Einpresstechnik

Einpresstechnik
Durch Aussparung in der Mitte erreichte Federwirkung sichert den Kontakt

Als Einpresstechnik bezeichnet man eine spezielle Verbindungstechnik im Bereich der Leiterplatten, um lötfrei elektrische Verbindungen herzustellen. Hierzu muss ein Einpressstift in das metallisierte Loch (Durchkontaktierung) einer Leiterplatte gepresst werden. Das wesentliche Merkmal ist dabei, dass die Diagonale des Stiftquerschnitts größer ist als der Durchmesser des Lochs in der Leiterplatte.

Die beim Einpressen entstehende Überpressung kann entweder durch die Verformung im Loch oder die Verformung des Stiftes aufgenommen werden. Somit gibt es zwei verschiedene Arten der Einpresstechnik:[1]

  • Stifte in massiver Ausführung. Hierbei handelt es sich um einen nicht kompressiblen Einpresskontakt. Hierbei wird die Leiterplatte im Bereich der Bohrung deformiert. Die aufgebaute Kraftwirkung im Bereich der Leiterplatte sorgt in diesem Fall dafür, dass eine elektrische Verbindung zwischen der Hülse der Leiterplatte und dem Einpresskontakt entsteht.
  • Flexible oder elastische Stifte mit unterschiedlichsten Verformzonen. Diese Form der Einpresstechnik wird auch als Nadelöhrtechnik (engl. „needle eye“) bezeichnet.[1] Hierbei wird der Einpresskontakt im Bereich der Einpresszone zusammengedrückt. Diese erzeugte Vorspannung des Einpresskontakts sorgt dafür, dass eine Verbindung zwischen der Hülse der Leiterplatte und dem Einpresskontakt entsteht.[1]

Durch das Einpressen/Einschneiden der Stiftkanten in die Metallisierung entsteht eine gasdichte elektrische Verbindung, die sich bei richtiger Ausführung durch eine hohe Zuverlässigkeit und Langlebigkeit auszeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Materialien und Verarbeitung

Als Stiftmaterial kommen Messing, Bronze und Kupfer-Beryllium in Frage. Diese Stifte können als Oberfläche blank, vernickelt, verzinnt, vergoldet und palladiniert ausgeführt sein.

Für die Leiterplatten sind Nenndicken von 1,5 bis 6,4 mm vorgesehen. Die Löcher in der Leiterplatte sollten entweder unbeschichtetes Kupfer > 0,025 mm oder Kupfer > 0,025 mm plus Zinn oder Zinn-Blei-Legierung > 0,015 mm haben. Besonders wichtig ist die Einhaltung enger Toleranzen beim Lochdurchmesser. Beispielsweise sind für Löcher mit einem Millimeter Durchmesser bei massiven Stiften Toleranzen von +0,04 und −0,06 mm gefordert, bei flexiblen Stiften +0,09 und −0,06 mm.

Folgende Lochdurchmesser/Stiftquerschnitte sind für quadratische oder rechteckförmige massive Einpresskontakte üblich:

  • Endlochdurchmesser der Bohrung 0,65 mm, massiver Einpresskontakt, Stift 0,5 × 0,5 mm²
  • Endlochdurchmesser der Bohrung 1,00 mm, massiver Einpresskontakt, Stift 0,56 × 0,91 mm²
  • Endlochdurchmesser der Bohrung 1,35 mm, massiver Einpresskontakt, Stift 1 × 1 mm²
  • Endlochdurchmesser der Bohrung 1,70 mm, massiver EinpresskontaktStift 0,8 × 1,6 mm²

Bei der Verarbeitung der Einpresskontakte muss besonders darauf geachtet, dass der Einpresskontakt senkrecht und mittig in der Bohrung der Leiterplatte angesetzt wird.[1] Als Einpressvorrichtung können manuell bediente Pressen oder durchluft- oder hydraulisch unterstützte Pressvorrichtungen verwendet werden. Der Einpressvorgang soll technisch überwacht werden. Hierbei hat sich in der Praxis eine Weg-Zeit-Überwachung oder eine Weg-Kraft-Überwachung als zweckmäßig erwiesen. Darüber hinaus soll ein Gegenwerkzeug zur Aufnahme der Baugruppe und ein Werkzeugeinsatz zur Aufnahme des Einpresskontakts genau auf die Leiterplatte und den Einpresskontakt abgestimmt sein.[1] Hierzu muss auf der Baugruppe auf der gegenüberliegenden Seite ausreichend Freiraum vorhanden sein.

Als Qualitätskriterium für eine Einpressverbindung sind außer diversen Langzeit-Prüfungen wie Änderungen des ohmschen Durchgangswiderstand nach Temperaturwechseln, Feuchtelagerungen, Temperaturlagerungen, Lagerungen in Industrieatmosphäre, usw. auch ein Schnelltest durch die Ermittlung der Ausdrückkraft geeignet. Hier ist ein Mindestwert von 20 Newton, aber auch anwendungsabhängig Werte bis zu 60 Newton, pro Stift gängig.

