor Schreiner im Jugendstil errichtete Synagoge befindet sich in der Dr. Karl Renner Promenade in St. Pölten und ist heute Sitz des Instituts für jüdische Geschichte Österreichs.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte [1]

Die ersten Gebetsräume der 1863 gegründeten Israelitischen Kultusgemeinde St.Pölten befanden sich in den Räumen der ehemaligen Kattunmanufaktur, der späteren Gasserfabrik am Schulring. Ein Gebäude dieser Fabrik wurde zwischen 1885 und 1890 als Synagoge adaptiert.

Die alte Synagoge, die zugunsten der neuen abgerissen wurde

Diese Adaptierung war mit erheblichem Aufwand verbunden, weswegen sich die Mitglieder der Kultusgemeinde sich bereits seit 1888 um einen Neubau bemühten. Bis 1903 wurde dies aber von der Stadtgemeinde abgelehnt. Zu diesem Zeitpunkt war eine Neugestaltung der Promenade geplant, die nur durch Abriss der in den geplanten Straßenverlauf stehenden Synagoge möglich war.

Nach langwierigen Vorbereitungen wurde im April 1907 ein Vorbereitungskomitee gewählt, dass neben Bauplatz und Plänen auch die benötigten Finanzmittel beschaffen sollte.

1911 wurde ein Baukomitee gewählt und mit der Gemeinde ein Grundstückstausch vereinbart. An dem Architektenwettbewerb, der im gleichem Jahr ausgeschrieben wurde, nahmen unter anderen Jacob Modern, Jacob Gartner, Ignaz Reiser und Theodor Schreier teil. Letzterer wurde gemeinsam mit seinem Kompagnon Viktor Postelberg vom Komitee beauftragt ein weiteres Projekt einzureichen, welches dann verwirklicht wurde.

Innenraum der Synagoge mit Teil der Kuppeldecke, in der Mitte der ehemalige Schrein

Die nötigen Gelder wurden durch Sammlungen und Spendenaufrufen im ganzen Land aufgetrieben, sodass im Juni 1912 mit dem Bau begonnen werden konnte.

Die Vergoldungsarbeiten im Innenraum wurden von Ferdinand Andri durchgeführt.

Nach etwas mehr als einem Jahr Bauzeit und 141.390 Kronen Gesamtinvestition konnte im August 1913 die Synagoge feierlich eingeweiht werden.

Zerstörung

In der Nacht vom 9. auf den 10. September 1938 drangen mehrere SS- und SA-Angehörige in die Räume der Synagoge ein, zerschlugen Fensterscheiben und legten Feuer. Der an diesem Abend angerichtete Schaden hielt sich in Grenzen, da das Feuer relativ schnell gelöscht werden konnte. Am darauffolgenden Vormittag versammelten sich 300 bis 400 Personen, teils in Zivil, vor dem Gebäude. Sie zogen unter dem Absingen politischer Lieder in die geweihten Räume und zerstörten diese komplett. Die Fenster wurden eingeschlagen, Torarollen, Toraschrein, Bänke und Bilder verbrannt. Sogar Wasserleitungsrohre und Türpfosten wurden aus den Wänden gerissen. Die Bücher der umfangreichen Bibliothek wurden großteils auf die Straße geworfen und verbrannt. Einige Personen erklommen die Kuppel und rissen den Davidstern vom Dach.

Nahezu das gesamte beweglich Vermögen der Kultusgemeinde wurde zerstört oder geraubt. Einige wenige Bücher wurden in das Stadtarchiv gebracht, im Stadtmuseum befinden sich noch eine Spendendose sowie ein Gemälde von Kaiser Franz Josef, das im Eingangsbereich hing. Ein einzelnes Gebetsbuch befindet sich seit 1998 wieder im Besitz der Kultusgemeinde.

In den darauffolgenden Jahren wurden die Nebenräume des Gebäudes von der SA als Büro genutzt, der Innenraum wurde unter anderem als Möbellager verwendet. 1942 ging die Synagoge in den Besitz der Stadt St.Pölten über, die es als Auffanglager für russische Zwangsarbeiter benutzte. Bei den letzten Kämpfen und Bombenangriffen 1945 wurde das Gebäude weiter beschädigt.

nach 1945

Die Rote Armee verwendete die ehemalige Synagoge als Getreidespeicher, bis diese 1947 an die Stadt zurückgegeben wurde. Der Restitutionsantrag wurde 1952 von der Stadtverwaltung anerkannt, die die Synagoge daraufhin an die IKG Wien zurückgaben.

In den folgenden Jahren verfiel das ehemalige Gotteshaus weiter. Das Kuppeldach zeigte schwere Schäden, einzelne Bauteile drohten komplett einzustürzen und durch die verschalten Fenster drang Regen und Schnee in das von Tauben bevölkerte Haus ein.

Im Jahr 1975 bot die IKG Wien der Stadt St.Pölten die Synagoge zum Kauf an, die das Angebot aufgrund fehlender Verwendungsmöglichkeiten nicht annahm. Daraufhin wollte die Israelitische Kultusgemeinde Wien den Abbruch veranlassen, was jedoch vom Bundesdenkmalamt durch das unter Denkmalschutz stellen verhindert wurde. Daraufhin wurden von 1980 bis 1984 die aufwendigen Renovierungsarbeiten durchgeführt. So wurden zum Beispiel die Originalschablonen für die Wandmalerei gefunden, die nahezu in voller Pracht wiederhergestellt werden konnten.

Seit 1988 befindet sich in den Räumen der ehemaligen Synagoge das Institut für jüdische Geschichte Österreichs, weiters werden regelmäßig Veranstaltungen durchgeführt. Die ursprüngliche Funktion konnte die Synagoge nie wieder erfüllen, da zu wenige Juden nach dem Holocaust nach St.Pölten zurückkehrten.

Die St. Pöltner Rabbiner [2]

  • Moritz Tintner
    • 1863-1869
  • Adolf Kurrein
    • 1873-1876
  • Samuel Marcus
    • 1876-1878
  • Adolf Hahn
    • 1878-1882
  • Jakob Reiss
    • 1882-1889
  • Bernhard Zimmels
    • 1889-1891
  • Leopold Weinsberg
    • 1891-1897
  • Adolf Schächter
    • 1897-1934
  • Arnold Frankfurter
    • 1934-1936
  • Manfred Papo
    • 1936-1938

Bilder

Weblinks

Institut für jüdische Geschichte Österreichs

Referenzen

  1. Geschichte wieder herstellen?, herausgegeben vom Institut für Geschichte der Juden in Österreich, 2000
  2. Onlineausgabe David

48.202515.6288888888897Koordinaten: 48° 12′ 9″ N, 15° 37′ 44″ O


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