Emile Bernard

Emile Bernard
Émile Bernard, um 1887 (unbekannter Fotograf).

Émile Bernard (* 28. April 1868 in Lille; † 16. April 1941 in Paris) war ein französischer Maler, Grafiker, Kunsttheoretiker und Romanautor. Er gehört zu den schillerndsten Figuren am Beginn der modernen Malerei. Als Mitbegründer des Cloisonismus und des Synthetismus war er in den 1880er Jahren an dem Umbruch beteiligt, den die Kunst in der damaligen Zeit erlebte. Seine Schriften und die Korrespondenz mit Vincent Van Gogh, Paul Gauguin und Paul Cézanne zählen zu den kunstgeschichtlichen Hauptquellen des ausgehenden 19. Jahrhunderts.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Bernard 1886, von Toulouse-Lautrec National Gallery (London).

Émile Bernard wurde als Sohn eines Unternehmers der Textilindustrie geboren und zog im Alter von 10 Jahren mit seinen Eltern nach Paris. Dort trat er 1884 im Alter von 16 Jahren in das Atelier des akademischen Malers Fernand Cormon ein, wo er Louis Anquetin und Henri de Toulouse-Lautrec kennenlernte. 1886 wurde er aus Cormons Atelier ausgeschlossen, da Cormon und er unterschiedliche künstlerische Ansichten vertraten. [1] Im Anschluss begab er sich auf eine Wanderung durch die Normandie und die Bretagne, wo er in Concarneau auf Émile Schuffenecker traf. Von diesem mit einem Empfehlungsschreiben an den zwanzig Jahre älteren Paul Gauguin versehen, reiste er weiter nach Pont-Aven, wo er jedoch zunächst wenig Kontakt mit diesem Künstler hatte.

Gauguin 1888, Selbstporträt in der Rolle des Jean Valjean mit Porträt Bernards, „für Vincent“.[2]

Nachdem er im Winter 1886/87 in Paris Van Gogh kennengelernt hatte, reiste Bernard – gemeinsam mit Louis Anquetin – 1887 ein weiteres Mal in die Bretagne. 1888 entwickelte sich in Pont-Aven eine fruchtbare Zusammenarbeit mit Gauguin und daneben ein intensiver Briefkontakt mit van Gogh. Dies setzten die beiden Künstler 1889 in Paris fort.

Bernards kühne Theorien und seine doktrinären Aussagen erregten rasch Aufsehen unter Kollegen. Gemeinsam mit Louis Anquetin entwickelte er neue Bildstrategien, die sowohl van Gogh als auch Gauguin aufhorchen ließen und für die Eduard Dujardin, Herausgeber und Kunstkritiker der Revue indépendante den Begriff Cloisonismus prägte. In den kurzen Wochen ihrer ebenso frucht- wie konfliktreichen Zusammenarbeit formulierten und verbreiteten Bernard und Gauguin die Prinzipien des Synthetismus und schrieben damit Kunstgeschichte. Auch unterwies Bernard Gauguin im Zinkdruck und schmiedete mit ihm zusammen Pläne für das von Gauguin angedachte Atelier des Tropiques („Tropenatelier“, das Pendant zu van Goghs missglücktem Gemeinschaftsprojekt Atelier du Midi, [„Atelier des Südens“]).

1889 nahm er an der von Gauguin anlässlich der Pariser Weltausstellung im Café Volpini organisierten Gegen-Kunstausstellung teil. Bald darauf durchlief er eine persönliche Krise, die nach Van Goghs tragischem Tod (1890) 1891 den endgültigen Bruch mit Gauguin zur Folge hatte. Ursache war nicht zuletzt Bernards Enttäuschung über einen anlässlich eines Banketts vorgebrachten Toast auf „Paul Gauguin als Begründer des Symbolismus“. Er warf Gauguin vor, sämtliche Errungenschaften der Künstlergruppe von Pont-Aven an sich gerissen zu haben, fühlte sich hintergangen und verraten.

Inzwischen war sich auch seine persönliche Situation belastet. Bereits 1888 war „das Los“ auf ihn gefallen, das heißt, er war wehrpflichtig und musste mit der Einziehung rechnen. Wohlwollende ärztliche Gutachten schoben dies auf, während van Gogh ihm brieflich Mut zusprach. 1893 flüchtete er dennoch, begab er sich auf eine Reise nach Italien und in den Nahen Osten und ließ sich schließlich mit Unterstützung durch Mäzene wie Antoine de la Rochefoucauld und Theo van Goghs Schwager Andries Bonger in Ägypten nieder (damals unter britischer Kuratel), wo er von 1893 bis 1904 lebte und sich auch verehelichte.

Im Februar 1904 nach Frankreich zurückgekehrt, begegnete Bernard in Aix-en-Provence Paul Cézanne, blieb einen Monat lang zu Besuch und veröffentlichte im Juli einen Artikel über ihn in der Zeitschrift „L’Occident“. Es entspann sich ein Briefwechsel bis zu Cézannes Tod; Bernard veröffentlichte seine Erinnerungen Souvenirs sur Paul Cézanne erstmals 1906 im „Mercure de France“, und 1912 erschienen sie in Buchform. [3]

Émile Bernard starb 1941 in seinem Pariser Atelier auf der Île Saint-Louis, 15 Quai Bourbon.

