Eunuchen für das Himmelreich

Eunuchen für das Himmelreich

Eunuchen für das Himmelreich – Katholische Kirche und Sexualität ist ein Bestseller der Theologin Uta Ranke-Heinemann über die Sexualmoral der römisch-katholischen Kirche. Der Titel des Buches leitet sich von einem Vers im Matthäusevangelium (Mt 19,12 EU) ab, der in der Einheitsübersetzung wie folgt lautet: Denn es ist so: Manche sind von Geburt an zur Ehe unfähig, manche sind von den Menschen dazu gemacht und manche haben sich selbst dazu gemacht - um des Himmelreiches willen. Der griechische Originaltext nennt die zur Ehe Unfähigen εὐνοῦχοι (Eunuchen).[1]

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Das 1988 erschienene Buch belegte auf der Liste Jahres-Bestseller 1989 des SPIEGEL bei den Sachbüchern Platz 2 mit 300 000 Exemplaren.[2] Es erscheint mittlerweile in der 25. Auflage. Die Autorin kritisiert u.a. das kirchliche Verbot von Verhütungsmitteln und die seit 1916 von Rom vertretene Position, dass die Frau im Falle eines Kondomverkehrs Widerstand leisten müsse „wie gegenüber einem Vergewaltiger“.[3] Für die Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI. seien Ehefrauen, die sich bei ihren aidsinfizierten Ehemännern anstecken (weil sie das ewige Höllenfeuer fürchten, das laut kath. Kirche als Strafe auf Kondombenutzung folge), „die Märtyrerinnen des Glaubens unseres Jahrtausends“. Siehe dazu das Interview eines BBC-Reporters in BBC World am 7. August 2004 in Afrika mit dem schwarzen katholischen Pfarrer, nach dessen Predigt über Kondome, Höllenfeuer und Märtyrer die Ehefrau eines aidsinfizierten schwarzen jungen Mannes sich infiziert hatte - weil ohne Kondombenutzung -, aus Angst vor dem Höllenfeuer, das der Pfarrer ihr und den anderen Ehefrauen angedroht hatte, und die dann in dieser BBC World Fernsehsendung so untröstlich und so verzweifelt weinte. Dass „die eheliche Keuschheit ihre Märtyrer fordert“ sei seit 3. Juni 1916 die Antwort aus Rom bezüglich Kondomverkehr und werde von den beiden letzten Päpsten besonders betont. Ranke-Heinemann sagte im Schweizer Fernsehen am 11. Januar 2007 unter Bezugnahme auf diese afrikanische Verzweiflungsszene: „Ich klage die beiden letzten Päpste an wegen tödlicher Irreführung der Menschheit und verlange vom Vatikan, allen betroffenen Ehefrauen Afrikas und weltweit die medizinische Versorgung zu finanzieren und ihnen und ihren Familien Schadenersatz zu leisten.“

Auch die Verweigerung einer Eheschließung bei dauernder (= perpetua) Beischlafsunfähigkeit wird von der Autorin kritisiert.[4] Das Kirchenrecht unterscheidet zwischen Beischlafsunfähigkeit (= Unfähigkeit, mittels natürlicher Erektion Sex zu haben = impotentia coeundi) und Zeugungsunfähigkeit (= Unfähigkeit der Weitergabe befruchtungsfähiger Spermatozoen = impotentia generandi). Nur noch bei Beischlafsunfähigkeit, nicht mehr bei Zeugungsunfähigkeit wird seit dem Impotenzdekret von 1977 die Eheschließung verweigert.[5] Was aber für viele Querschnittgelähmte keinerlei Fortschritt bedeutet, da sie sehr wohl zeugungsfähig sind, jedoch keine Erektion mehr haben können. Die Autorin:„Es ist unmenschlich, dass die Kirche bestimmt, ab welchem Grad der Lähmung eine Frau einen Mann nicht mehr lieben darf, ab welchem Grad der Verletzung ein Mann sein Leben einsam zu Ende zu leben gezwungen wird.“

