El Cid

El Cid
Detail der Reiterstatue des kastilischen Ritters El Cid im Balboa Park (San Diego) von Anna Hyatt Huntington

El Cid [θið], eigentlich Rodrigo Díaz de Vivar (* um 1043 in Vivar/Bivar; † 10. Juli 1099 in Valencia) war ein kastilischer Ritter aus der Zeit der Reconquista, der in der Folge zum spanischen Nationalhelden avancierte. Der Name El Cid ist aus dem arabischen as-sayyid / ‏السيّد‎ /‚der Herr‘ bzw. volkssprachlich sīdī / ‏سيدي‎ /‚mein Herr‘ abgeleitet und stammt aus der Zeit, in der er als Söldnerführer in der spanischen Levante operierte.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Herkunft und Aufstieg

Das mutmaßliche Schwert „Colada“ des Rodrigo Díaz de Vivar, genannt „El Cid“

Rodrigo (Kurzform Ruy) wurde um 1043 als Sohn des kastilischen Kleinadligen (Infanzón) Diego Laínez und der Teresa Rodríguez in Bivar[1] (heute: Vivar del Cid[2]) geboren, einem sieben Kilometer von Burgos entfernt im damaligen Grenzgebiet zum Königreich Navarra liegenden Dorf. Sein Vater hatte sich als Soldat im Krieg gegen Navarra Verdienste erworben und dessen Vater Laín Núñez taucht als Zeuge in Urkunden König Ferdinand des Großen von Kastilien und León auf. Der Legende nach geht seine väterliche Linie bis auf Laín Calvo zurück, einen der sagenhaften „Richter“ Kastiliens[3] Auch sein Großvater mütterlicherseits, Rodrigo Álvarez, war Anhänger Ferdinands und verwaltete im Auftrag des Königs mehrere Burgen im Grenzgebiet. Nach dem Tod seines Vaters (um das Jahr 1058) kam Rodrigo als Halbwaise an den Hof König Ferdinands und wurde dort zusammen mit dessen Sohn Sancho erzogen.

Nach dem Tod des Königs 1065 und der Aufteilung des Reiches unter seinen drei Söhnen blieb er im Gefolge Sanchos, der als Sancho II. König von Kastilien wurde und die Herrschaft über die anderen beiden Teilreiche Galicien und León anstrebte. Rodrigo bekleidete das Amt eines königlichen Bannerträgers (Alférez Real oder Armiger Regis) und errang in dieser Funktion erste militärische Erfolge als Truppenführer. Bereits in seiner Zeit am kastilischen Hof erhielt er den Beinamen el Campeador oder campi doctor, ein von lat. campio (Kämpe, Duellkämpfer) hergeleiteter Titel, der auf das siegreiche Bestehen von Zweikämpfen als Kampfesstellvertreter eines Kriegsherrn oder einer Streitpartei verweist. Im Deutschen wird dieser Beiname meist mit „der Kämpfer“ übersetzt, man könnte aber auch „Recke“ oder ganz wörtlich „der Champion“ sagen.

Während der Belagerung von Zamora wurde Sancho 1072 ermordet. Als sein Bruder und Kontrahent Alfons VI. die Königreiche León und Kastilien wiederum vereinigte, soll ihm Rodrigo Díaz als Alférez der Legende nach einen von den kastilischen Ständen (Cortes) angeblich verlangten Reinigungseid abgenommen haben, mit dem Alfons beteuerte, nichts mit dem Tod seines Bruders zu tun zu haben. Die Historizität dieser Eidesleistung wird jedoch heute von der Mehrzahl der Autoren stark angezweifelt oder bestritten.[4] Jedenfalls blieb Rodrigo wie viele andere Gefolgsleute Sanchos im Dienste des neuen Königs, musste das Amt des Bannerträgers jedoch abgeben. Es wurde kurze Zeit darauf von einem zum Grafen von Nájera avancierten kastilischen Ritter namens García Ordóñez bekleidet, der in der Legende eine Rolle als höfischer Widersacher Rodrigos spielt (was vermutlich der Wirklichkeit entspricht). Um 1075 heiratete Rodrigo Díaz die in frühen Quellen als „Verwandte des Königs“ bezeichnete Jimena Díaz, deren tatsächliche Herkunft jedoch ungeklärt ist. Nach traditioneller Auffassung gilt sie als Tochter eines (nicht belegten) Grafen Diego von Oviedo und es gibt auch Anhaltspunkte dafür, dass sie tatsächlich einer adligen asturischen Familie entstammte. Für den Ritter war mit dieser, offenbar vom König arrangierten Heirat jedenfalls ein gesellschaftlicher Aufstieg verbunden, was sich besonders an dem urkundlich belegten großen Landbesitz des Paares zeigt. Auch trat Rodrigo bei mehreren Gelegenheiten als Mitglied von königlichen Schiedsgerichten in Erscheinung, die Streitigkeiten unter Adligen schlichteten.

