Elektron-Thermitstab

Elektron-Thermitstab
Eine Lancaster wirft während der Operation Hurricane Stabbrandbomben (links), Brandbomben und eine Luftmine (rechts) auf Duisburg ab.

Die Stabbrandbombe, auch Brandstab oder Elektron-Thermitstab ist eine Thermit-basierte Brandbombe, die im Zweiten Weltkrieg eingesetzt wurde. Die britische Variante wurde in den Jahren 1935/1936 im Auftrag des britischen Verteidigungsministeriums durch Imperial Chemical Industries entwickelt. Eine sehr ähnliche Waffe wurde aber auch von der deutschen Luftwaffe verwendet.

Inhaltsverzeichnis

Technische Beschreibung

Als Beispiel für die vielen verschiedenen Typen und Baumuster soll hier die über Deutschland in großen Mengen abgeworfene englische 1,7 kg schwere Stabbrandbombe INC 4 LB im vierten Baumuster beschrieben werden. Diese Stabbrandbombe besaß einen sechseckigen Körper mit 4,2 cm Durchmesser und 57 cm Länge. Davon entfielen ca. 20 cm auf das sechseckige, aus dünnem Blech bestehende Leitwerk und 4,7 cm auf den etwa 0,6 kg schweren Stahlkopf. Die eigentliche Bombenhülle aus Elektron war auf ihrer ganzen Länge mit einer 25 mm messenden Bohrung versehen, die mit eingepresstem Thermit gefüllt war. An ihrem oberen Ende, verdeckt durch das Leitwerk, befand sich der Aufschlagzünder, der über einen Anfeuerungssatz die Thermitfüllung in Brand setzte. Zur Sicherung gegen unbeabsichtigtes Auslösen wurden die Stabbrandbomben nur in Bündeln von teilweise bis über 100 Stück transportiert. Dabei blockierte ein federbelasteter Sicherungsstift, der durch die Nachbarbombe eingedrückt wurde, den Schlagbolzen des Aufschlagzünders. Erst beim Abwurf über dem Zielgebiet trennten sich die Bomben aus dem Bündel und schärften sich dadurch.

Die Brenndauer betrug ungefähr acht Minuten; während dieser Phase trat eine starke Stichflamme aus der Stabbrandbombe hervor und zerschmolz diese zu einer weißglühenden brennenden Metallschmelze. Ein direktes Löschen der Stabbrandbombe mit Wasser war nicht möglich, es ließ sich jedoch die unmittelbare Umgebung der Bombe mit Wasser abkühlen bzw. mit Sand abdecken und so der Brandschaden in Grenzen halten. Ab 1942 gab es eine Modifikation dieser Brandwaffe, die zusammen mit den normalen Stabbrandbomben abgeworfen wurde. Diese modifizierten Brandstäbe enthielten zusätzlich eine kleine Sprengladung mit starker Splitterwirkung. Dadurch sollten die Lösch- und Rettungskräfte auf Distanz zur abgeworfenen Brandwaffe gehalten und somit ein frühzeitiges Löschen verhindert werden.

Produktion

Die Produktion der ersten Elektron-Thermitstäbe begann im Oktober des Jahres 1936 durch die Firma Imperial Chemical Industries. Dieses erste Produktionslos, vergeben vom britischen Verteidigungsministerium, umfasste 4,5 Millionen Stück. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges standen in Großbritannien mehr als fünf Millionen Elektron-Thermitstäbe zur Verfügung. Im Verlaufe des Krieges wurden mehr als 100 Millionen Stück produziert, mehr als 80 Millionen davon wurden über deutschen Städten abgeworfen.

Einsatzgebiet

Einsatzgebiet des Elektron-Thermitstabes ist ein gegnerisches dichtbebautes Stadtgebiet mit möglichst hohem Anteil an Holzbauten. Nur im Zusammenhang mit brennbaren Stoffen, insbesondere Holz, entfaltet diese Brandbombe ihre Wirkung. Der Elektron-Thermitstab ist somit als eine Entzündungswaffe zu verstehen. Stärkste Wirkung entfaltet er im Masseneinsatz gegen dicht bebaute mittelalterliche Altstädte.

