Erfüllung (Recht)

Erfüllung (Recht)

Die Erfüllung im Rechtssinne ist das Erlöschen eines Schuldverhältnisses, indem die geschuldete Leistung bewirkt wird. Geregelt ist die Erfüllung in den §§ 362 ff. BGB. Dabei kommt es nicht auf die Leistungshandlung, sondern auf den Leistungserfolg an.

Das Erlöschen ist an die jeweils geschuldete Leistung geknüpft. Ein Erfüllungssurrogat, d. h. eine Leistung anderer Art (Leistung an Erfüllungs statt), Hinterlegung oder Aufrechnung, bewirkt ein Erlöschen des Schuldverhältnisses. Abgegrenzt werden muss die Leistung an Erfüllungs statt (§ 362, § 364 Abs. 1 BGB), welche zum Erlöschen des Schuldverhältnisses führt, von der Leistung erfüllungshalber (§ 364 Abs. 2 BGB), im letzteren Fall übernimmt der Schuldner eine neue Verbindlichkeit gegenüber dem Gläubiger, dieser kann sie annehmen, muss es jedoch nicht. Die Haftung im Rahmen des § 364 Abs. 1 BGB richtet sich nach § 365 BGB.

Die Theorie der realen Leistungsbewirkung

Wie die Erfüllung im Einzelnen eintritt, ist umstritten. Die Theorie der realen Leistungsbewirkung versteht die Erfüllung als einen objektiv determinierten Vorgang, während die Theorie der finalen Leistungsbewirkung eine zweckgerichtete, also sowohl objektiv als auch subjektiv determinierte Erfüllung verlangt. Früher wurden noch eine Vertragstheorie (die die Erfüllung als weiteres Schuldverhältnis bestimmte) und eine Zweckvereinbarungstheorie vertreten. Ganz herrschend ist die Theorie der realen Leistungsbewirkung. Tatsächlich ist der Streit aber praktisch bedeutungslos.

Ausnahme: Ein Minderjähriger hat mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters einem Dritten ein Darlehen gewährt. Wenn jetzt der Dritte gegenüber dem Minderjährigen aus dem Darlehensvertrag erfüllen will, z. B. durch Übergabe des Geldes, wird der Minderjährige zwar gem. § 929 Satz 1 BGB Eigentümer des Geldes, jedoch würde die Erfüllung gleichsam dem Verlust der Forderung aus Darlehensvertrag bedeuten. Da dies jedoch ein nicht rein rechtlich vorteilhafter Vorgang für den Minderjährigen wäre, kommt hier ausnahmsweise der Wille des gesetzlichen Vertreters in Betracht. Bis zur Genehmigung durch diesen hinsichtlich der Erfüllung ist mangels Empfangszuständigkeit die Forderung nicht erloschen.

Problematisch ist im modernen Bankverkehr die Abgrenzung der Erfüllung von der Leistung an Erfüllungs statt. Dies betrifft insbesondere Banküberweisungen, wo eine klare Linie in Rechtsprechung und Literatur noch nicht erkennbar ist.

Leistung an Erfüllungs statt (§ 364 Abs.1 BGB): Eine „andere“ Leistung, z. B. Ernte (Naturalien) eines Bauern statt Bargeld. Die Forderung erlischt bei Übereignung der Ernte.

Leistung erfüllungshalber (§ 364 Abs.2 BGB): Die ursprüngliche Forderung bleibt bestehen. Der Gläubiger erklärt sich aber bei Annahme einer anderen Leistung erfüllungshalber damit einverstanden, diese zu verwerten sowie sich nur dann erneut an den Schuldner zu halten, wenn er nicht vollständig befriedigt wird. Beispiel: Statt der geschuldeten 100 EUR tritt der Schuldner dem Gläubiger eine Forderung gegen einen Dritten ab, die auf 100 EUR lautet. Gelingt es dem Gläubiger, die Forderung einzulösen, wird der Schuldner von der Schuld befreit. Gelingt es nicht, weil z. B. der Dritte nicht leisten will oder Einreden entgegenhält, bleibt es bei der Verpflichtung des Schuldners, dem Gläubiger 100 EUR zu zahlen.

Das Erlöschen ist jedoch an die jeweils geschuldete Leistung geknüpft. Ein Erfüllungssurrogat, d. h. eine Leistung anderer Art (Leistung an Erfüllungs statt), Hinterlegung oder Aufrechnung, bewirkt ein Erlöschen des Schuldverhältnisses. Abgegrenzt werden muss die Leistung an Erfüllungs statt (§§ 362, 364 Abs. 1 BGB), welche zum Erlöschen des Schuldverhältnisses führt, von der Leistung erfüllungshalber (§ 364 Abs. 2 BGB), im letzteren Fall übernimmt der Schuldner eine neue Verbindlichkeit gegenüber dem Gläubiger, dieser kann sie annehmen, muss es jedoch nicht. Die Haftung im Rahmen des § 364 Abs. 1 BGB richtet sich nach § 365 BGB.

Gesetzliche Regelung

Im deutschen Recht ist die Erfüllung in § 362 BGB im Schuldrecht implizit hinsichtlich des Erlöschens einer Schuld (Schuldrechtstitel) geregelt. Dessen Absatz 2 verweist auf § 185 BGB (Verfügungsermächtigung), ermöglicht also auch die befreiende Leistung an einen vom Gläubiger ermächtigten Dritten.

Die Erfüllung ist hingegen weder explizit und insbesondere weder im Dienstrecht noch im Verwaltungsrecht geregelt. Das führte zu zahlreichen Streitfällen gegenüber Dienstleistern und gegenüber Behörden wegen bloßen Bemühens und unzureichender Suffizienz. Seit entsprechender Ergänzung kann nach dem in Deutschland seit dem 1. Januar 2002 geltenden neuen Schuldrecht stattdessen auf die Pflichtverletzung nach § 280 BGB verwiesen werden.

Literatur

  • Kretschmar: Die Erfüllung. 1906.
  • Boehmer: Der Erfüllungswille. 1910.
  • Kress: Allgemeines Schuldrecht. 1929, § 5.
  • Ehmann: Die Funktion der Zweckvereinbarung bei der Erfüllung. In: JZ. 1968, 549.
  • Ehmann: Ist die Erfüllung Realvertrag? In: NJW. 1969, 1833.
  • Stierle: Der Bereicherungsausgleich bei fehlerhaften Banküberweisungen. 1980.
  • Schnauder: Grundfragen zur Leistungskondiktion bei Drittbeziehungen. 1981.
  • Joachim Gernhuber: Die Erfüllung und ihre Surrogate. 2. Auflage. Mohr Siebeck, Tübingen 1994, ISBN 3-16-145976-8.
  • Felix Maultzsch: Die Grenzen des Erfüllungsanspruchs aus dogmatischer und ökonomischer Sicht. In: Archiv für die civilistische Praxis (AcP). 207. Bd., 2007, S. 530−563.
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