Werk

Van Goghs Kopie in Wasserfarbe des Ölbildes Le Pardon de Pont-Aven, das Gaugin mit Bernard getauscht und nach Arles mitgebracht hatte (Dezember 1888).
Van Gogh war begeistert vom innovativen Stil und legte das Original seinem Bruder zur Bewerbung nahe.[4]

Der im Jahr 1886 aufgrund seiner individualistischen Auffassung der Kunst aus Cormons Atelier ausgeschlossene Künstler experimentierte, wie auch van Gogh, mit neuen Maltechniken und interessierte sich zunächst für den Pointillismus, begeisterte sich aber wie jener sehr bald für die damals modischen japanischen Farbholzschnitte. Diese regten ihn zu einer starken Vereinfachung und Abgrenzung der Farbflächen an. Aus diesem Stil entwickelte er 1887 gemeinsam mit Louis Anquetin, dessen Aufmerksamkeit ebenfalls den Japonaiserien galt, den Cloisonismus: nicht die Entgrenzung des Gegenstands im lockeren Duktus des Impressionismus, sondern Abgrenzung und präzisierende Charakterisierung war ihr Anliegen.

Eine Weiterentwicklung des Cloisonismus durch die Zusammenarbeit von Gauguin und Bernard (1888/89) sowie seine Vereinigung mit dem Symbolismus begründeten die neue Kunstrichtung des Synthetismus, der Bernard mit Unterbrechungen treu blieb, bis er Frankreich den Rücken kehrte. Repräsentativ für diese Schaffensperiode ist beispielsweise Les Bretonnes aux Ombrelles (1892).

Unter anderem minderte ab 1889 eine sentimentale und religiöse Krise seine schöpferische Kraft. In dieser Zeit suchte er wechselweise Inspiration in den Werken Cézannes und jenen der italienischen Meister, deren Einfluss in der Kreuzabnahme (1890) zu verspüren ist. Abgesehen davon beschäftigte Bernard sich auch mit den Werken und der Technik der mittelalterlichen Xylografie.

Schließlich wandte er sich während seines Aufenthaltes in Ägypten einem mystischen oder orientalisierenden Traditionalismus zu, den er durch Beiträge in den Zeitschriften Mercure de France und La Rénovation esthétique verteidigte.

Werksauswahl

Gemälde

  • 1887: Pot de grès et pommes, Paris, Musée d'Orsay
  • 1888-08: Le Pardon de Pont-Aven, Öl auf Leinwand, Privatsammlung
  • 1888: Madeleine au bois d'amour, Öl auf Leinwand, Paris, Musée d'Orsay
  • 1888/92: Illustration der Cantilènes von Jean Moréas
  • 1889: Bretonneries, Mannheim, Museum
  • 1889: Nus dans un paysage, Öl auf Leinwand, Valenciennes, Musée des Beaux-Arts
  • 1894: Crucifixion, Bremen, Kunsthalle
  • 1892: Bretonnes aux ombrelles, Paris, Musée d'Orsay
  • 1901: Autoportrait, Lille, Palais des Beaux-Arts

Schriften

  • Propos sur l'art (I), ISBN 2-84049-031-5
  • Propos sur l'art (II), ISBN 2-84049-029-3
  • L'Esclave nue, Roman
  • La Danseuse persane, Roman
  • Le Parnasse oriental

Literatur

  • Jean-Jacques Luthi und Armand Israël: Émile Bernard 1868-1941, Editions de l'Amateur, ISBN 2-85917-387-0

Sonstiges

Bekannt wurde Émile Bernards Beschreibung der Beerdigung van Goghs im Jahre 1890: Der Sarg war bereits geschlossen. Ich kam zu spät, um nochmals den Mann zu sehen, der mich vor vier Jahren voller Hoffnung verschiedenster Art verlassen hatte . . . .

An den Wänden des Raums, in dem sein Leichnam aufgebahrt wurde, waren all seine letzten Bilder aufgehängt worden, die so gleichsam einen Glorienschein für ihn bildeten, und das Aufblitzen des Genies , das sie ausstrahlten, machte diesen Tod umso schmerzlicher für die Künstler. Der Sarg war mit einem schlichten weißen Tuch bedeckt und von Blumen in großer Zahl eingerahmt, die Sonnenblumen, die er so sehr liebte, gelbe Dahlien, gelbe Blumen überall. Dies war, wie Sie sich wohl erinnern, seine Lieblingsfarbe, das Symbol des Lichts, das er in die Herzen ebenso wie in die Kunstwerke träumte.

Ebenfalls in seiner Nähe, vor seinem Sarg, standen seine Staffelei, sein Klappstuhl und seine Pinsel..... (Vollständiger Text auf der Diskussionsseite des Artikels)

Anmerkungen

  1. Van Gogh on Art and Artist, Dover Publications, S. 12
  2. Eine Anspielung auf verkannte und missachtete Künstler (wohl insbesondere das betroffene Trio), und, im starken Kontrast der Dargestellten zur buntbeblümten Wand, eine Aussage zu Freiheit und Reinheit der Kunst. Siehe dazu das Pendant von Bernard: thumb|1888, 1888, Selbstporträt mit Porträt Gaugins, für Vincent.
  3. Maurice Merleau-Ponty: Das Auge und der Geist, S. 319. Meiner Verlag, Hamburg. Abgerufen am 3. Januar 2009.
  4. Original: en:File:Émile Bernard 1888-08 - Breton Women in the Meadow (Le Pardon de Pont-Aven).jpg

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