Erwin Strittmatter

Erwin Strittmatter
Erwin Strittmatter auf der 1. Bitterfelder Konferenz, 24. April 1959

Erwin Strittmatter (* 14. August 1912 in Spremberg; † 31. Januar 1994 in Schulzenhof bei Dollgow) war ein sorbisch-deutscher Schriftsteller, der auf Deutsch schrieb. Er gehört zu den bekanntesten Schriftstellern der DDR.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Erwin-Strittmatter-Gymnasium Spremberg.jpg
Wohnhaus in Senftenberg

Seine Kindheit verbrachte Strittmatter in Bohsdorf nahe Spremberg in der Niederlausitz, wo seine Eltern einen Krämerladen und eine Bäckerei betrieben. Von 1924 bis 1930 besuchte er das Reform-Realgymnasium in Spremberg. Im „Laden“ kann man sein Heimatdorf und Spremberg, bezeichnet als sorbisches Grodk, als Ort der Handlung wiederfinden.

Nach seiner Bäckerlehre war er als Bäckergeselle, Kellner, Hilfsarbeiter und Tierpfleger tätig.

Geprägt durch seine Familie und sein soziales Umfeld, schloss sich Strittmatter noch vor der Zeit des Nationalsozialismus der SPD an.

In Rudolstadt-Schwarza arbeitete er als Facharbeiter bei der Thüringischen Zellwolle AG. Um der gesundheitsgefährdenden Arbeit zu entgehen, bewarb er sich Anfang 1940 bei der Waffen-SS, wurde aber nicht angenommen. Ab 1941 diente Strittmatter in einer Einheit der Ordnungspolizei, die der Waffen-SS unterstellt wurde; dies zog aber nicht automatisch die Mitgliedschaft in der SS nach sich.[1] Diese Zugehörigkeit habe er jedoch Zeit seines Lebens der Öffentlichkeit gegenüber verschwiegen, wie der Literaturwissenschaftler Werner Liersch im Quellenstudium herausfand.[2] Strittmatter soll demnach zwei Spezialausbildungen zur Partisanenbekämpfung absolviert haben. Strittmatter selbst will nach seinen Aussagen an Gewalttaten von SS-Einheiten nicht beteiligt gewesen sein, sondern lediglich als Kompanieschreiber tätig geworden sein.

Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete er als Bäcker und später als Zeitungsredakteur in Senftenberg bei der Märkischen Volksstimme. Strittmatter arbeitete nach 1947 auch als Amtsvorsteher für sieben kleine Gemeinden in der Niederlausitz. Aus zwei gescheiterten Ehen hatte er vier Söhne.

Seit 1954 lebte er in Schulzenhof im Ruppiner Land, wo er als Schriftsteller bis zu seinem Tod arbeitete. Von 1959 bis 1961 war er 1. Sekretär des Deutschen Schriftstellerverbandes.

Grab in Schulzenhof

Das Verhältnis zwischen Erwin Strittmatter und dem Ministerium für Staatssicherheit in der DDR ist umfänglich analysiert und dokumentiert.[3] Von 1958 bis 1964 arbeitete er als Geheimer Informant der Staatssicherheit.[4] 2011 wurde bekannt, dass er - ob durch absichtliches oder versehentliches Untätigsein bleibt offen - im August 1961 (kurz nach dem Mauerbau) verhinderte, dass Günter Grass von der Stasi festgenommen wurde.[5]

Strittmacher befürwortete in den 1970er Jahren laut Stasi-Akte des Schriftstellers Reiner Kunze dessen Ausweisung aus der DDR.[6]

Gedenktafel

Erwin Strittmatter war seit 1956 mit der Dichterin Eva Strittmatter (1930–2011) verheiratet. Sie lebte mit ihm auf Schulzenhof seit 1957. Halldor Laxness, Lew Kopelew, der Gartengestalter Karl Foerster, der Maler Hubertus Giebe gehörten zu ihrem Freundeskreis. Beide zogen vier, davon drei gemeinsame Söhne auf.

