Ermatingen

Ermatingen
Ermatingen
Wappen von Ermatingen
Basisdaten
Staat: Schweiz
Kanton: Thurgau
Bezirk: Kreuzlingenw
Gemeindenummer: 4646i1f3f4
Postleitzahl: 8272
Koordinaten: (723264 / 281142)47.669319.0799400Koordinaten: 47° 40′ 10″ N, 9° 4′ 48″ O; CH1903: (723264 / 281142)
Höhe: 400 m ü. M.
Fläche: 10.4 km²
Einwohner: 2875 (31. Dezember 2009)[1]
Karte
Karte von Ermatingen
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Ermatingen ist eine politische Gemeinde im Bezirk Kreuzlingen des Kantons Thurgau in der Schweiz.

Inhaltsverzeichnis

Geographie

Ermatingen, aufgenommen von Salenstein

Ermatingen liegt am Südufer des Untersee genannten Teils des Bodensees gegenüber der Insel Reichenau und besteht aus den Ortsteilen Ermatingen und Triboltingen. Der tiefstgelegene Punkt des Gemeindegebiets ist das Seeufer im Norden und liegt auf ca. 396 m Höhe. Der höchstgelegene Punkt liegt an der Südgrenze der Gemeinde auf 613 m Höhe. Die Erhebung im Süden gehört zum Seerücken.

Geologie

Ein grosser Teil des Dorfes wurde auf einem Bachdelta erbaut, das seit der letzten Eiszeit (Würmeiszeit) durch den Dorfbach aufgeschüttet wurde. Es handelt sich um das grösste Delta des Untersees. Der Dorfbach entsteht durch den Zusammenfluss zweier Bäche, deren Oberläufe typische Molassetobel erodiert haben. Die Molasse ist hier grösstenteils aus Glimmersand und Nagelfluh zusammengesetzt. Die Glimmersande wurden durch ein Stromsystem aus Bayern herangeführt. Früher wurde dieser Sand abgebaut, heute zeugt davon noch die Kiesgrube Cholhoo. Die Nagelfluh wurde aus den Alpen herangeführt und ist Teil des Hörnlischuttfächers, welcher durch den Ur-Rhein aufgeschüttet wurde. Darüber liegt Moränenmaterial aus der letzten Eiszeit. Dieses wurde vor allem als Grundmoräne abgelagert, allerdings sind auch einige Seitenmoränenwälle vorhanden.

Auf dem Gemeindegebiet befindet sich ein grosser Findling aus Muschelkalk. Von den Einheimischen wird dieser Grauer Stein genannt. Es handelt sich hierbei vermutlich um den grössten Findling des Kantons Thurgau. Früher wurde dieser für den Strassen- und Häuserbau genutzt und weist deswegen heute nur noch einen Bruchteil seiner ursprünglichen Grösse auf.

Geschichte

Steinzeitliche Funde lassen darauf schliessen, dass sich die ersten Siedler hier um etwa 3000 v. Chr. niederliessen. Sie errichteten ihre Pfahlbauten in den geschützten Buchten bei Ermatingen. So geschehen im Gewann „Westerfeld“ und „Büge“.[2]

Erstmals erwähnt wird „Erfmotinga“ im Jahre 724 in einer Urkunde, in der Karl Martell das Dorf dem Kloster Reichenau schenkte. Auch nach der Eroberung des Thurgaus durch die Eidgenossen 1460 blieb die niedere Gerichtsbarkeit beim Abt. Die reichenauschen Rechte über Ermatingen gingen 1540 an den bischöflichen Hochstift Konstanz. Die endgültige Ablösung erfolgte erst 1839. Im Schwabenkrieg wurden 1499 grosse Teile des Dorfes durch das schwäbische Bundesheer vernichtet. 1524 wurde fast das ganze Dorf unter der Leitung des Konstanzer Pfarrers Alexius Bertschi evangelisch. Nach dem Zweiten Kappeler Krieg zogen einige katholische Familien wieder nach Ermatingen zurück. Die Dorfkirche wird seit jener Zeit paritätisch genutzt.

