Feinabstimmung

Feinabstimmung

Als Feinabstimmung des Universums wird in der Kosmologie die genaue Abstimmung der Größe von Naturkonstanten in den gegenwärtigen physikalischen Theorien zur Beschreibung des beobachtbaren Universums bezeichnet, die von manchen Kosmologen für notwendig erachtet wird, um die Entstehung von komplexen Systemen wie Sonnensystemen oder menschliche Wesen überhaupt erst zu ermöglichen. Inwieweit eine Feinabstimmung für bestimmte Konstanten tatsächlich existiert und falls ja, ob sie nur ein Artefakt der bisher letztlich unvollständigen physikalischen Theorien ist, ist noch nicht geklärt. Der Begriff „Feinabstimmung“ wird auch kritisiert, da er kein naturwissenschaftlicher Begriff sei, sondern aus den Ingenieurwissenschaften stamme und wegen seiner teleologischen Konnotation irreführend sei.[1] In der englischsprachigen Literatur wird stattdessen oft auch der Begriff „Anthropic Coincidence“ (dt: Anthropische Koinzidenz) verwendet.

Inhaltsverzeichnis

Konstanten, für welche Feinabstimmung postuliert wurde

Für folgende physikalischen Konstanten wird eine mögliche Feinabstimmung diskutiert:[2][3]

Feinabstimmung der Expansionsrate

Nach dieser Ansicht darf die Expansion des Universums einerseits nicht so schwach sein, dass das Universum nach kurzer Zeit wieder kollabiert (kurze Zeit bedeutet hier nach wenigen Jahrmillionen), andererseits nicht so stark bzw. die Materieverteilung nicht so dünn sein, dass die Entstehung von Sonnen und Galaxien verhindert wird. Im ursprünglichen kosmologischen Standardmodell, welches noch nicht die heutige Inflationstheorie integrierte, wird die Expansionsrate allein durch die Massendichte bestimmt, die demnach zu Beginn des Universums auf den winzigen Faktor von 1:1057 genau mit der so genannten kritischen Dichte abgestimmt hat sein müssen, um die Entstehung von Sonnensystemen und Galaxien zu ermöglichen. Einen Ausweg aus dieser Problematik bietet z. B. die Inflationstheorie, wobei man sich allerdings die Frage nach einer eventuellen Feinabstimmung der dort benötigten kosmologischen Konstante einhandelt.

Feinabstimmung der kosmologischen Konstante

Die kosmologische Konstante wurde ursprünglich von Albert Einstein eingeführt, um ein stabiles Universum, welche den Gleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie gehorcht, zu ermöglichen. Durch die Entdeckung Edwin Hubbles, dass unser Universum nicht stabil ist sondern sich ausdehnt, entfiel zunächst die Notwendigkeit einer kosmologischen Konstante und Einstein bezeichnete sie als die größte Eselei seines Lebens.

Die in den 1980ern entwickelte Inflationstheorie und die 1998 gemachte Beobachtung, dass sich unser Universum beschleunigt ausdehnt[4] belebten jedoch erneut das Interesse an der kosmologischen Konstante. Sowohl die Inflationstheorie als auch die beschleunigte Ausdehnung benötigen zur Erklärung eine sogenannte Dunkle Energie, welche eventuell als Vakuumenergie – hervorgerufen durch eine von null verschiedene kosmologische Konstante – interpretiert werden kann. Allerdings müsste in diesem Fall die kosmologische Konstante zu Beginn des Universums direkt nach der „inflationären Phase“ zwar verschieden von Null aber gleichzeitig 1:10120 fach kleiner als ihr heutiger Wert gewesen sein.[5] Dies entspricht einer extrem winzigen Vakuumenergiedichte. Selbst kleinste Abweichungen von diesem Wert würden dazu führen, dass unser heutiges Universum eine stark gekrümmte Raumzeit aufweisen würde und dass Sterne und Planeten nicht möglich wären.[6]

Gerade an diesem Beispiel ist auch ersichtlich, wie die angenommene Feinabstimmung durch modifizierte Theorien verschwinden könnte. So wurden Theorien entwickelt, in denen die Dunkle Energie nicht mehr mit einer gekrümmten Raumzeit verbunden ist, sondern durch ein Skalarfeld – auch Quintessenz genannt – hervorgerufen wird, in denen die kosmologische Konstante und damit auch deren Feinabstimmung verschwindet.[7][8]

Feinabstimmung der Massen von Proton und Elektron sowie Stärken von elektromagnetischer Kraft und starker Kernkraft