Verbannung und Eroberungen

Nach eigenmächtigen Eroberungszügen und einer von König Alfons nicht gewünschten Einmischung in einen regionalen Konflikt, der 1079 zwischen den maurischen Kleinkönigreichen Sevilla und Granada im Süden der Halbinsel entstanden war und in dessen Verlauf es Rodrigo Díaz in der Schlacht von Cabra gelang, seinen auf der anderen Seite kämpfenden Konkurrenten García Ordóñez in demütigender Weise gefangen zu nehmen, fiel Rodrigo beim König in Ungnade und wurde aus seiner Heimat Kastilien verbannt. Asyl fand er kurze Zeit später am Hof des maurischen Fürsten al-Mu'tamin von Saragossa. Formal in dessen Diensten stehend, schuf er eine stehende Söldnertruppe, mit der er in benachbarten Territorien unter anderem auch gegen christliche Gegner operierte, wobei sich seine Kämpfer im Wesentlichen aus der erzielten Beute selbst finanzierten. Neben seinen Fähigkeiten als militärischer Führer trug auch diese neuartige Organisationsform mit zu den Erfolgen der „Bande“ bei, deren Führer man sich in dieser Phase als eine Art „Raubritter“ oder „Warlord“ vorstellen darf. Mit seiner stetig wachsenden Schar baute sich der Cid nach und nach eine eigene Machtposition in der Levante auf.

Statue des Cid in Burgos

Nach der schweren Niederlage der Kastilier gegen das von den maurischen Fürsten ins Land gerufene Heer der berberischen Almoraviden unter Yusuf ibn Taschfin in der Schlacht bei Zallaqa kam es ab 1086 zur zeitweiligen Annäherung zwischen dem Cid und Alfons VI.. Etwa ab dieser Zeit übernahm Rodrigo nach und nach die Schutzherrschaft über das formal mit Kastilien verbündete maurische Fürstentum Valencia, das er vor der Eroberung durch die Katalanen unter Graf Berengar Raimund II. bewahrte und ab 1089/90 zum Bollwerk gegen die erneut vordringenden maurisch-almoravidischen Kräfte auszubauen suchte. Nachdem der aus der toledanischen Taifendynastie der Dhun-Nuniden stammende Fürst 1092 im Verlauf einer Stadtrevolte ermordet und die Stadt vorübergehend von almoravidischen Truppen besetzt worden war, nahm der Cid sie am 15. Juni 1094 ein und schlug das Entsatzheer der Almoraviden kurze Zeit später in der Schlacht von Cuarte. Gestützt auf die anti-almoravidische Partei unter den maurischen Stadtbewohnern und die kleinere Gruppe der Mozaraber übernahm er daraufhin die Macht in Valencia und beherrschte das Königreich von nun an bis zu seinem Tod am 10. Juli 1099 als oberster Richter und Herr (Señor). Dabei gelang ihm zunächst noch die erfolgreiche Verteidigung gegen die vorrückenden Almoraviden, die er unter anderem im Januar 1097 unter Mithilfe von König Peter I. von Aragonien in der Schlacht bei Bairén nochmals empfindlich schlug. Schon wenige Jahre nach Rodrigos Tod wurde die Stadt aber endgültig für das almoravidische Reich erobert.