1660 erhielt Ermatingen von den regierenden eidgenössischen Orten das Marktrecht. Am 17. April 1799 marschierten französische Truppen in Ermatingen ein. Nach der Niederlage Napoleons I. liessen sich viele französische Adelige am Untersee nieder. So gründete der Ermatinger Hartmann Friedrich Ammann zusammen mit Prinz Louis Napoleon im Restaurant Hirschen 1835 den Kantonalen Schützenverein. 1874 eröffnete man die Bahnlinie. 1875 leuchteten zum ersten Mal Strassenlaternen und seit 1897 musste das Wasser dank eines Leitungsnetzes in die Haushaltungen nicht mehr aus Ziehbrunnen geschöpft werden. Seit dem 1. Juni 1975 bilden die beiden ehemaligen Ortsgemeinden Triboltingen und Ermatingen die Gemeinde Ermatingen.

Wirtschaft

Fischerei

Neben Gewerbe und Handel war die Fischerei in Ermatingen ein wichtiger Erwerbszweig. Von dieser Zeit zeugen z. B das stattliche Haus der ehemaligen Fischhandlung Läubli im Oberstaad und drei große Fischerboote aus der Zeit des Schleppnetzfischerei, die am Ufer ausgestellt sind.

Verkehr

Die Schweizerische Nationalbahn eröffnete am 17. Juli 1875 [3] den Betrieb auf der Bahnstrecke Etzwilen–Konstanz, Teil der Seelinie. Damit war Ermatingen ans Schienennetz angeschlossen. Im Sommer ist das Dorf auch per Kursschiff erreichbar (Linie Schaffhausen–Kreuzlingen der Schweizerischen Schifffahrtsgesellschaft Untersee und Rhein).

Sehenswürdigkeiten

Paritätische Kirche

Paritätische Kirche Ermatingen

Ihre Ursprünge gehen ins 12. oder 13. Jahrhundert zurück. Im Schwabenkrieg 1499 wurde sie gebrandschatzt. Im Zuge der Reformation wurden die Bilder und Altäre aus der Kirche geschafft. Nach dem zweiten Landfrieden wurde das paritätische Verhältnis wieder hergestellt, seitdem wird sie von der römisch-katholischen und der evangelischen Gemeinde gemeinsam benutzt. 1649 erfolge ein grosse Renovation. 1749/1750 gab es einen grossen Umbau unter dem Baumeister Johann Michael Beer, die Altarbilder und das Chorgewölbe wurden von Franz Ludwig Herrmann gemalt.

Gasthaus Adler

Gasthaus Adler in Ermatingen mit den Fresken von José Manuel Sanz

Der Adler ist eines der ältesten Gasthäuser im Kanton Thurgau. Erstmals wurde er 1270 erwähnt. Der heutige stattliche Riegelbau stammt aus dem 16. Jahrhundert. Er diente auch dem eidgenössischen Landvogt als Audienzort.

Berühmte Gäste waren u.a.: Prinz Louis Napoleon, François-René de Chateaubriand, Alexandre Dumas, Thomas Mann, Graf Zeppelin, Hermann Hesse, Hugo Ball, Leonhard Frank, René Schickele, Ferdinand Hardekopf, Alfred Neumann oder General Guisan.

Schloss Wolfsberg

Weit über dem Dorf erbaute 1571 Wolf Walter von Gryffenberg ein würfelförmiges Schlossgebäude[4]. 1731 kaufte es Junker Johannes Zollikofer, der es in der Form umbaute, wie wir Wolfsberg heute kennen. Das südlich gelegene sogenannte Parquinhaus wurde wahrscheinlich 1795 durch Junker Jakob Högger von Höggersberg errichtet und 1824 vom französischen Oberst Charles Parquin umgebaut. Dieser richtete hier eine Pension ein, die 1839 einging. Weitere Besitzer waren der Engländer Joseph Martin Parry, der das Gut in einen landwirtschaftlichen Musterbetrieb umwandelte, und Karl Bürgi, der um 1865 ein Kurhaus einrichtete, das bis 1918 bestehen blieb.

