Eigenkapitalkosten

Eigenkapitalkosten

Kapitalkosten ist ein Begriff der Betriebswirtschaftslehre und beschreibt Kosten, die einem Unternehmen dadurch entstehen, dass es sich für Investitionen Fremdkapital oder Eigenkapital beschafft. In der Praxis bewerten Unternehmen ihre Geschäftstätigkeiten oft danach, ob der erwirtschaftete Ertrag ausreicht, um die dafür erforderlichen Kapitalkosten zu decken (hierzu siehe auch Geschäftswertbeitrag).

Inhaltsverzeichnis

Fremdkapitalkosten

Fremdkapitalkosten sind die Kosten, die das Unternehmen an ein Kreditinstitut oder einen sonstigen Fremdkapitalgeber bezahlen muss, vor allem also Zinskosten für Kredite oder Anleihen, laufende Kosten, die aus Bürgschaften für Fremdmittel entstehen oder aus Rentenschulden. Als Fremdkapitalkosten gelten auch die Erbbauzinsen oder Verwaltungskostenbeiträge. Diese Kosten sind in der Regel vertraglich geregelt und bekannt. Ihre Höhe und andere Konditionen (Laufzeit, Tilgung etc.) werden zwischen Kapitalanbieter und Kapitalnutzer auf dem Kapitalmarkt verhandelt.

Eigenkapitalkosten

Bei den Eigenkapitalkosten handelt es sich nicht um tatsächliche Kosten, sondern um die erwartete Verteilung von Unternehmensgewinn an die Eigenkapitalgeber, also etwa die Aktionäre einer Aktiengesellschaft. Sie erwarten einen Anteil vom Ertrag des Unternehmens, der üblicherweise als Kapitalrendite oder -zins bezeichnet wird. Das Eigenkapital wird aus dem Jahresüberschuss des Unternehmens nach Steuern bedient. Da die Höhe der Gewinnverteilung schwankt, beanspruchen die Anleger von Eigenkapital häufig einen Risikoaufschlag gegenüber dem möglichen Zins, einer von ihnen nicht getätigten Investition in festverzinsliche Anlagen (vgl. Opportunitätskosten). Zudem können Eigenkapitalkosten im Gegensatz zu Fremdkapitalkosten nicht steuerlich berücksichtigt werden. Diese Punkte führen dazu, dass Eigenkapitalkosten meist höher angesetzt werden als Fremdkapitalkosten.

Da der auf das Eigenkapital zu verteilende Gewinn nicht im Voraus feststeht, verwenden viele Unternehmen einen kalkulatorischen Zinssatz. Darüber hinaus ist die Ermittlung der Eigenkapitalkosten mithilfe des Capital Asset Pricing Model möglich, das alternative Investitionsmöglichkeiten der Eigenkapitalgeber sowie einen unternehmensspezifischen Risikofaktor berücksichtigt.

Kapitalkosten als Steuerungsinstrument

Wenn ein Unternehmen seinen Fremdkapitalgebern keine angemessene Verzinsung bieten kann, ist es nicht überlebensfähig. Daher muss jedes Unternehmen in seiner Geschäftstätigkeit mindestens die Kapitalkosten erwirtschaften. Kann es die erwünschte Eigenkapitalverzinsung nicht erbringen, gilt es auf dem Kapitalmarkt nicht als konkurrenzfähig. Für Anleger bilden die Kapitalkosten damit die festgesetzte Mindestrendite für Investitionen.

Mögliche Fehlsteuerungen und -interpretationen im Faktor Eigenkapitalkosten

Die buchhalterischen Begriffe verlieren an analytischer Trennschärfe, da "Gewinn" als "Kosten" definiert wird.

Die an Opportunitäten auf dem Kapitalmarkt ausgerichtete Steuerung der Investitionen erschwert die Entwicklung neuer Produkte, da ihre Rentabilitätsschwelle über die Kostendeckung gehoben wird.

Darüber hinaus erlangen die Anlegerinteressen dadurch im betrieblichen Kräftedreieck Unternehmer-Arbeitnehmer-Anleger ein überproportionales Gewicht. Der Umstand, dass der Unternehmer üblicherweise auch Anteilseigner ist und damit aus dieser Umgewichtung Nutzen zieht, erklärt hinreichend, warum diese Sichtweise in der orthodoxen Betriebswirtschaftslehre verbreitet ist.

Kapitalkosten in der Rechnungslegung

In der externen Rechnungslegung, etwa nach IFRS/IAS, sind Kapitalkosten aktivierungspflichtig, wenn es sich um einen sogenannten "qualifizierten Vermögensgegenstand" handelt. So können etwa die Bereitstellungszinsen mit dem Anlagengut aktiviert werden, wenn die Erstellung der Anlage einen längeren Zeitraum in Anspruch nimmt.

Gesamte Kapitalkosten

Zur Berechnung der gesamten Kapitalkosten wird häufig der WACC-Ansatz verwendet (Weighted Average Cost of Capital, Gewichtete Kapitalkosten). Er ergibt sich aus der Summe der – nach ihrem jeweiligen Anteil am Gesamtkapital gewichteten – Eigen- und Fremdkapitalkosten.