Scharf kritisiert die Autorin Nr. 2357 im Weltkatechismus von 1992.[6] „Gestützt auf die Hl. Schrift, die Homosexualität als schlimme Abirrung bezeichnet“, verweise Papst Johannes Paul II. auf Gen 19,8 EU. Dort sagt Lot, der Neffe Abrahams, zu den Männern von Sodom, die sein Haus stürmen und seinen beiden Gästen „beiwohnen“ wollen: „Seht, ich habe zwei Töchter, die noch keinen Mann erkannt haben. Ich will sie euch herausbringen. Dann tut mit ihnen, was euch gefällt. Nur jenen Männern tut nichts an; denn deshalb sind sie ja unter den Schutz meines Daches getreten.“ Es sei also besser , die eigenen Töchter der Vergewaltigung preiszugeben, als homosexuelle Akte zuzulassen.

Die katholische Kirche habe aus Jesus einen lustlosen und lustfeindlichen Christus der Schlafzimmerkontrolleure und Eheverkehrspolizisten gemacht und sei dabei zu einem Schrumpfchristentum degeneriert. Das Interesse der Päpste gelte seit 1869 vor allem dem Schutz von sekundenalten Embryonen, denn 1869 (Bulle „Apostolicae Sedis“) wurde das Kirchenrecht bezüglich Abtreibung geändert: Abtreibung wird „vom Augenblick der Empfängnis an“ als Mord bezeichnet und hat die Strafe der Exkommunikation zur Folge. Bis 1869 gab es eine Frist von 40 Tagen (Männerbeseelung) bzw. 80 Tagen (Frauenbeseelung) in Anlehnung an die Sukzessivbeseelung (Nach-und-Nach-Beseelung) bei Aristoteles. Aber da es „der Jungfrau Maria unangemessen“ sei, nicht „vom ersten Augenblick an eine vernunftbegabte Seele“ gehabt zu haben, so der Leibarzt des Papstes Innozenz X., Paul Zacchias, im Jahr 1661, wurde diese Frist schließlich 1869 von Pius IX. abgeschafft. „Der Papst geht vor nach dem Motto: Je ungeborener, ja ungezeugter der Mensch, desto mehr ist er zu schützen, je geborener der Mensch, desto mehr muß man ihn unter Umständen umbringen, nämlich außer in gerechten Kriegen auch durch die Todesstrafe. Dass die Todesstrafe laut Weltkatechismus 1992 Nr. 2266; Lat.- Fassung 1997, Nr. 2267 in ‚schwerwiegendsten Fällen‘ zulässig, ja sogar ‚Pflicht‘ ist, ist ein Schock für einen Christen, der Christus ganz anders verstanden zu haben meint.“[7]

