Eschenheimer Turm

Eschenheimer Turm
Der Eschenheimer Turm von Nordwesten

Der Eschenheimer Turm war ein Stadttor der spätmittelalterlichen Frankfurter Stadtbefestigung von Frankfurt am Main und ist ein Wahrzeichen der Stadt. In der geschichtsbedingt weitgehend von Nachkriegsarchitektur geprägten Frankfurter Neustadt, heute besser bekannt als Frankfurt-Innenstadt, stellt der Anfang des 15. Jahrhunderts errichtete Turm zudem das älteste und zugleich fast völlig im Originalzustand erhaltene Bauwerk der Frankfurter Innenstadt dar.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Vorgeschichte und topographische Einordnung

Der Eschenheimer Turm 1900, von der Landseite
Zeichnung von Außen- und Innenansichten, etwa 1910
Durchschnitte, 1885
Treppenstufen von 1428
Auf dem Wehrgang
historischer Zwischenboden von 1428
Im Jahr 2009, vor Hochhauskulisse
Im Kaminzimmer
Selbstportrait des Architekten und Bildhauers Madern Gerthener am Torbogen des Eschenheimer Turms

Anfang des 14. Jahrhunderts erreichte die Bebauung der Frankfurter Altstadt allmählich ihre Grenzen. Erwähnungen einzelner Gebäude vor der schützenden, um 1200 errichteten Staufenmauer in den 1320er Jahren bezeugen, wie sehr neuer Baugrund für die schnell wachsende freie Reichsstadt nötig war. Mit Erlaubnis des Kaisers Ludwig IV. kam es dann auch 1333 zur so genannten Zweiten Stadterweiterung, wodurch sich die Fläche des Stadtgebiets verdreifachte und an die bis heute noch gut im Luftbild erkennbaren inneren Grenzen der Wallanlagen vorschob.

Nur zehn Jahre später begann man 1343 mit der Errichtung einer ebenfalls vom Kaiser genehmigten neuen Stadtmauer, um den schlicht Neustadt genannten neuen Stadtteil gegen die in jenen Jahren ständig wie vielfältig drohenden Gefahren abzusichern. Abgesehen von der Zeil, dem Ort des Viehmarkts, und dem Rossmarkt, war er allerdings noch über Jahrhunderte mehr von Gärten und landwirtschaftlicher Nutzung als von einer bürgerlichen Bebauung geprägt.

Obwohl die gesamte neue Verteidigungsanlage über 100 Jahre Bauzeit in Anspruch nahm, war man bereits drei Jahre nach Baubeginn zumindest in dem nordwestlichen Teil so weit vorangeschritten, dass am 11. Oktober 1349 der Grundstein für einen ersten, nur als „rund“ bezeichneten Torturm an der Stelle des späteren Eschenheimer Turms gelegt werden konnte. Am Ausgang der Großen Eschenheimer Straße gelegen, die die neustädtische Verlängerung der neben der Fahrgasse wichtigsten Nord-Süd-Tangente Kornmarkt darstellte, war eine Befestigung an dieser Stelle auch von höchster strategischer Wichtigkeit. Da im städtischen Rechenbuch von 1348 mit „Contze uff Essirsheimer Porten“ schon Ausgaben für einen Turmwächter verzeichnet waren, muss der Bau des Turmes spätestens nach zwei Jahren vollendet gewesen sein, und auch die ansonsten nicht modernen Anforderungen an Quellenbelege genügenden Aussagen Lersners können in diesem Punkt überzeugen.

Ab 1400 errichtete der Zimmermann Klaus Mengoz schließlich einen Ersatzbau für den ersten Torturm. Der Frankfurter Dombaumeister Madern Gerthener vollendete ihn 1426–1428. Als die Stadtmauer 1806–1812 auf preußische Veranlassung abgebrochen und durch die Wallanlagen ersetzt wurde, sollte auch der Eschenheimer Turm wie alle anderen Torbauten abgerissen werden. Auf Einspruch des Gesandten der damaligen französischen Besatzungsmacht, Graf d'Hédouville, blieb er, der bekannteste von rund 60 Türmen der Stadtbefestigung, als Denkmal bestehen. Außer dem Eschenheimer Turm entgingen nur zwei weitere Türme, der Rententurm am Römerberg und der Kuhhirtenturm in Alt-Sachsenhausen, dem Abriss.

Architektur

Der Eschenheimer Turm ist 47 m hoch und hat acht Voll- und zwei Dachgeschosse. Über einem quadratischen Sockelbau, dem eigentlichen Tor, erhebt sich ein Rundturm. Die steile Turmspitze wird von vier kleinen, gleich proportionierten Seitentürmchen begleitet, um sie herum verläuft ein auskragender Wehrgang.

Als stilistisches Vorbild könnte den Baumeistern der 1347 gebaute Adolfsturm in der benachbarten Reichsstadt Friedberg gedient haben, der einen ähnlichen Aufriss besitzt.