Geschichte

Die Einpresstechnik wurde als Norm erstmals in der DIN 41611-5 „Lötfreie elektrische Verbindungen; Einpressverbindungen; Begriffe, Anforderungen, Prüfungen“[2] im Jahre 1984 beschrieben. Nachfolgedokument ist DIN EN 60352-5 „Lötfreie Verbindungen – Teil 5: Einpressverbindungen – Allgemeine Anforderungen, Prüfverfahren und Anwendungshinweise“[3].

Historisch gesehen wurden die Einpressstifte Anfang der 1970er Jahre erstmals verwendet. Dabei stand zu Anfang die mechanische Sicherung von Bauteile beim Bestücken und Löten im Vordergrund. Die Firma Elfab erhielt 1970 ein Patent zu einem massiven rechteckigen Stift. Später wurden mit Hilfe eingepresster Stifte Leiterplatten gestapelt, und in Multilayer-ähnlicher Bauweise verdichtet. Im Jahre 1974 stellte die Firma Winchester Electronics den ersten elastischen Stift vor.

Inzwischen ist eine große Vielfalt an verschieden Stiftgeometrien von verschiedenen Lieferanten auf dem Markt. Grundmaterial für die Steckverbinder ist ein Vierkantdraht, der auf die gewünschte Länge geschnitten oder thermisch gerissen wird. Solche Vierkantdrähte werden in blanker oder verzinnter Ausführung angewendet.

Heute ist die Einpresstechnik eine in der Elektronikproduktion etablierte und weit verbreitete Technologie.

Vorteile der Einpresstechnik

Gegenüber der Löttechnik sind folgende Vorteile zu nennen:

  • keine thermische Belastung der Leiterplatte und der auf der Baugruppe bestückten Bauelemente bei der Herstellung der Einpressverbindung[1]
  • keine Lötbrücken
  • keine Flussmittelreste, kein Waschen
  • Reparaturfähigkeit
  • Umweltfreundlich, da Recycling möglich
  • Die Einpressverbindungen können einfache hergestellt werden.[1]
  • Im Bereich der Kontaktstelle zwischen dem Einpresskontakt und der Leiterplatte kommt es bei korrekter Ausführung zu einer gasdichten Verbindung.[1]

Die Vorteile der Einpresstechnik nutzen heute viele Anwender bei Steckverbindern. Durch das Einpressen vielpoliger Stecker ist eine zusätzliche Befestigung (Schrauben, Nieten, …) unnötig geworden. Hier sind speziell die Bereiche Back Planes, Back Panels, und Hauptplatinen zu nennen.

Nachteile der Einpresstechnik

Gegenüber den Lötverbindungen besitzen die Einpressverbindungen auch entsprechende Einschränkungen.

  • Enge Abstimmung der Bohrungsdurchmesser bei der Leiterplatte auf den verwendeten Einpresskontakt.
  • Berücksichtigung der engeren Toleranzen bei den Bohrungen in den Leiterplatten.[1]
  • Bei einer Änderung des Leiterplattenherstellers oder der Oberflächenart der Leiterplatte besteht die Möglichkeit, dass eine Nachqualifizierung der Verbindung erforderlich ist.

Der Praxiseinsatz der Einpressverbindung mit großen Stückzahlen hat aber gezeigt, dass es sich bei der Einpresstechnik um eine robuste Technologie handelt, sofern die Randbedingungen der Einpresstechnik bei der Konstruktion und bei der Serienproduktion berücksichtigt werden.

Zuverlässigkeit bei Einpressverbindungen und Fehlerbilder

Die Zuverlässigkeit und Lebensdauer von Einpressverbindungen hängt im Wesentlichen von der Auswahl und Dimensionierung der Verbindung ab.Die nachfolgenden Fehlerbilder beschreiben auftretende Fehler beim Verarbeitungsprozess oder beim späteren Betrieb der Baugruppe. Erfahrungsgemäß lassen sich diese Fehler bei korrekter Dimensionierung der Verbindung und korrekter Verarbeitung weitgehend vermeiden.