Herrschaft in Valencia

Rodrigos Herrschaft in Valencia wird in den Quellen übereinstimmend als ein strenges Regiment beschrieben. Berichtet wird von Spitzelwirtschaft, Folterungen und grausamen Bestrafungen ihm feindlich gesinnter Bürger. Maurisch-arabische Chronisten und Dichter beklagten den Verlust Valencias einhellig als schreckliche Katastrophe für die Bewohner (wobei ihre Schilderungen sicher auch propagandistische Überzeichnungen enthalten). Natürlich erlebte die Mehrzahl der (mehrheitlich muslimischen) Einwohner diese Zeit als Okkupation. Allen war das Tragen von Waffen verboten; Gegner des Regimes wurden der Stadt verwiesen und mussten sich außerhalb der Mauern in der Vorstadt Alcudia ansiedeln, während wohlhabende Parteigänger des Cid ihre Besitzungen und innerstädtischen Häuser behalten durften. Dabei muss man sich die prekäre Lage des neuen Herrn dieser Stadt vor Augen halten, deren Umland ständig von feindlichen Kräften besetzt oder bedroht war und die sich daher praktisch dauernd in einer Art „Belagerungszustand“ befand. Offenbar bemühte sich der Cid in dieser Situation zumindest zeitweilig auch darum, religiöse Gegensätze zu überbrücken, um die Bevölkerung für sich zu gewinnen. Als Beauftragte für die Stadtregierung bediente er sich der Mitglieder der jüdischen Gemeinde. Gleichzeitig versuchte er dem Anschein nach, christliche Siedler ins Land zu ziehen, da er in umliegenden Orten, in denen es bis dahin keine mozarabischen Christen gegeben hatte, Kirchen stiftete.

Die Umwandlung der Hauptmoschee von Valencia in eine christliche Kathedrale folgte dem Beispiel, das König Alfons wenige Jahre zuvor nach der Eroberung von Toledo (1085) gegeben hatte: Dort war nach einer anfänglich „toleranten“ Politik, die die Rechte der muslimischen Bevölkerungsgruppen bewusst respektiert hatte, 1087 mit der Einsetzung des französischen Erzbischofs Bernard aus dem Cluniazenserorden, der als religiöser „Hardliner“ galt, eine radikale Kehrtwende vollzogen worden. Unter Missachtung früherer Versprechungen des Königs verfolgte der neue Erzbischof in Toledo eine kämpferische und kompromisslose Linie gegenüber den nichtchristlichen Bewohnern, was auch die Umwandlung wichtiger Moscheen in Kirchen einschloss. Auch in Valencia, dessen letzter bekannter mozarabischer (also einheimischer) Bischof 1087 gestorben war, erlangte mit dem Cluniazensermönch Jérôme de Périgord um 1098 ein Franzose und Vertrauter Bernards die Bischofswürde, der reichs- und kirchenpolitisch die Sache Toledos und der cluniazensischen Reformbewegung vertrat, was auch im Interesse des finanziell von Cluny abhängigen Königs lag. All dies muss im Kontext der damaligen kirchenpolitischen Umwälzungen gesehen werden (neben der Kreuzzugsbewegung etwa auch die erfolgreichen Bestrebungen Papst Urban II., selbst Franzose und Cluniazenser, in Spanien die Ersetzung des mozarabischen Ritus durch den römischen durchzusetzen). Inwieweit der Cid hier eingebunden war und ob diese Veränderungen seinen Interessen dienten oder sich gegen seinen Willen vollzogen, lässt sich schwer sagen und ist umstritten.