1994 starb er in Schulzenhof im Ortsteil Dollgow der Gemeinde Stechlin, wo er auch beigesetzt wurde. Eva Strittmatter wurde 2011 an seiner Seite beigesetzt.

Wirken

1950 erschien sein Erstlingswerk Ochsenkutscher. Bis 1953 arbeitete Strittmatter als Assistent bei Bertolt Brecht am Berliner Ensemble. 1963 erschien Ole Bienkopp; dieser Roman wurde zu einem der meistgelesenen Bücher der DDR. Er stand mit diesem Buch in der damaligen Kulturkritik.

Von 1963 beschäftigte sich Strittmatter neun Jahre lang mit Kurzprosa, man bezeichnet diese Phase, die 1972 mit Wie ich meinen Großvater kennenlernte ihr Ende fand, bisweilen auch als sein novellistisches Jahrzehnt. Strittmatter war nicht nur Schriftsteller der ehemaligen DDR, er schrieb auch nach der Wende 1989 intensiv weiter. Es entstand neben anderen Arbeiten 1992 der letzte Teil der Romantrilogie Der Laden. Mit diesem autobiografischen Roman setzt er der deutsch-sorbischen Mischkultur ein Denkmal. Die Diskreditierung der Sorben durch die Deutschen wird bei Strittmatter sehr plastisch dargestellt. Der Stadt Spremberg und dem Dorf Bohsdorf hinterließ er mit der Romantrilogie Der Laden ein zeithistorisches Bild der 20er, 30er Jahre und der Nachkriegszeit. Wie auch in seinen anderen Werken setzte er sich mit der Entwicklung des Lebens auf dem Lande im Osten Deutschlands, besonders in der Deutschen Demokratischen Republik, sowie mit der sorbischen Problematik in der Niederlausitz auseinander. Diese Trilogie wurde 1998 verfilmt. Strittmatter hatte noch selbst den Regisseur Jo Baier zum Verfilmen angeregt.

Strittmatters Werke wurden in rund 40 Sprachen übersetzt.

Preise

Sonstiges

  • Im Jahre 1994 stiftete das Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg den Erwin-Strittmatter-Preis. Wegen der von Strittmatter Zeit seines Lebens verschwiegenen Zugehörigkeit zur nationalsozialistischen Ordnungspolizei verzichtet die brandenburgische Regierung jedoch auf den Namen Erwin Strittmatters für diesem Preis und verleiht ihn seit dem Jahre 2008 unter dem Namen Brandenburgischer Literaturpreis Umwelt.[7]
  • Am 23. Januar 1996 wurde das Gymnasium Sprembergs durch den Landrat des Spree-Neiße-Kreises Dieter Friese in Erwin-Strittmatter-Gymnasium[8] umbenannt. Die Namensverleihung war sehr umstritten, weil Strittmatter die Schule voller Hass zu dieser verlassen hatte. Letztendlich entschied sich seine Witwe Eva Strittmatter für den Namen. Des Weiteren wurde am 30. Mai 2005 das Gymnasium Gransee nach ihm und seiner Frau in Strittmatter-Gymnasium umbenannt.