Im Kombinationseinsatz mit einer geringen Anzahl kurz vorher abgeworfener Sprengbomben und Luftminen kann ein Massenabwurf von Elektron-Thermitstäben großflächige Feuersbrünste hervorrufen. Die Luftminen decken Dächer ab und zertrümmern Fensterscheiben. Dadurch ermöglichen sie den Zutritt von Luftsauerstoff an die Brandherde und verhindern, dass die Stabbrandbomben von den schrägen Dächern auf die Straße fallen. Außerdem behindern speziell Sprengbomben mit Zeitzündern die Lösch- und Bergungsarbeiten.

Unter optimalen Einsatzbedingungen, insbesondere gegen Siedlungen in Talkessellage und bei Erzeugen eines in Windrichtung offenen Trichters, eignet sich der Masseneinsatz von Elektron-Thermitstäben zum Hervorrufen sogenannter Feuerstürme. Der Elektron-Thermitstab kann als Terrorwaffe betrachtet werden, da er aufgrund seines planmäßigen Einsatzgebietes, der dicht bebauten Innenstadt, in erster Linie zur Massentötung von Zivilisten durch Ersticken oder Verbrennen dient. Ein sonstiger militärischer Einsatz ist nur in wenigen, sehr begrenzten Ausnahmefällen sinnvoll, da sich diese Waffe nicht zur Bekämpfung von Punktzielen eignet, sondern nur bei Einsatz gegen sehr große bebaute Flächenziele eine für den Angreifer günstige Kosten-Nutzen-Relation bietet.

Sehr bekannte historische Einsätze der Elektron-Thermitstäbe waren die Bombardierung von Dresden, Darmstadt, Kassel, Koblenz, Braunschweig, Wuppertal, Hildesheim, Pforzheim, Würzburg und Hamburg während des Zweiten Weltkrieges durch die britische Luftwaffe. So wurden zum Beispiel über Dresden während eines einzigen Luftangriffes mehr als 650.000 Elektron-Thermitstäbe abgeworfen.

Die deutschen Stabbrandbomben

Deutsche 1-kg-Stabbrandbombe aus dem Zweiten Weltkrieg

Auf deutscher Seite war die erste Elektron-Brandbombe bereits 1918 fertig entwickelt und einsatzbereit, ein erster Einsatz gegen eine Stadt soll jedoch auf direkten Befehl des Kaisers nicht erfolgt sein. Die deutsche Luftwaffe besaß im zweiten Weltkrieg ebenfalls verschiedene Typen von Elektron-Thermit-Stabbrandbomben. Sie waren mit 35 cm Länge etwas kleiner und auch leichter als ihr britisches Gegenstück. Die Typenbezeichnung lautete B 1 E bzw. B 1,3 E, wobei die Zahl die Masse in kg angab. In der Größe waren beide Typen gleich, doch besaß letztere Version (die die B 1 E ablöste) ein stählernes Kopfstück, was neben dem Gewicht auch die Durchschlagskraft erhöhte. Beide Varianten wurden ebenfalls mit einer "Zerleger"-Sprengladung von 8 bis 15 Gramm PETN eingesetzt, die 0,5 bis 5 Minuten nach der Auslösung der Brandbombe detonierte. Eine Weiterentwicklung war die B 2 EZ, sie bestand aus einer B 1,3 E, die am Kopf eine zusätzliche Sprengladung von 60 Gramm PETN besaß. Beim Aufschlag der Bombe wurde einmal die eigentliche Brandbombe wie üblich angezündet, gleichzeitig der Zusatzsprengkopf abgestoßen, der nach 2, 4 oder 6 Minuten detonierte.

Siehe auch

Literatur

  • Wolfgang Thamm: „Fliegerbomben“, Bernard & Graefe Verlag, ca.300 Seiten, ISBN 3-7637-6228-0
  • Wolfgang Fleischer: Deutsche Abwurfmunition Motorbuchverlag, 290 Seiten, ISBN 3-613-02286-9

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