Offenbar in der Absicht, Bündnisse zu festigen, verheiratete der Cid in dieser Zeit seine Töchter mit einflussreichen Adligen aus benachbarten Reichen: Eine Tochter, Cristina, heiratete Ramiro Sánchez de Navarra († 1116), der als Herr von Monzón (bei Huesca) eine bedeutende Machtposition im Königreich Aragonien innehatte (Cristinas und Ramiros gemeinsamer Sohn García wurde 1134 zum König von Navarra gewählt). Eine andere Tochter des Cid, María († vor 1105), heiratete 1098 den Grafen Raimund Berengar III. von Barcelona (1082–1131). Später wurden diese Ereignisse im bekannten Heldenepos (El Cantar) zu einer sagenhaften Geschichte ausgedichtet, wonach die in der Legende „Elvira“ und „Sol“ genannten Töchter des Cid angeblich in erster Ehe mit den als Feiglingen charakterisierten Grafen von Carrión, den Brüdern Diego und Fernando Gómez, verheiratet waren, von denen sie misshandelt und verstoßen wurden und an denen der Vater blutige, aber gerechte Rache übte. Diese Sage, die einer historischen Grundlage entbehrt, ist mit dem Namen der Stadt Carrión de los Condes verbunden.

Tod und Wirkung

Das legendäre Schwert „Tizona“ des Campeador El Cid

Auch der Tod des Cid ist legendär: In einem Hinterhalt tödlich verwundet, nahm er seinen Gefolgsleuten auf dem Sterbebett das Versprechen ab, den Feind erneut anzugreifen. Seinem Wunsch entsprechend band man den sorgfältig geschminkten Leichnam vor der Schlacht in voller Rüstung aufs Pferd. Sein treuer Hengst Babieca (der Legende nach ein Prototyp des weißen Andalusiers) trug den Toten mit dem Schwert in der Hand ins Getümmel voran. Auf diese Weise motiviert, errangen seine Leute einen glänzenden Sieg über die von der Erscheinung des Totgeglaubten erschreckten Berber.

Über die tatsächlichen Todesumstände ist wenig bekannt (wahrscheinlich starb El Cid friedlich im Bett, möglicherweise infolge einer Pfeilverwundung). Kurioserweise fällt der Tod des Cid fast auf den Tag genau auf das Datum der blutigen Eroberung Jerusalems durch die Kreuzfahrer.

Als Valencia 1102 kurz vor der Einnahme durch die Almoraviden stand, konnte der zu Hilfe gerufene Alfons VI. nur noch die Witwe und den Leichnam des Cid zusammen mit seinen Truppen aus der Stadt evakuieren und gab diese dem Feuer preis. Das Ziel, den Vormarsch der berberischen Eroberer im Osten der Pyrenäenhalbinsel aufzuhalten, war damit gescheitert. Ein entscheidender Grund war wohl die Tatsache, dass der Cid keine männlichen Nachkommen mehr besaß, nachdem sein einziger Sohn Diego Rodríguez (über den sonst praktisch nichts bekannt ist) 1097 in der Schlacht bei Consuegra bei Toledo den Tod gefunden hatte.

Der Cid wurde in seiner kastilischen Heimat in dem Kloster San Pedro de Cardeña bei Burgos bestattet; heute befindet sich das Grabmal in der gotischen Kathedrale von Burgos. Das der Überlieferung zufolge von ihm benutzte Schwert Tizona, das lange Jahre im Armeemuseum in Madrid ausgestellt war, wurde im Mai 2007 von der Stadt Burgos erworben und kann heute zusammen mit anderen Relikten mit Bezug zu dem Nationalhelden ebenfalls in der Kathedrale der Stadt besichtigt werden.

Mythos und Rezeption

Seite aus El Cantar de Mio Cid aus der spanischen Nationalbibliothek

Schon früh wurde El Cid als Hauptperson der Legende, die seinen Namen trägt, zu einer literarischen Figur. Die vermutlich bereits zu Beginn des 12. Jahrhunderts entstandene Historia Roderici erzählt in recht nüchterner Sprache auf Latein von den Taten des Cid. Von dem berühmten altspanischen Epos El Cantar de Mio Cid[5] existiert eine einzige, neuerdings[6] recht genau auf das Jahr 1235 datierte Handschrift, die in der Nationalbibliothek in Madrid verwahrt wird. Dabei handelt es sich der heute herrschenden und von spanischen Forschern jetzt[7] bestätigten Meinung zufolge um eine Abschrift des von einem gewissen Pere Abat im Jahre 1207 verfassten Originals des Epos. Manche Forscher vermuten die mündlich oder schriftlich tradierten Ursprünge dieser Dichtung jedoch bereits in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts. In dem Werk wird der Cid als die Idealfigur spanischen Rittertums verherrlicht und (unhistorisch) als Verfechter oder Vorreiter der Kreuzzugsidee dargestellt. Deshalb wird großzügig darüber hinweggesehen, dass der Cid lange Zeit im Dienste maurischer Fürsten stand, denn er soll als Verteidiger der Christenheit und als Sieger über die Mauren erscheinen. Das Heldenepos (Chanson de geste) ist eines der großen Werke der spanischen mittelalterlichen Literatur und macht mengenmäßig mehr als die Hälfte der überlieferten spanischen Heldenepik aus.