Auf Max Born geht die Feststellung zurück, dass wenn Protonenmasse und Neutronenmasse in etwa gleich sind, die Eigenschaften aller atomaren und molekularen Systeme im Wesentlichen durch zwei Parameter bestimmt sind: das Massenverhältnis von Elektron zu Proton sowie die Feinstrukturkonstante, welche die Stärke der elektromagnetischen Wechselwirkung angibt. W.H. Press und A. Lightman haben 1983 diese Feststellung M. Borns erweitert, indem sie gezeigt haben, dass die wesentlichen Eigenschaften der makrophysischen Phänomene im Wesentlichen durch vier Konstanten bestimmt sind:[9] die Elektronenmasse, die Protonenmasse, die Stärke der elektromagnetischen Kraft sowie die Stärke der starken Kraft.

Trägt man das Verhältnis von Elektronmasse zu Protonmasse in einem Diagramm über die Feinstrukturkonstante auf, so kann man nach Tegmark[10] einen lokalen Bereich angeben, außerhalb dessen kein Leben, das dem unseren gleicht, möglich ist. Z. B. würde ein zu großes Massenverhältnis dazu führen, dass wegen zu großer Kernfluktuationen keine stabilen molekularen Systeme existieren könnten, oder im Falle einer zu großen Feinstrukturkonstante keine Sterne existieren könnten. Tegmark schließt jedoch nicht aus, dass es viele derartige lokale Bereiche im Parameterraum geben könne, in denen andersartiges Leben möglich sei.

V. J. Stenger kommt hingegen durch Analysen und Computersimulation, in denen er im Gegensatz zu Tegmark alle vier von Press und Lightman hervorgehobenen Konstanten gleichzeitig variieren lässt, zu dem Ergebnis, dass viel größere Schwankungen der Konstanten erlaubt seien. Analysen von hundert Universen, in denen er die Konstanten zufällig in einem Bereich von zehn Größenordnungen schwanken lässt, führten in mehr als der Hälfte der Fälle zu Sternen mit einer Lebensdauer von mehr als einer Milliarde Jahren.[11] Er schließt, dass man dies kaum Feinabstimmung nennen könne.

Produktion von Kohlenstoff

Oft wird im Zusammenhang mit der Feinabstimmung auch die für die Existenz von kohlenstoffbasiertem Leben notwendige Produktion von Kohlenstoff erwähnt. Dabei bestimmen zum Beispiel die Kernenergie-Niveaus von Beryllium-8 wesentlich, in welchem Ausmaß und wie rasch die Nukleosynthese von Kohlenstoff-12 in den Sternen vonstatten geht (siehe auch Drei-Alpha-Prozess). Dieses Beispiel wurde besonders bekannt durch eine Vorhersage Fred Hoyles aus dem Jahr 1954. Hoyle hatte damals die genaue Lage der Kernenergie-Niveaus von Beryllium auf Basis derer Notwendigkeit zur Produktion von Kohlenstoff und damit von kohlenstoffbasiertem Leben vorhergesagt. Es fragt sich deshalb, ob man die Lage dieses Energieniveau als feinabgestimmt betrachten kann.

Allerdings sind die Lagen der Energieniveaus keine fundamentalen Naturkonstanten, hängen aber von diesen ab. Eine Änderung dieser Niveaus kann nur entweder mit einer Änderung der Naturkonstanten einhergehen oder einer Änderung der zugrunde liegenden physikalischen Theorien. Eine Änderung sowohl der Naturkonstante wie auch der Theorien ändert aber nicht nur die Lage der Kernenergie-Niveaus von Beryllium, sondern auch viele anderen Eigenschaften sowohl von Beryllium als auch von anderen Elementen und es könnten sich möglicherweise andere Reaktionswege hin zu Kohlenstoff auftun, weswegen die Einordnung als Feinabstimmung unklar ist.

