Entrückung

Entrückung

Mit dem Begriff Entrückung bezeichnet man in einem mythologischen oder biblischen Zusammenhang das Phänomen, dass eine Person leibhaftig aus der irdisch-konkreten Erscheinungswelt in eine himmlische Sphäre versetzt wird. Im Alten und im Neuen Testament werden mehrere dieser Ereignisse beschrieben.

Im übertragenen Sinn wird der Begriff für einen Zustand „geistiger Ferne“, wie etwa im Rausch, Trance oder Traum verwendet.

Inhaltsverzeichnis

Griechische Mythologie

Die Griechischen Sagen berichten vom Elysion, einer „Insel der Seligen“, auf die jene Helden entrückt wurden, die von den Göttern geliebt wurden und denen sie Unsterblichkeit schenken wollten.

Altes Testament

Im Alten Testament wird eine Entrückung von Henoch (1 Mos 5,24 EU; Heb 11,5 EU) und von Elija (2 Kön 2,11 EU) berichtet. Beide wurden demnach wegen ihres Glaubens durch Gott hinweg- und in den Himmel aufgenommen. Dabei stellte man sich den Aufenthalt in dauernder Nähe Gottes vor (vgl. Paradies), der dem Tode entzogen war.

Neues Testament

Im Neuen Testament wird in Offb 12,5 EU von der Entrückung eines Kindes gesprochen. Dieses Kind wird vor allem von der katholischen Kirche mit Jesus Christus gleichgesetzt. Das dort beschriebene Weib mit einem Kranz von 12 Sternen um ihr Haupt demnach als Maria. Dieser Sternenkranz findet sich in allen katholischen Kirchen wo Marienfiguren sind, wieder. Evangelische Christen lehnen diese Auslegung mit der Begründung ab, dass die Offenbarung, die im Jahr 70 nach Christus geschrieben wurde zukünftige Ereignisse behandle und keine Nacherzählung der Geburt Christi enthalte. Darüber hinaus passe der Zusammenhang, in dem diese Geburt beschrieben wird, nicht zu der Lage zur Zeit Jesu.

Von einer Entrückung der gläubigen Christen in der Endzeit sprechen jedoch weder Jesus Christus noch andere Stellen im Neuen Testament; die häufig dafür herangezogenen Stellen 1 Kor 15,23.51.52 EU und vor allem in 1 Thess 4,16ff. EU sprechen nur von einer Verwandlung bzw. Entrückung nach dem erneuten Kommen Christi.

Entrückung im Dispensationalismus

Im 19. Jahrhundert wurde die Lehre von der Entrückung im Zuge des Dispensationalismus formuliert. Dieser lehrt eine prämilleniaristische Eschatologie, die eine 1000-jährige Herrschaft Jesu Christi über die Erde erwartet. Dieser Herrschaft gehe ein Große Trübsalszeit voraus, in der der Antichrist über die Erde herrsche. Christen würden laut dispensionalistischen Vorstellungen vor/während oder nach der Trübsalszeit von der Erde entrückt. Eine Veranschaulichung ist im Alten Testament das Bild von Henoch, der vor dem grossen Gericht (Sintflut) entrückt wurde. Als biblische Belegstellen werden 1 Kor 15,23.51.52 EU, Lk 17,34-36 EU und vor allem in 1 Thess 4,16ff. EU herangezogen. Laut der dispensationalistischen Auslegung dieser Stellen würden von einem Moment auf den anderen sämtliche gläubigen Christen in einer Art Himmelfahrt von der Erde verschwinden. Das zugrundeliegende griechische Verb harpazo, das mit entrücken übersetzt wurde, bedeutet an sich reißen, rauben.

Bis in das 19. Jahrhundert spielte die Entrückung für die christliche Lehre nur eine marginale Rolle und wurde meist als detaillierte Beschreibung der zweiten Wiederkunft Christi gesehen. Populär wurde sie vor allem durch John Nelson Darby, der in den 1830er Jahren die Lehre von einer zukünftigen Trübsalszeit mit Verweis auf Mt 24 und Mk 13 verbreitete. Diese sogenannte Große Trübsal wurde von den Kirchenvätern und Reformatoren wie Martin Luther oder Johannes Calvin als Ereignis gesehen, das in der Vergangenheit liegt und im Zusammenhang mit der Tempelzerstörung im Jahr 70 n. Chr. und der darauffolgenden Judenverfolgung gesehen wurde. Seit Darby hat sich daneben- vor allem in konservativ-evangelikalen Kreisen - auch die Deutung verbreitet, dass diese Zeit am Ende der Weltgeschichte läge. Es folgte eine Diskussion, ob die Entrückung – die nun losgelöst vom zweiten Kommen Christi gesehen wurde – vor, während oder nach der Großen Trübsal eintreten werde.

Der anglikanische Bischof und Neutestamentler N. T. Wright kritisiert das dispensionalistische System und die Auslegung von 1 Thess 4,16ff. EU scharf[1]. Der Dispensionalismus verbreite eine einseitig pessimistisch-weltabgewandte Form der Eschatologie, die die christliche Hoffnung auf die transformative Erneuerung der Schöpfung durch Gottes Heilshandeln , welches durch weltzugewandtes und soziales Engagement schon jetzt bruchstückhaft vorweggenommen werden soll, karikiere. 1 Thess 4,16ff. EU versteht er als Anklang an die antike Praxis der Besuch eines Herrschers (Parusie), bei welcher dem Herrscher entgegengeeilt wurde, um mit ihm zusammen in die Stadt einzuziehen. So bezeichnet die Stelle nicht eine Entrückung von der Erde in den Himmel, sondern den feierlichen Einzug Christi auf die Erde, bei dem Himmel und Erde vereint und neugeschaffen werden[2].

Siehe auch

Literatur

  • Fritz Rienecker; Maier, Gerhard (Hrsg.): Lexikon zur Bibel, R. Brockhaus Verlag, Wuppertal 1998.
  • Gerhard Maier: Er wird kommen. Was die Bibel über die Wiederkunft Jesu sagt, R. Brockhaus Verlag, Wuppertal 2001.
  • Lothar Coenen (Hrsg.): Theologisches Begriffslexikon zum NT, R. Brockhaus Verlag, Wuppertal 1993.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Wright, N.T., Surprised by Hope. Rethinking Heaven, the Resurrection, and the Mission of the Church, New York 2008, S. 118.
  2. Wright, N.T., Surprised by Hope. Rethinking Heaven, the Resurrection, and the Mission of the Church, New York 2008, S. 130 - 136.

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