Ab dem späteren Mittelalter wurde der literarische Stoff des Cantar zum Sujet einer Vielzahl von nachgedichteten Ritterromanen, Chronistenberichten und Nacherzählungen. Mit der Zeit gab es immer neue Variationen und Ausdichtungen der Geschichte. Sogar eine Art früher „Urheberrechtsstreit“ entwickelte sich daraus, als die 1636 aufgeführte und in Frankreich sehr erfolgreiche Tragikomödie Le Cid von Pierre Corneille eine literarische Fehde auslöste (Querelle du Cid). Das frühe Heldenlied selbst geriet jedoch praktisch in Vergessenheit, es wurde erst 1779 veröffentlicht und dann von der das Mittelalter verherrlichenden Romantik wiederentdeckt.

Der Stoff und die Figur des Cid beschäftigte Autoren und Komponisten (Opern von Jules Massenet 1885 und von Claude Debussy 1893) bis in die jüngste Zeit hinein. So veröffentlichte auch Herder 1805 eine Ballade über den spanischen Ritter (Der Cid. Nach spanischen Romanzen besungen durch J. G. von Herder). Eine (lange unerkannte) meisterhafte Travestie des herderschen Cid findet sich in Arno Schmidts Roman KAFF auch Mare Crisium von 1960.

In Spanien erschien 1929 das viel beachtete historische Standardwerk La España del Cid (deutsch Das Spanien des Cid, München 1936–1937) des Philologen und Historikers Ramón Menéndez Pidal (1869–1968), der sich bleibende Verdienste um den Erhalt und die Erforschung der lange Zeit in seinem Besitz befindlichen Handschrift des Cantar, die er vor einem Verkauf ins Ausland bewahrte, erworben hat. Menéndez hatte sich die Forschung über den Cid zur Lebensaufgabe gemacht. Ungeachtet seines akribischen Studiums und seiner auf Sorgfalt, Detailtreue und Wissenschaftlichkeit bedachten Arbeitsweise zeichnete er insgesamt ein recht verklärtes Bild des Helden und neigte dazu, Theorien zu entwickeln oder nach Belegen zu suchen, die die Historizität der (heute größtenteils als legendär angesehenen) Schilderungen im Cantar untermauern. Mit seinem Werk, das auch im Kontext der jüngeren spanischen Geschichte seit 1898 kritisch zu würdigen ist und mit dem er explizit einen Beitrag zur Formung einer spanischen nationalen Identität leisten wollte,[8] trug er entscheidend zur Überhöhung der Figur zum „Nationalhelden“ und zum Weiterleben der Vorstellung von El Cid als einem mit König Artus oder Richard Löwenherz vergleichbaren ritterlichen Helden „ohne Furcht und Tadel“ bei.

Verfilmung

Sehr bekannt ist der von Anthony Mann im Jahre 1961 gedrehte Historienfilm El Cid mit Charlton Heston und Sophia Loren in den Hauptrollen. Dabei wirkte als wichtigster historischer Berater der damals schon über neunzigjährige Menéndez Pidal mit. Die Musik komponierte der auf Monumentalfilme spezialisierte Hollywood-Veteran Miklos Rozsa.