‚Feinabstimmung‘ der Dimensionen

Vielleicht nicht eine Feinabstimmung im herkömmlichen Sinn, aber dennoch in diesem Zusammenhang erwähnenswert, ist die Zahl der Dimensionen des Universums. Man geht davon aus, dass ein Universum im Prinzip beliebig viele Dimensionen haben kann. Komplexe Strukturen wie z. B. menschliche Organe sind jedoch nur in mehr als zwei Dimensionen möglich.[12] Und bei einem mehr als dreidimensionalen Universum sind sowohl Atome[13] wie auch Planetenbahnen[14] instabil. Dies gilt allerdings nur für solche Universen, die zwar eine andere Dimension haben als unser Universum, aber deren physikalische Gesetze zu den unsrigen äquivalent sind. Lässt man z. B. wesentlich andere physikalische Bewegungsgesetze zu, so kann nicht ausgeschlossen werden, dass z. B. auch in höherdimensionalen Universen stabile Atome oder Planetenbahnen existieren können.[15] Außerdem wird bei dieser Argumentation davon ausgegangen, dass als Anzahl der Dimension nur natürliche Zahlen in Frage kommen; prinzipiell könnte man auch sogenannte Fraktale Dimensionen in Betracht ziehen. Aber auch, wenn man annimmt, dass als Anzahl der Dimension nur natürliche Zahlen in Frage kommen, wäre selbst bei der Annahme, dass nur in einer vierdimensionalen Raumzeit Leben möglich sei, der Fakt, dass unser Universum tatsächlich vierdimensional ist, wegen dieser kleinen Anzahl von Dimensionen nicht unbedingt etwas sehr Unwahrscheinliches. Im Gegensatz zu kontinuierlichen Parametern gehorchen viele natürliche Phänomene, die durch diskrete Parameter beschrieben werden, so genannten Potenzgesetzen, bei denen kleine Zahlen in der Häufigkeit stark bevorzugt sind.

Vorgeschlagene Erklärungen

Ist eine Erklärung notwendig?

Inwieweit Feinabstimmung überhaupt existiert, ist noch nicht geklärt, und ein allgemein akzeptierter Beweis, dass eine oder mehrere Konstanten feinabgestimmt sind, existiert bisher nicht oder wird gar prinzipiell für unmöglich gehalten.[16] Damit ist auch nicht klar, ob es überhaupt etwas gibt, das einer Erklärung bedarf.

Die Problematik, die Feinabstimmung wirklich nachzuweisen, liegt darin, dass sich die meisten Versuche speziell auf die Voraussetzungen für kohlenstoffbasiertes Leben, welches sich in einem Planetensystem entwickelte, konzentrieren (die Fokussierung auf kohlenstoffbasiertes Leben wird in diesem Zusammenhang auch Kohlenstoffchauvinismus genannt). Oft wird z. B. argumentiert, dass bei Änderungen der Konstanten keine Sterne entstehen würden, die langlebig genug wären, um die Evolution von kohlenstoffbasiertem Leben zuzulassen. Auch wird argumentiert, dass bei einer Änderung der Konstanten kein Kohlenstoff oder sogar überhaupt keine atomaren Strukturen entstehen könnten oder stabil seien. Das Problem in dieser Argumentation liegt darin, dass nicht einmal für die gegebenen Naturkonstanten alle stabilen Strukturen und Umgebungen bekannt sind, welche als Alternative für Kohlenstoff und ein planetares Umfeld als Basis für Leben in Frage kommen – von den neuen Möglichkeiten ganz zu schweigen, die sich für andere Naturkonstanten auftun. Obwohl Silizium nicht die Vielzahl von Verbindungen eingehen kann wie Kohlenstoff, so wird beispielsweise trotzdem diskutiert, ob Leben auf Siliziumbasis möglich ist. Ändert man die Naturkonstanten, so ändern sich auch die Eigenschaften von Silizium und aller anderen Elemente, was die Möglichkeit offen lässt, dass Silizium oder ein anderes Element Eigenschaften erlangt, die denen von Kohlenstoff gleichkommen oder gar überlegen sind, womit es als Lebensbasis dienen könnte. Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass bei Konstantenänderung gänzlich andere nichtatomare (bzw. nichtmolekulare) stabile Strukturen möglich werden, welche in vielfältiger Weise Verbindungen eingehen können und damit als Basis für Leben in Frage kommen. Auch könnten neue stabile Umgebungen möglich werden, welche als Alternative zu einer planetaren Umgebung Raum für die Entwicklung von Leben bieten können.

Angesichts dieser Problematik könnte man versuchen, anstatt einiger speziellen Voraussetzungen für kohlenstoffbasiertes Leben generelle Annahmen zu machen über Voraussetzungen, welche für alle Formen von Leben notwendig sind. So wird beispielsweise das Vorhandensein von Entropiegradienten meist als eine solche grundlegende Voraussetzung für alle Formen von Leben – soweit in naturwissenschaftlichen Begriffen definierbar – angesehen. Könnte man für eine bestimmte Konstante also zeigen, dass bereits bei kleiner Variation keine Entropiegradienten mehr im Universum existieren können (wenn dann beispielsweise nur homogenes, verdünntes Wasserstoffgas existieren könnte), wäre das ein starkes Argument für eine tatsächliche Feinabstimmung dieser Konstanten im Rahmen der gegenwärtigen Standardtheorien. Der Beweis steht allerdings noch aus[17].