Unter dem Kriminalschriftsteller Paul Meyer-Schwertenbach war Wolfsberg 1942/1943 Gesprächsort von SS-Brigadeführer Walter Schellenberg (1910–1952) und Oberstbrigadier Roger Masson[5]. 1970 wurde das Schloss von der Schweizer Bank UBS erworben, die es renovieren und auf dem Areal mit weiteren Gebäuden zu einem Ausbildungszentrum ausbauen liess. An der Westwand des Bibliothekgebäudes befindet sich ein eisernes Turmuhrwerk aus dem alten Schloss, das um 1540 von Laurentius Liechti angefertigt wurde.

Villa Lilienberg

Lilienberg

Der Lilienberg wurde um 1840 von der preussischen Baronesse Caroline von Waldau erbaut. 1848 kaufte sie Baronin Betty von Fingerlin, ihr Mann, Graf Johann Baptist Zappi, war ein Freund von Napoléon III. Die herrschaftliche Villa im Stil des späten Klassizismus ging 1897 an die Brüder Volkart von Winterthur, 1935 an die Familie Reinhart. Werner Reinhart renovierte die Villa und beherbergte u.a. Wilhelm Furtwängler und Othmar Schoeck. Auch der Kunstmäzen Oskar Reinhart lebte hier. Das Areal wurde 1985 von der Stiftung Lilienberg Unternehmerforum erworben, es ist heute ein Begegnungszentrum für Unternehmer.

Schloss Hard

1520 baute Sebastian Muntprat das Schloss Hard wieder auf, nachdem der Vorgängerbau aus dem 13. Jahrhundert im Schwabenkrieg zerstört worden war. Es handelte sich um ein herrschaftliches Gebäude mit Satteldach und einem überkuppelten Türmchen. Das Schloss wurde 1982 abgebrochen.

Rellingsches Schlösschen

Rellingsches Schlösschen

Das wohl aus dem Schätzungsweise 12./13. Jahrhundert stammende Haus brannte im Schwabenkrieg nieder, wurde aber schon 1501 wieder aufgebaut und diente ab 1579 als Freisitz des Junkers Jechonias Rellingen von Feder. Der östliche Teil des Hauses steht als quadratischer Turm auf hohen Mauersockeln, er wurde 1686 mit dem Treppenhaus erweitert. Der westliche Teil des Hauses wurde später als Trotte angebaut. Noch heute stehen die Eichenpfosten in der ehemaligen Trotte, die den Brand von 1499 überstanden haben. Dank den Anpassungen der Besitzer für ihre Bedürfnisse konnte dieses Gebäude erhalten und gepflegt werden. Es ist vermutlich das älteste noch gut erhaltene Gebäude von Ermatingen.

Brauchtum

Während des Konzils von Konstanz (1414–1418) soll einer der drei Gegenpäpste, Johannes XXIII., heimlich aus Konstanz geflohen und nach Ermatingen gekommen sein. Gemäss Überlieferung soll der Papst als Dank für die Verpflegung den Ermatingern erlaubt haben, zu dieser Zeit nochmals Fasnacht zu feiern. Die Ermatinger führen daher die Groppenfasnacht, die alle drei Jahre am Sonntag Laetare, drei Wochen vor Ostern stattfindet, auf diesen Papstbesuch zurück.

Ein weiterer wichtiger Brauch neueren Datums ist das Gangfischschiessen. Dieses wurde 1937 das erste Mal durchgeführt und ist das grösste Winterschiessen in der Schweiz. Es lockt jährlich im Dezember hunderte Schützen nach Ermatingen. Dabei wird auch nach einem speziellen Rezept der Gangfisch gegessen.[6]

Naturschutz

Im Winter lebten die Ermatinger Fischer von der Wasservogeljagd. Natur- und Vogelschutzverbände lancierten nach stetem Anprangern dieser Jagd eine Volksinitiative zu deren Abschaffung. Im folgenden Abstimmungskampf wurde viel Polemik betrieben um diese Jagd, die von Naturschützern „Belchenschlacht“ genannt wurde. Die Initiative wurde 1984 als erste Volksinitiative im Kanton Thurgau überhaupt mit einem knappen Mehr von ca. 1'000 Stimmen angenommen.