Im April 2005 kam der spanische Zeichentrickfilm El Cid – Die Legende (2003, Originaltitel: El Cid: La Leyenda) in die deutschen Kinos.[9] Der Epilog dieses Trickfilms gibt sehr treffend die Kernaussage der Legende wieder, die vom Cantar ausgehend über Menéndez Pidal und Heston das Bild vom Cid bis heute prägt: „El Cid kämpfte nie für persönlichen Reichtum oder Ruhm, er kämpfte um die Vergebung seines Königs und für seine Ehre.“ Offensichtlich hat das jedoch mit der historischen Wirklichkeit nicht allzu viel zu tun.[10]

Grabinschrift

Die (von Menéndez Pidal verfasste) Grabinschrift für El Cid und seine Gemahlin in der Kathedrale von Burgos lautet:

„Aquí yacen Rodrigo Díaz, el Campeador, muerto en Valencia en 1099, y su esposa Jimena, hija del conde Diego de Oviedo, de regia estirpe.
A todos alcanza la honra del que en buena hora nació“

„Hier ruhen Rodrigo Díaz, der Campeador,[11] gestorben zu Valencia im Jahre 1099, und seine Gemahlin Jimena, Tochter des Grafen Diego von Oviedo, aus königlichem Geschlecht. Alle erreicht die Ehre dessen, der zur rechten Stunde geboren ward.“

Der zweite Satz der Inschrift ist ein sprachlich leicht modernisiertes Zitat aus dem Schluss des Cantar.[12] Die Aussage steht im Kontext der durch die Verheiratung seiner Töchter begründeten und im Cantar besonders hervorgehobenen Verwandtschaft des Cid mit den christlichen Herrschergeschlechtern der iberischen Halbinsel: Auf sie alle strahlt sein Ruhm ab, er gereicht ihnen allen zur Ehre, sie alle rühmen sich seiner. Menéndez Pidal deutet diese Aussage dann gewissermaßen um und bezieht sie auf „alle Spanier“ oder „alle Besucher“ der Grablege. Die Bezeichnung des Cid als den, „der zur rechten Stunde geboren ward“ (zu verstehen im Sinne von „unter einem glücklichen Stern“, „als Kind des Glücks“ o. ä.), ist eine in dem Epos häufig vorkommende, den Helden glücklich preisende Wendung.

Literatur

  • El cantar del Mio Cid. Max Hueber Verlag, München 1998. ISBN 3-19-004113-X.
  • Der Cid - das altspanische Heldenepos, aus dem Spanischen übersetzt von Fred Eggarter, Stuttgart, Reclam ISBN 978-3-15-000759-4
  • R. Dozy: Geschichte der Mauren in Spanien. Bis zur Eroberung Andalusiens (711–1110), Leipzig 1874 (2 Bände)
  • Richard Fletcher: El Cid. Leben und Legende des spanischen Nationalhelden. Berlin 1999. ISBN 3-88679-312-5. (Hilfreiche Rezension hier)
  • Lexikon des Mittelalters, Bd. 2, Sp. 2078–2082; München, 2002 (TB-Ausgabe). ISBN 3-423-59057-2.
  • Ramón Menéndez Pidal: The Cid and His Spain. Übersetzt [ins Englische] von Harold Sunderland. London, 1971. ISBN 0-7146-1508-0. Die zweibändige dt. Ausgabe des Werkes unter dem Titel „Das Spanien des Cid“ stammt von 1936/37.
  • Don Manuel Malo de Molina: Rodrigo el Campeador; Madrid 1857
  • Dolores Oliver Pérez : El Cantar de Mío Cid: génesis y autoría árabe; Almería, 2008. ISBN 978-84-934026-7-9.
  • Timoteo Riaño Rodríguez, u. a.: El Cantar de Mio Cid, Bd. 1: El Manuscrito del Cantar (Die Handschrift des Cantar). Biblioteca Virtual Miguel de Cervantes, Alicante, 2003.
  • Dies.: Bd. 2: Fecha y autor del Cantar de Mio Cid (Datierung und Autorschaft des Cantar de Mio Cid). Ebda., 2006.
  • Frank Baer: Die Brücke von Alcántara. München, 1988. ISBN 3-442-72087-7. (historischer Roman)