WACC= {E \over G} \cdot k_E + {F \over G} \cdot k_F \cdot (1-T)

mit:

E: Eigenkapital

G: Gesamtkapital (Eigen- und Fremdkapital)

kE: Eigenkapitalkostensatz

F: Fremdkapital

kF: Fremdkapitalkostensatz

T: Steuersatz (tax shield)

Probleme bei der Berechnung

Im Umgang mit Kapitalkostensätzen treten immer wieder einige Probleme oder Missverständnisse auf:

  1. Der Kapitalkostensatz eines Unternehmens ist zeitabhängig und durch unternehmerische Maßnahmen (z.B. des Risikomanagements) zu beeinflussen, was in vielen wertorientierten Steuerungssystemen jedoch nicht erfasst wird. Er ändert sich bei Änderung von
    • Finanzierungsstruktur,
    • Risikoumfang sowie
    • Veränderungen des risikolosen Zinssatzes und der Marktrisikoprämie.
  2. Als Vergleichsmaßstab für die erwartete Rendite ist ein spezifischer Kapitalkostensatz heranzuziehen, der auf Grundlage der jeweiligen bewertungsrelevanten (zusätzlichen) Risiken abzuleiten ist. Die Verwendung einheitlicher Kapitalkostensätze zur Beurteilung aller unternehmerischen Aktivitäten, Investitionen oder Geschäftsbereiche führt zu schwerwiegenden Fehlentscheidungen.
  3. Die Fremdkapitalkosten sind niedriger als die vertraglichen Fremdkapitalzinssätze, da erstere die erwartete Rendite von Fremdkapitalgebern (r^e_{FK}) beschreiben und damit eine mögliche Insolvenz eines Unternehmens (die im Rating ausgedrückt wird) erfassen. Da im Falle einer Insolvenz die Fremdkapitalgeber nicht mehr den (vollständigen) Einsatz zurück erhalten sondern nur die Recovery Rate (RR), ergibt sich als erwartete Fremdkapitalrendite (Fremdkapitalkosten) bei einem vertraglich vereinbarten Fremdkapitalzinssatz (k^0_{FK}) und einer Ausfallwahrscheinlichkeit (p) der folgende Fremdkapitalkostensatz (kFK):
    r^e_{FK}=k_{FK}=(1-p)*(1+k^0_{FK})+p*RR-1
  4. Im Kapitalkostensatz sollten sich die tatsächlichen Risiken entsprechend der zugrundeliegenden Planung widerspiegeln. Dies ist nicht gewährleistet, wenn man den Kapitalkostensatz aus Kapitalmarktinformationen (speziell den β im CAPM) ableitet, weil so der Informationsvorsprungs des Unternehmens selbst bezüglich seiner Planungen nicht genutzt wird.
  5. Die bewertungsrelevanten zukünftig erwarteten Renditen des Marktportfolios r^e_{m} sind niedriger als die historisch durchschnittlichen Aktienrenditen. Ursächlich für dieses so genannte „Equity Premium Puzzle“ [1] ist ein Anstieg des Bewertungsniveaus von Aktien innerhalb der letzten 50 Jahre, vor allem infolge der sinkenden Inflationsraten und Zinsniveaus. Die zukünftigen langfristigen Aktienrenditen kann man aus fundamentalen Daten der Volkswirtschaft abschätzen als Summe der Dividendenrendite eines Aktienportfolios (ca. 3 %), der langfristig erwarteten Inflationsrate (ca. 2,5 %) und der langfristigen realen Wirtschaftswachstumsrate (ca. 2,5 %), die die langfristige Gewinnentwicklung bestimmen. Die sich somit errechnenden ca. 8 % erwartete Eigenkapitalrendite liegen erheblich niedriger als die in vielen Unternehmen verwendeten Investitionskostensätze. Empirische Untersuchungen über die letzten 200 Jahre zeigen auch nur reale Renditen von Aktienanlagen in einer Größenordnung von ca. 6 %, auch weil die Dividendenwachstumsrate hinter der des Volkseinkommens zurück bleibt.[2]. Die Überschätzung der Kapitalkosten hat die Konsequenz, dass viele wertsteigernde Investitionen fälschlicherweise unterlassen werden.

Bei der in der Praxis noch üblichen Ableitung von Kapitalkosten (basierend auf CAPM) ist also Vorsicht angebracht. Diese Modelle unterstellen, dass der Kapitalmarkt über die gleichen Informationen verfügt wie die Unternehmensführung, dass keine Konkurskosten existieren und dass alle Investoren perfekt diversifizierte Portfolios aufweisen, in denen unternehmensspezifische Risiken damit keine Rolle spielen (und deshalb im β nicht erfasst werden). Entsprechend zeigen Kapitalkostensätze auf Grundlage des CAPM (bestenfalls) die Meinung des Kapitalmarkts hinsichtlich der Risiken eines Unternehmens – nicht aber die tatsächliche Risikosituation. Aufgrund dieser Schwächen wundert es nicht, dass in empirischen Untersuchungen schon seit rund 15 Jahren das CAPM fast durchgängig widerlegt wird.[3].