Werke

  • Ochsenkutscher (1950)
  • Eine Mauer fällt (1953)
  • Katzgraben (1953)
  • Tinko (1954)
  • Paul und die Dame Daniel (1956)
  • Katzgraben – Szenen aus dem Bauernleben Mit einem Nachspiel (1958)
  • Der Wundertäter (1957, 1973, 1980)
  • Die Holländerbraut (1959)
  • Pony Pedro (1959)
  • Ole Bienkopp (1963)
  • Schulzenhofer Kramkalender (1. Auflage erschien im Aufbau-Verlag 1967)
  • Die Holländerbraut – Schauspiel in fünf Akten (1967)
  • Ein Dienstag im Dezember (1969)
  • 3/4hundert Kleingeschichten (1971)
  • Die blaue Nachtigall (oder Der Anfang von etwas) (1976)
  • Ein Dienstag im September (16 Romane im Stenogramm, 1977)
  • Sulamith Mingedö, der Doktor und die Laus (1977)
  • Meine Freundin Tina Babe (1977)
  • Die Nachtigall-Geschichten (1972, 1977, 1985)
  • Die alte Hofpumpe (1979)
  • Selbstermunterungen (1981)
  • Wahre Geschichten aller Ard(t) (1982)
  • Der Laden (1983, 1987, 1992)
  • Ponyweihnacht (1984)
  • Grüner Juni (1986)
  • Lebenszeit (1987)
  • Die Lage in den Lüften (1990)
  • Der Weihnachtsmann in der Lumpenkiste (2003)
  • Flikka (ca. 1982)
  • Wie ich meinen Großvater kennenlernte
  • Vor der Verwandlung (Erwin & Eva Strittmatter, 1995)
  • Geschichten ohne Heimat (2002)
  • Wie der Regen mit dem See redet (2002)
  • Kalender ohne Anfang und Ende – Notizen aus Piestany (Hrsg. Eva Strittmatter, 2003)
  • Lebenszeit – Ein Brevier (Ausgewählt von Helga Pankoke, mit 85 Privatfotos)
  • Todesangst – Eine Nacht (Ausgewählt von Helga Pankoke, 2005)

Literatur

  • Bernd-Rainer BarthStrittmatter, Erwin. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Ch. Links Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4, Band 2.
  • Günther Drommer: Erwin Strittmatter – des Lebens Spiel. 2000.
  • Angela Hoffmann: Die Individuumskonzeption im epischen Schaffen Erwin Strittmatters, untersucht an Frauenfiguren ausgewählter Romane. Leipzig 1987.
  • Günther Drommer: Erwin Strittmatter und der Krieg unserer Väter. Das Neue Berlin, Berlin 2010, ISBN 978-3-360-01988-2.
  • Nadja M. Karoussa: Expressive sprachliche Mittel und ihre ästhetische Funktion in der Kurzprosa Erwin Strittmatters. Kairo 1976.
  • Eva Strittmatter (Hrsg.): Eine Biographie in Bildern. 2002.
  • Henning Gloege: Der unbekannte Strittmatter. 2007.
  • Jürgen Mannke: Die Wertung des Romanwerkes Erwin Strittmatters durch die Literaturkritik als Paradigma sich verändernder Wertmaßstäbe in der DDR-Literaturgeschichte von 1950–1988. Leipzig 1998.
  • Hermann Precht: Der sozialistische Realismus im Werk Erwin Strittmatters. Marburg/Lahn 1975.

Weblinks

 Commons: Erwin Strittmatter – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Dirk Becker: Erwin Strittmatter: Das unbefragte Schweigen. In: Der Tagesspiegel, 20. Februar 2009. Bericht über einen Vortrag des Historikers Bernd-Rainer Barth, der von der Witwe Strittmatters beauftragt wurde, am 18. Februar 2009 im Berliner Brecht-Haus.
  2. Werner Liersch: Erwin Strittmatters unbekannter Krieg; FAS, Ausgabe vom 8. Juni 2008
  3. Joachim Walther: Sicherheitsbereich Literatur; Berlin: Propyläen Verlag bei Ullstein, 1996
  4. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-9094558.html
  5. Strittmatter «verhinderte» 1961 die Festnahme von Grass
  6. Reiner Kunze: Deckname „Lyrik“; Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuchverlag, 1990; ISBN 9783596108541; S. 72.
  7. Land lässt Name «Erwin Strittmatter» bei Preisverleihung außen vor, Ad Hoc News, 31. Januar 2008
  8. http://www.gymnasium-spremberg.de/

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