Weblinks

 Commons: El Cid – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Artikel über El Cid auf Spiegel.de
  • Literatur von und über El Cid im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
  • Artikel über den „Cantar de Mio Cid“ aus Kindlers neues Literaturlexikon: [1]
  • Englische Übersetzung des „Cantar de Mio Cid“ online: [2]
  • Der „Cantar de Mio Cid“ online (spanisch): [3]
    (Fotografische Reproduktion der Originalhandschrift und mehrere Transkriptionen, Bilder und wissenschaftliche Arbeiten)
  • Der „Cantar de Mio Cid“ online und interaktiv (spanisch und englisch): [4]
    (an der University of Texas entstandenes und derzeit wohl ansprechendstes Cid-Projekt im Internet: Man kann sich den gesamten Text vorlesen lassen und in Bildern der Originalhandschrift, Untertiteln oder in der englischen Übersetzung mitverfolgen und dazu Kommentare lesen oder Illustrationen betrachten)
  • Karte der im Cantar geschilderten Kriegszüge des Cid in der Levante 1081–1091 (spanisch): [5]
  • J. G. Herder: Der Cid; Fraktur-Reprint in der Arno-Schmidt-Referenzbibliothek der GASL, mit einer historischen Einleitung aus dem Jahre 1805 (pdf, 4,08 MB)

Anmerkungen

  1. In den relevanten historischen Quellen ist der Ortsname nur in der Schreibweise Bivar belegt, der moderne spanische Ortsname schreibt sich jedoch seit langem schon Vivar. Dazu muss man wissen, dass b und v im Anlaut im Spanischen praktisch identisch ausgesprochen werden. Die Frage der Schreibweise des Geburtsortes ließe sich etwa mit der Diskussion vergleichen, ob man den Geburtsort von Konrad Adenauer mit Cöln (weil sich der Name damals so schrieb) oder Köln anzugeben hätte.
  2. Siehe Artikel der spanischen Wikipedia, das Dorf hat noch heute nur ca. 140 Einwohner.
  3. Einer legendären Überlieferung zufolge wählten die Kastilier beim Tode Alfons II. von Asturien (842) zwei Richter, die ihre Angelegenheiten unabhängig vom asturischen Hof regeln sollten, was über lange Zeit als Geburtsstunde der Unabhängigkeit Kastiliens galt.
  4. vgl. Fletcher 1999, Riaño 2006 (s. Lit.)
  5. Hinweis für Philologen: Das Wort Mio im Werktitel ist ein im modernen Spanischen nicht mehr existierendes atonales Possessivpronomen (Verwendung strukturell ähnlich wie port. meu, ital. mio und frz. mon) und schreibt sich (anders als das moderne spanische Wort mío) ohne Akut.
  6. Untersuchung von Riaño Rodríguez und Gutiérrez Aja, 2003
  7. Dies., 2006
  8. „Auch wenn ich mich mit der Erforschung unserer nationalen Vergangenheit beschäftige“, sagte Menéndez Pidal 1916 in einem Interview, „interessiert mich doch nichts so sehr wie unsere Gegenwart und unsere Zukunft“ (zitiert nach Fletcher, s. u.). Dazu Fletcher: „Als ein Patriot, dessen Heimatland unruhige Zeiten durchmachte, präsentierte er seinen Landsleuten einen Nationalhelden, an dem sie sich erfreuen konnten und dessen Tugenden sie nacheifern sollten. Für Menéndez Pidal gab es keine Trennung zwischen Geschichte und Mythos. Der Cid der Geschichte war in seinem Charakter und in seinen Taten ebenso makellos wie der Cid der Sage.“ (a. a. O.)
  9. Näheres hier, Rezension hier
  10. So sagt denn auch der Klappentext zu R. Fletchers Sachbuch El Cid (s. u.): „Eingebettet in 500 Jahre spanischer Geschichte schildert der Autor akribisch, wie und warum sich ein kastilischer Ritter aus dem 11. Jahrhundert in den Heros verwandelte, der er nie war.“ (Hervorhebung d. Verf.)
  11. Etwa: „der Kämpe, Recke“
  12. Vers 3725: „A todos alcança ondra | por el q~ en buen ora naçio“

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