Evangelische Kirchengemeinde Korntal

Evangelische Kirchengemeinde Korntal

Die Evangelische Brüdergemeinde Korntal ist eine selbständige christliche Gemeinde, die als Körperschaft des öffentlichen Rechts in Kooperation mit der Evangelischen Landeskirche in Württemberg seit 1819 in Korntal bei Stuttgart besteht.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Um 1800 gerieten Christen des Pietismus durch die in die Kirche hineinwirkende Aufklärung in schwere Gewissensnöte. Herzog Friedrich II. von Württemberg setzte die neue Richtung in der Kirche mit allen Mitteln durch: Gesangbuch und kirchliche Ordnungen für Taufe und Abendmahl wurden den Gedanken der Aufklärung entsprechend abgeändert. Landesbürger evangelischer Konfession wurden auch mit Geld- und Körperstrafen gezwungen, die neuen Ordnungen anzunehmen. Beamte und Pfarrer, die nicht scharf genug vorgingen, erfuhren „allerhöchste Missbilligung“ oder wurden abgesetzt. Nicht wenige pietistisch gesinnte Bürger Württembergs sahen sich gezwungen, das Wagnis der Auswanderung auf sich zu nehmen. Da die Zahl der Auswanderer explodierte – im Jahr 1817 waren es über 17.000 –, begann man von Regierungsseite über die Folgen eines solchen Verlustes an Bürgern nachzudenken. Diese Situation legte es einem führenden Mann unter den Pietisten, dem Leonberger Notar und Bürgermeister Gottlieb Wilhelm Hoffmann, nahe, dem König und seiner Regierung einen Vorschlag zur Eindämmung dieser Auswanderungswelle zu machen. Nach vielen Verhandlungen wurde nach dem Tod von König Friedrich II. durch König Wilhelm I. von Württemberg dem Vorschlag Hoffmanns entsprochen. 1819 unterzeichnete er die Fundationsurkunde für die Bildung einer Brüdergemeinde auf der Markung Korntal. Inhalt dieser Urkunde war die Erlaubnis, dass sich in der neuen Gemeinde Familien aus Württemberg niederlassen könnten, die in ihrer Religionsausübung frei sein sollten. Das Augsburger Bekenntnis war die Grundlage ihrer religiösen Überzeugung. Im Laufe des Jahres 1819 zogen 68 Familien nach Korntal. Gottlieb Wilhelm Hoffmann gab seine Ämter in Leonberg auf und wurde Vorsteher der Korntaler Gemeinde. Sein Anliegen war der Aufbau einer Gemeinde nach dem Vorbild der neutestamentlichen Gemeinden.

Nach Korntal zuziehen konnten zunächst nur Mitglieder der Brüdergemeinde. Mit der Gründung des Deutschen Reichs 1871 wurden die Korntaler Sonderrechte zum Großteil aufgehoben, das heißt es konnten dann auch Nichtmitglieder der Brüdergemeinde zuziehen. So entwickelte sich stetig eine kleine landeskirchliche evangelische Gemeinde, die aber zunächst von der Nachbarkirchengemeinde Weilimdorf betreut wurde. Die Gründung einer eigenen landeskirchlichen Kirchengemeinde führte erst in den 1950er Jahren zum Erfolg. Am 23. März 1955 wurde die "Evangelische Kirchengemeinde Korntal" gegründet, die heute zum Kirchenbezirk Ditzingen gehört. Seit 1955 bestehen somit in Korntal zwei eigenständige kirchliche Körperschaften des öffentlichen Rechts nebeneinander. Die landeskirchliche evangelische Kirchengemeinde erbaute sich 1958 bis 1959 dann die heutige Christuskirche.