Ursprünglich unter einem gotischen Bogen durch ihn, jetzt um ihn herum verläuft die Große Eschenheimer Straße, die sich außerhalb der ehemaligen Befestigung in der Eschersheimer Landstraße fortsetzt. Der Durchlass konnte mit einem Falltor verschlossen werden. Im ersten Obergeschoss wurden Erde und Steine gelagert, um bei einem Angriff den Durchgang zusätzlich zu blockieren. Im zweiten Obergeschoss liegt hinter 2,50 m dicken Mauern die Wohnstube des Turmwächters, die bis 1956 bewohnt wurde. Beide Seiten des Turms tragen in Höhe des zweiten Obergeschosses Wappenreliefs: auf der Stadtseite den silbernen Adler auf rotem Grund, das Wappen der Freien Reichsstadt und auf der Landseite den schwarzen Doppeladler auf goldenem Grund, das Wappen des Kaiserreichs.

Auf der Stadtseite liegt über der Durchfahrt ein überdachter Balkon, auf der Landseite zwei kleine Flankentürmchen. Ein Portraitrelief über dem Eingang zu dem Restaurant an der Stadtseite stellt vermutlich Baumeister Gerthener selbst dar.

Auf der Turmspitze steckt eine eiserne Wetterfahne, in die der Sage zufolge der zum Tode verurteilte und im Turm gefangengehaltene Wilddieb Hans Winkelsee mit neun Schüssen eine perfekte 9 schoss. Der Kunstschuss soll den Rat der Stadt so beeindruckt haben, dass er Winkelsee begnadigte. Die Löcher in der Wetterfahne sind gut zu erkennen, allerdings handelt es sich heute nicht mehr um dieselbe Wetterfahne.

In dem Turm sind große Teile der ursprünglichen Treppenanlage und der Zwischenböden aus der Zeit von 1426 bis 1428 erhalten geblieben.

Beschreibung

Der Turm steht heute inmitten eines weitläufigen, sehr verkehrsreichen Platzes, genannt Eschenheimer Tor.

Unter dem Eschenheimer Tor liegt ein 1963–1968 errichteter U-Bahnhof, dessen Tunnel unmittelbar an den Fundamenten des Turms vorbeiführt. Die Zwischenebene des U-Bahnhofs bot zeitweise die einzige Möglichkeit, als Fußgänger den Platz zu queren oder den Turm zu erreichen. Seit 1992 ist der Eschenheimer Turm, der jahrzehntelang auf einer unerreichbaren Verkehrsinsel stand, wieder von der Fußgängerzone Schillerstraße aus erreichbar. Im Erdgeschoss befindet sich seitdem eine Bar mit Restaurant, auch das Kaminzimmer der Turmwächter wird von dem gastronomischen Betrieb genutzt. Außerdem fand bis zum Dezember 2010 alle drei Monate eine Veranstaltung des Vereins Freunde Frankfurts e.V. im Kaminzimmer statt, bei der die ehemalige Bewohnerin des Turms Ruth Schwarz von der Geschichte des Turms berichtete.[1] Außerdem war eine Besichtigung des Turms bis in Höhe des Wehrgangs möglich.[2] Ruth Schwarz vom Verein Freunde Frankfurts hatte die letzte Renovierung des Turms von 1992 initiiert.[3]

Nach dem Vorbild des Eschenheimer Turms wurde 1853–1856 im Schlosspark Babelsberg in Potsdam der Flatowturm errichtet.

Der Eschenheimer Turm ist Teil des Unternehmenslogos der ehemaligen Henninger Bräu AG, heute als Logo für Henninger Kaiser Pils in der Radeberger Gruppe KG.

Siehe auch

  • Eschenheimer Tor
  • Freunde Frankfurts–Verein zur Pflege der Frankfurter Tradition

Literatur

  • August von Cohausen: Beiträge zur Geschichte Frankfurts im Mittelalter, in: Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst, Bd. 12, Selbstverlag des Vereins in Kommission bei Heinrich Keller, Frankfurt am Main 1869, S. 21–56.
  • Rudolf Jung, Carl Wolff: Die Baudenkmäler von Frankfurt am Main – Band 2, Weltliche Bauten. Selbstverlag/Völcker, Frankfurt am Main 1898, S. 26–41.
  • Bettina Maierhofer: Der kleinste Turm mit der längsten Geschichte. Traditionsbewußt mit einem Augenzwinkern. Der Eschenheimer Turm darf als ältestes Hochhaus der Stadt gelten und ist erstmals beim Wolkenkratzer-Festival dabei. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (Sonderbeilage Wolkenkratzerfestival). 6. Mai 2007, S. B10.
  • Carl Theodor Reiffenstein: Die Wahrzeichen von Frankfurt a. M., in: Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst, Bd. 9, Selbstverlag des Vereins in Kommission bei Heinrich Keller, Frankfurt am Main 1860, S. 288–291.
  • Ruth Schwarz: Der Eschenheimer Turm. Ein Wahrzeichen Frankfurts. Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt am Main 2001, ISBN 978-3782905176.
  • Wolf-Christian Setzepfandt: Architekturführer Frankfurt am Main. 3 Auflage. Dietrich Reimer Verlag, Berlin August 2002, ISBN 3-496-01236-6, S. 8.

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. "Ruth Schwarz nimmt Abschied von ihrem «Törmsche»", Artikel vom 30. November 2010, 21.59 Uhr (letzte Änderung 1. Dezember 2010, 04.08 Uhr) auf fnp.de
  2. Webseite der Freunde Frankfurts - Verein zur Pflege der Frankfurter Tradition e.V.
  3. Ruth Schwarz: Der Eschenheimer Turm. Ein Wahrzeichen Frankfurts. Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt am Main 2001, ISBN 978-3782905176.

Weblinks

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