Seit dem Winter 1984/1985 ist die Patentjagd, oder die „Jagd des kleinen Mannes“ verboten. Entgegen Versprechungen der Naturschützer wurde darauf hin das Wasservogel-Reservat Ermatinger Becken gefordert und auch geschaffen. Seither begeben sich jeden Winter Tausende von Ornithologen an den Untersee. Ein kulturgeschichtliches Stück der Jagd ist in Form geschnitzten Lockenten erhalten geblieben.[7]

Persönlichkeiten

  • Marie Espérance von Schwartz (1818–1899), deutsch-englische Schriftstellerin (hatte ihren letzten Wohnsitz hier)
  • Konrad Ilg (* 1877 in Ermatingen; †1954), Schweizer Gewerkschafter
  • Ferenc Fricsay (1914–1963), österreichischer Dirigent (hatte von 1952 an seinen Wohnsitz hier, ist auf dem Friedhof in Ermatingen begraben)
  • Ernst Mühlemann (1930–2009), Schweizer Politiker (FDP), Nationalrat
  • Uwe Holy (* 1940), Gründer und Inhaber der Holy Fashion Group (lebt in Ermatingen, im von Herzog & de Meuron erbauten Neubau der Villa Ulmberg)
  • Thomas Ammann (1950–1993), Schweizer Kunstsammler und -händler
  • Marco Werner (* 1966), deutscher Automobilrennfahrer (lebt in Ermatingen)
  • Dirk Müller (* 1975), deutscher Automobilrennfahrer (GT 2) (lebt in Ermatingen)
  • Lucas Luhr (* 1979), deutscher Automobilrennfahrer (DTM) (lebt in Ermatingen)
  • Edward Sandström (* 1979), schwedischer Automobilrennfahrer (DTM) (lebt in Ermatingen)
  • Katherine Legge (* 1980), britische Automobilrennfahrerin (DTM) (lebt in Ermatingen)
  • Alexandre Prémat (* 1982), französischer Automobilrennfahrer (DTM) (lebt in Ermatingen)
  • Oliver Jarvis (* 1984), britischer Automobilrennfahrer (DTM) (lebt in Ermatingen)
  • Susie Stoddart (* 1982), britische Automobilrennfahrerin (DTM) (lebt in Ermatingen)

Literatur

  • Arnold Bosshard, Peter Funk, Alfons Raimann: Ermatingen und Triboltingen TG. Reihe: Schweizerische Kunstführer. Bern, 1988.
  • Cornelia Stäheli: Schloss Wolfsberg bei Ermatingen. Bern 2001.

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Ermatingen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Statistik Schweiz – Bilanz der ständigen Wohnbevölkerung nach Kantonen, Bezirken und Gemeinden
  2. Quelle: Vorarlberger Landesmuseum Bregenz, in: Aufgelistet! Funde von Pfahlbauten am Untersee In: Südkurier vom 9. September 2011
  3. Schienennetz Schweiz. hrsg. 1980 vom Generalsekretariat SBB, Bern, S. 23
  4. Cornelia Stäheli: Schloss Wolfsberg bei Ermatingen. Bern 2001. ISBN 978-3-85782-687-0. [1]
  5. Pierre-Th. Braunschweig: Geheimer Draht nach Berlin. Zürich 1990, 3. Aufl., S. 228
  6. Gangfischessen in der Datenbank von Kulinarisches Erbe der Schweiz.
  7. René E.Honegger: Lockenten vom Untersee – zur Kulturgeschichte der ehemaligen Wasservogeljagd (PDF, 3,5 MB)

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