Lösungsansätze

Inzwischen gibt es neue Methoden zur Schätzung von Kapitalkosten:

  1. Ergänzend zum Beta-Faktor (βi) werden weitere systematische Risikofaktoren berücksichtigt. Im Drei-Faktoren-Modell von Fama/French (1992), einer Variante der APT, sind dies Buchwert-Kurs-Verhältnis und die Unternehmensgröße.
  2. Anstelle der statistischen Analyse historischer Renditen wird eine zukunftsorientierte Kapitalkostenschätzung vorgenommen. Diese werden berechnet als derjenige interne Zinssatz, bei dem sich aus den von Finanzanalysten prognostizierten zukünftigen Erträgen gerade der Börsenkurs ergibt[4].
  3. Neben der Standardabweichung und dem Beta-Faktor werden auch andere Risikomaße genutzt, die wegen der Verlustaversion der Menschen die möglichen negativen Planabweichungen stärker gewichten (der Value-at-Risk, der CVaR und LPMs)[5].
  4. Mit Hilfe der Methode der Replikation wird ein Weg zur Bestimmung des Werts unsicherer Zahlungsreihen gegangen, der kein Bewertungsmodell und keine Kapitalkostensätze erfordert. Um den Wert der unsicheren Zahlungsreihe \overset{\sim}{Z} zu bestimmen, wird diese nachgebildet aus Zahlungsreihen {\overset{\sim}{Z}}_1 bis {\overset{\sim}{Z}}_n, deren Preis bekannt ist (arbitragefreie Kapitalmärkte).[6]
  5. So genannte „Ad-hoc-Faktormodelle“, die auf ökonometrischen Untersuchungen basieren, berücksichtigen bei der Erklärung erwarteter Renditen beliebige Determinanten, die nicht als Risikofaktoren interpretiert werden. Sie geben damit das Prinzip auf, dass höhere erwartete Renditen nur durch höhere Risiken zu rechtfertigen seien.[7]
  6. Bei Verzicht auf die Annahme vollkommener Kapitalmärkte werden Kapitalkostensätze unmittelbar aus messbaren Risikoinformationen der Zahlungsreihe (gemäß Planung) abgeleitet. Vom Kapitalmarkt ist damit nur die Bestimmung des Marktpreises des Risikos erforderlich, nicht aber die Bestimmung des Risikomaßes (z.B. des Eigenkapitalbedarfs). Derartige Ansätze berücksichtigen damit die Verfügbarkeit überlegener Informationen über die Zahlungsreihe (z.B. bei der Unternehmensführung gegenüber dem Kapitalmarkt) und gegebenenfalls auch die Bewertungsrelevanz nicht diversifizierter unternehmensspezifischer Risiken.[8] (siehe Kapitalkostensatz)

Literatur und Quellenangaben

  1. Siehe R. Mehra und E. C. Prescott: The Equity Premium. A Puzzle. In: Journal of Monetary Economics. Band 15, Nr. 2, 1985, S. 145-161 sowie R. Mehra und E. C. Prescott: The Equity Premium in Retrospect. In: Handbook of the Economics of Finance. Band 1, Teil 2, 2003, S. 889–938 sowie Eugene Fama und Kenneth French: The Equity Premium. In: The Journal of Finance. Band 57, Nr. 2, 2002, S. 637-659.
  2. Siehe W. J. Bernstein und R. D. Arnott: What Risk Premium Is „Normal“?. In: Financial Analysts Journal. Band 58, März/April 2002, S. 64-84.
  3. Eugene Fama und Kenneth French: Common risk factors in the returns on stocks and bonds. In: Journal of Financial Economics. Band 33, Nr. 1, 1992, S. 3-56 und C. Ulschmid: Empirische Validierung von Kapitalmarktmodellen. Frankfurt am Main 1994 sowie P. Zimmermann: Schätzung und Prognose von Betawerten. München 1997.
  4. H. Daske und G. Gebhardt: Zukunftsorientierte Bestimmung von Risikoprämien und Eigenkapitalkosten für die Unternehmensbewertung. In: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung. Jahrgang 58, Juni 2006, S. 530-551.
  5. P. Albrecht und R. Maurer: Investment- und Risikomanagement. Stuttgart 2005.
  6. K. Spremann: Valuation. Grundlagen moderner Unternehmensbewertung. München 2004.
  7. R. A. Haugen: The inefficient Stock Market. What pays off and why. New Jersey 2002.
  8. W. Gleißner: Kapitalkosten. Der Schwachpunkt bei der Unternehmensbewertung und im wertorientierten Management. In: Finanz Betrieb. Jahrgang 7, Nr. 4, 2005, S. 217-229 und W. Gleißner: Neue Wege für Unternehmensbewertung und wertorientierte Unternehmensführung in einem unvollkommenen Kapitalmarkt. In: C. Meyer und D. Pfaff (Hrsg): Finanz- und Rechnungswesen Jahrbuch 2006, S. 119-154, Zürich

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