Mechanische Bewegung zwischen dem Einpresskontakt und der Leiterplatte
Bei Einpressverbindungen muss sichergestellt werden, dass es zwischen der Leiterplatte und dem Pin des Bauelements keine Bewegung gibt. Tritt Bewegung auf, beispielsweise durch Erschütterungen, besteht das Risiko, dass der Übergangswiderstand zwischen dem Pin und der Leiterplatte zunimmt und es somit zum Ausfall der Verbindung kommt
Strombelastbarkeit der Einpressverbindung
Bei einer Lötverbindung verteilt sich der Stromfluss in der Bohrung auf einen Winkel von 360°. Bei der Einpresstechnik kommt es durch die Einpresszonen lokal zu einer größeren Stromdichte, da die Verbindung zwischen dem Einpresskontakt und der Bohrung nur punktuell erfolgt.
Fehlanpassung zwischen Einpresskontakt und Bohrung
Im Falle einer Fehlanpassung zwischen dem Einpresskontakt und der Bohrung kann es zu einer Schädigung der Verbindung kommen. Ist der Bohrungsdurchmesser zu groß, ist die Anpresskraft des Kontakts an die Bohrung zu gering, es gibt dauerhaft keine gasdichte Verbindung. Wenn der Bohrungsdurchmesser im anderen Fall zu klein ist, kann es zu einer Dehnung der Bohrung und einer Verdrängung des Leiterplattenmaterials kommen. Beide Mechanismen können zum Ausfall der Einpressverbindung führen.
Verbogener Einpresskontakt
Dieser Fehler tritt auf, wenn eine Fehlanpassung zwischen dem Einpresskontakt und dem Bohrungsdurchmesser der Leiterplatte vorliegt. Weiterhin kann der Fehler auftreten, wenn der Einpressvorgang nicht rechtwinkelig zur Leiterplattenoberfläche erfolgt.[1]
Verdrehter Einpresskontakt
Dieser Fall tritt auf, wenn es beim Einpressen zu einer Drehungbewegung kommt.[1]
Abgebrochener Einpresskontakt
Die Ursache ist eine zu hohe Kraftwirkung auf den Kontakt beim Einpressen oder beim Betrieb der Baugruppe oder eine falsche Dimensionierung beim Bohrungsdurchmesser der Leiterplatte.
Abschaben der Hülse
Dieser Fall tritt bei einer Fehlanpassung zwischen dem Durchmesser der Bohrung und dem Einpresskontakt beim Einpressen auf. Weiterhin tritt dieser Fall auf, wenn es zu einer Relativbewegung zwischen dem Einpresskontakt und der Leiterplatte kommt.[1] Weiterhin kann es zum Abschaben von Kupfer oder der Oberflächenmetallisierung der Hülse kommen. Im schlimmsten Fall kann es zu einer elektrischen Verbindung zwischen benachbarten elektrischen Netzen kommen.[1]
Hülsenriss
Dieser Fall tritt auf, wenn der Bohrungsdurchmesser der Leiterplatte zu gering ist (siehe oben).[1]
Abriss der Leiterbahn
Wenn eine starke Fehlanpassung zwischen dem Einpresskontakt und der Leiterplatte vorliegt, kann es beim Einpressen zum Abriss der angebundenen Leiterbahnen kommen.[1] Dieser Fall ist besonders kritisch, wenn der Abriss in den Innenlagen der Leiterplatte auftritt und visuell nicht gefunden werden kann.
Delamination der Leiterplatte
Wenn eine starke Fehlanpassung zwischen dem Einpresskontakt und der Leiterplatte vorliegt, kann es beim Einpressen neben einem Hülsenriss in Längs- und Querrichtung auch zu einer Delamination der Leiterplatte kommen.
Bohrungsdurchmesser in der Leiterplatte zu klein
Wenn die Bohrungsdurchmesser der Leiterplatte zu klein sind, sind beim Einpressen der Kontaktstifte zu hohe Einpresskräfte erforderlich.[1] Diese Kräfte können zu Beschädigungen bei der Leiterplatte und den auf der Baugruppe bestückten Bohrungen führen.[1] Die metallisierten Hülsen der Leiterplatte können in diesem Fall beispielsweise in Längsrichtung aufreißen oder in Querrichtung komplett abreißen. Wenn die Bohrungsdurchmesser deutlich zu klein sind, besteht der Fall, dass der Einpresskontakt überhaupt nicht eingepresst werden kann.[1]
Bohrungsdurchmesser in der Leiterplatte zu groß
Wenn die Bohrungsdurchmesser der Leiterplatte zu groß sind, besteht das Risiko, dass es aufgrund der zu geringen mechanischen Vorspannung zeitweise zu einer Unterbrechung der elektrischen Verbindung kommen kann.[1] Wenn die Bohrungsdurchmesser deutlich zu groß sind, besteht das Risiko, dass überhaupt keine elektrische Verbindung zustande kommt.[1]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t ohne Autor: Harting – Wissenswertes zu Anschlusstechniken bei Steckverbindern – Montagehinweise und Leitfaden für den Anwender in der Elektrotechnik – Technischer Applikationsreport 1. Auflage, Harting Deutschland GmbH&CoKG, 2008, S. VIII-1 f.
  2. Lötfreie elektrische Verbindungen; Einpreßverbindungen; Begriffe, Anforderungen, Prüfungen. Beuth (kostenpflichtiger Abruf, abgerufen am 15. Juni 2009).
  3. Lötfreie Verbindungen – Teil 5: Einpressverbindungen – Allgemeine Anforderungen, Prüfverfahren und Anwendungshinweise (IEC 60352-5:2008); Deutsche Fassung EN 60352-5:2008. Beuth (kostenpflichtiger Abruf, abgerufen am 15. Juni 2009).

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