Literatur

  • Uta Ranke-Heinemann: Eunuchen für das Himmelreich. Katholische Kirche und Sexualität. Hamburg 1988.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Mt 19,12 NA: εἰσὶν γὰρ εὐνοῦχοι οἵτινες ἐκ κοιλίας μητρὸς ἐγεννήθησαν οὕτως, καὶ εἰσὶν εὐνοῦχοι οἵτινες εὐνουχίσθησαν ὑπὸ τῶν ἀνθρώπων, καὶ εἰσὶν εὐνοῦχοι οἵτινες εὐνούχισαν ἑαυτοὺς διὰ τὴν βασιλείαν τῶν οὐρανῶν.
  2. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-67858293.html - http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13502404.html
  3. Sie schreibt beispielsweise: „Der französische Jesuit und meistgelesene Moraltheologe des 19. Jahrhunderts, Jean-Pierre Gury († 1866), schrieb 1850: ‚In unseren Tagen hat sich die abscheuliche Plage des Onanismus (Coitus interruptus) überallhin ausgebreitet‘ (Leitfaden der Moraltheologie II, S. 705). Gury meint: ‚Eine Frau sündigt schwer, wenn sie ihren Mann, auch indirekt oder schweigend, zum Ehemißbrauch (empfängnisverhütenden Verkehr) verleitet, indem sie über die Kinderzahl, die Geburts- oder Erziehungsmühen jammert oder auch erklärt, daß sie bei der nächsten Geburt sterben werde‘ (ebd. S. 824). Verleiten zum Coitus interruptus darf die Frau den Mann also nicht durch ihre Todesängste, aber muß sie sich ihm widersetzen, wenn er aus sich den Coitus interruptus praktiziert? Am 15. November 1816 antwortete Rom diesbezüglich dem Vikar von Chambéry auf seine Anfrage, daß eine Frau den Verkehr mitvollziehen dürfe, wenn aus ihrer Weigerung ein ernster Nachteil zu gewärtigen sei. (Womit immer Ehebruch seitens des Mannes gemeint war). Diese römische Entscheidung wurde in der Folge radikalisiert: Am 3. Juni 1916 lautete die Antwort aus Rom bezüglich Kondomverkehr, die Frau müsse Widerstand leisten wie gegenüber einem Vergewaltiger ... da die eheliche Keuschheit wie alle christlichen Tugenden ihre Märtyrer fordert‘“ (Eunuchen für das Himmelreich, erweiterte Taschenbuch-Neuausgabe, Heyne, München 2003, Seite 428-432).
  4. impotentia coeundi, CIC 1983, Can. 1084; Eunuchen für das Himmelreich, erweiterte Taschenbuch-Neuausgabe, Heyne, München 2003, Seite 378-385
  5. CIC 1983 c. 1084 § 1; Glaubenskongregation, Dekret vom 13. Mai 1977, AAS 69 (1977) 426: für die Fähigkeit zum ehelichen Akt ist seitens des Mannes nicht erforderlich, befruchtungsfähige Samenflüssigkeit auszustoßen
  6. 2357 Homosexuell sind Beziehungen von Männern oder Frauen, die sich in geschlechtlicher Hinsicht ausschließlich oder vorwiegend zu Menschen gleichen Geschlechtes hingezogen fühlen. Homosexualität tritt in verschiedenen Zeiten und Kulturen in sehr wechselhaften Formen auf. Ihre psychische Entstehung ist noch weitgehend ungeklärt. Gestützt auf die Heilige Schrift, die sie als schlimme Abirrung bezeichnet [Vgl. Gen 19, 1-29; Röm 1,24-27; 1 Kor 6,10; 1 Tim 1,10], hat die kirchliche Überlieferung stets erklärt, "daß die homosexuellen Handlungen in sich nicht in Ordnung sind" (CDF, Erkl. "Persona humana" 8). Sie verstoßen gegen das natürliche Gesetz, denn die Weitergabe des Lebens bleibt beim Geschlechtsakt ausgeschlossen. Sie entspringen nicht einer wahren affektiven und geschlechtlichen Ergänzungsbedürftigkeit. Sie sind in keinem Fall zu billigen (Vgl. dazu auch 2333). http://www.pfarrer.at/katechismus_moral_gebote.htm
  7. 2266 Der Einsatz des Staates gegen die Ausbreitung von Verhaltensweisen, welche die Rechte des Menschen und die Grundregeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens schädigen, entspricht einer Forderung des Schutzes des Gemeinwohls. Die gesetzmäßige öffentliche Gewalt hat das Recht und die Pflicht, der Schwere des Verbrechens angemessene Strafen zu verhängen. Die Strafe hat vor allem das Ziel, die durch das Vergehen herbeigeführte Unordnung wiedergutzumachen. Wird sie vom Schuldigen willig angenommen, gewinnt sie sühnenden Wert. Schließlich hat die Strafe, über die Verteidigung der öffentlichen Ordnung und die Sicherheit der Personen hinaus, eine heilende Wirkung; sie soll möglichst dazu beitragen, daß sich der Schuldige bessert (Vgl. dazu auch 1897, 1899, 2308). 2267 Unter der Voraussetzung, daß die Identität und die Verantwortung des Schuldigen mit ganzer Sicherheit feststehen, schließt die überlieferte Lehre der Kirche den Rückgriff auf die Todesstrafe nicht aus, wenn dies der einzig gangbare Weg wäre, um das Leben von Menschen wirksam gegen einen ungerechten Angreifer zu verteidigen. http://www.pfarrer.at/katechismus_moral_gebote.htm

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