Gemeindeordnung

Die Grundordnung von 1819 formuliert: „Es ist das Bestreben der Brüdergemeinde, eine brüderliche und tätige Gemeinschaft zu sein, die der Urgemeinde möglichst ähnlich ist, zu einer persönlichen Entscheidung für Christus ruft, das Priestertum aller Gläubigen verwirklicht, die anvertrauten Werke der Liebe verwaltet und fördert und für den wiederkommenden Herrn bereit ist. Sie weiß sich mit allen im Glauben verbunden, die sich zu Jesus Christus als ihrem Herrn bekennen.“ Das Gemeindeleben wird von folgenden Grundgedanken geprägt:

  • die Notwendigkeit einer persönlichen Hinwendung zu Jesus Christus
  • die Bedeutung des geistlichen Wachstums in der Nachfolge Jesu, welches durch die Beschäftigung mit der Bibel, die Gemeinschaft der Gemeindegliedern im Abendmahl und Gebet gefördert wird
  • die durch Jesus Christus geschaffene Gemeinschaft mit einem geistlichen Klima der Offenheit und des Vertrauens
  • die seelsorgerliche Verantwortung füreinander, die in gegenseitiger Ermutigung und Ermahnung durch Gottes Wort sichtbar wird
  • der evangelistische und diakonische Lebensstil, durch den andere Menschen ganzheitlich von Jesus Christus und seiner Botschaft erfahren
  • die biblisch begründete Hoffnung auf das ewige Leben und die Wiederkunft Jesu Christi
  • die heilsgeschichtliche Bedeutung des Volkes Israel in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
  • die Form eines gemeinschaftsorientierten Gottesdienstes, in dem die Vielfalt der Gaben in der Einheit zum Ausdruck kommt
  • die Glaubenstaufe oder Säuglingstaufe, der Glaubens- oder Konfirmandenunterricht
  • die Abendmahls-, die Begräbnis- und Auferstehungsfeiern nach den besonderen Gemeindeformen

Einrichtungen

Gemeindearbeit

Die Gemeinde wird vom Brüdergemeinderat geleitet. Ihm gehören nur Männer an. Neben musikalischen Veranstaltungen bestehen etwa 40 Hauskreise.

Diakonische Einrichtungen

Zur Verbesserung der finanziellen Situation wurden eine Reihe von diakonischen Einrichtungen gegründet:

  • 1819 wurde das Knabeninstitut (Höhere Schule und Heim) eingerichtet und 1821 eine ebensolche Einrichtung für Mädchen. Die Schulen wurden später in staatliche Hände übergeben und die Heime aufgegeben.
  • Kindergärten: Kindergarten Gartenstraße; Wilhelm-Götz-Kindergarten

Jugendhilfe

  • 1822/23 entstand das Hoffmannhaus Korntal auf persönliche Initiative Hoffmanns
  • 1827 wurde das „Kleinkinderheim“ Flattichhaus] für die noch nicht schulpflichtigen Kinder eingerichtet.
  • Hoffmannhaus Wilhelmsdorf
  • Johannes-Kullen-Schule
  • Familienzentrum
  • 1831 entstand in Korntal ein Witwenhaus, welches später in das Altenzentrum der Brüdergemeinde überging.

Gottlieb-Wilhelm-Hoffmann-Werk

In diesem Bereich werden die mehr wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe der Gemeinde zusammengefasst. Diese sind:

  • Landschloss Korntal
  • Israelladen
  • Gemeindegalerie

Orientierungsjahr

Für junge Menschen in der Berufsfindungsphase wurde ein Orientierungsjahr als eine 10-monatige Begleitung mit biblischem Unterricht, Betriebspraktika, Gemeindemitarbeit und evangelistischen Einsätzen eingerichtet.

Stiftung

Tochtergemeinde Wilhelmsdorf

Der König wollte die Ausbreitung der Gemeinde nur dann erlauben, wenn ein nationaler Zweck damit verbunden war. So entstand 1826 in Wilhelmsdorf ein landwirtschaftliches Großprojekt mit einer lebendigen Zweiggemeinde.

Quellen

  • Walter Roth: Die Evangelische Brüdergemeinde Korntal. Ein Gemeindemodell des Pietismus in Württemberg
  • Rolf Scheffbuch: Das Gute behalten – Aus den Anfängen Korntals, Eigenverlag, 2001
  • Rolf Scheffbuch: Nicht aus eigener Kraft – Aus den Anfängen Korntals, Eigenverlag, 2003

Weblinks


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