Falls die Feinabstimmung bezüglich der gegenwärtigen physikalischen Theorien tatsächlich existieren würde und ein allgemein akzeptierter Beweis dafür vorgelegt würde, müsste allerdings nach einer stärkeren Begründung gesucht werden, da purer Zufall hier allgemein als unbefriedigende Erklärung gilt. Alle potenziellen Erklärungen sind zur Zeit in drei Kategorien unterteilbar, deren Übergänge allerdings fließend sind, und die sich nicht unbedingt gegenseitig ausschließen müssen:

Fundamentalere Theorie ohne feinabgestimmte Konstanten

Nach dieser Vorstellung ist die Feinabstimmung nur scheinbar bzw. ein Artefakt, das daher rührt, dass die gegenwärtigen physikalischen Theorien bekanntermaßen nicht fundamental, sondern nur Annäherungen an eine noch zu entwickelnde fundamentalere physikalische Theorie sind. Nicht das Universum selbst ist auf Leben hin feinabgestimmt, sondern die Theorien sind unvollständig und müssen deswegen feinabgestimmt werden, damit sie das tatsächlich vorhandene lebensfreundliche Universum korrekt beschreiben. Die Feinabstimmung bezieht sich also auf die Theorie und entsteht letztlich durch die Art wie Wissenschaftler ihre Theorien entwickeln und verbessern um sich letztlich der „wahren“ Theorie immer mehr anzunähern. Man kann sie als ein Artefakt auffassen, das zwar tatsächlich auf Schöpfung hindeutet, aber nicht wie z. B. in manchen Formen der teleologischen Erklärung der Schöpfung des Universums durch einen Schöpfer, sondern ganz banal der Schöpfung der Theorie durch einen Wissenschaftler. Da alle wissenschaftlichen Theorien durch intelligente Wesen entwickelt wurden, ist es demnach auch nichts außergewöhnliches, Artefakte in diesen Theorien zu finden, welche darauf hinweisen. Man könnte eventuell bestenfalls erwarten, dass diese Artefakte verschwinden, wenn man die endgültige Theorie gefunden hat. Erst wenn dann immer noch eine Feinabstimmung vorhanden wäre, könnte man schließen, dass sie sich auf das Universum selbst bezieht, und nicht nur auf die Theorie.

Die hohe Anzahl der Konstanten in den gegenwärtigen Theorien wird an sich als unelegant angesehen, und es wird erwartet, dass eine fundamentalere Theorie entweder gar keine oder nur sehr wenige Konstanten aufweisen würde. Mit den Konstanten würde somit auch die Feinabstimmung weitgehend oder vollständig verschwinden. Solch eine grundlegendere physikalische Theorie wäre also notwendig, um diese Frage nach der Feinabstimmung letztendlich zu entscheiden. Im Fall einer fundamentalen Theorie ohne Feinabstimmung würden alle, oder zumindest ein großer Anteil aller möglichen Universen die nötige Komplexität für Leben aufweisen, und nicht nur ein verschwindend kleiner Anteil wie im Fall einer tatsächlichen Feinabstimmung. Als Kandidat für so eine grundlegende Theorie wird unter anderem die Superstringtheorie gehandelt.[18]

Ensemble-Hypothese und Anthropisches Prinzip

Die Feinabstimmung existiert zwar in dem für uns beobachtbaren, lokalen Teil des Universums, ist aber genau genommen kein Zufall. Sie erklärt sich daraus, dass wir nur feinabgestimmte Universen bzw. Teile von Universen beobachten können, da wir nur dort existieren können. Ein vorgegebener Sinn oder ein vorgegebenes Ziel des Universums ist hier zur Erklärung nicht notwendig. Dazu zählt auch die Hypothese des Multiversums: Anstatt eines einzigen (unseres Universums) gibt es sehr viele oder gar unendlich viele Paralleluniversen. Jedes einzelne Universum hat andere physikalische Eigenschaften, und unser Universum ist ‚zufälligerweise‘ in der Lage, Leben zu ermöglichen. Auch wird das Anthropische Prinzip in Verbindung mit einem einzelnen unendlich oder zumindest hinreichend großen Universum, wie es gegenwärtige astronomische Beobachtungsdaten nahelegen, zur Erklärung der Feinabstimmung diskutiert.[19]

Es wurde teilweise vermutet, dass ein Multiversum selbst auch feinabgestimmte Naturkonstanten haben muss, so dass dies nur eine Verlagerung der Fragestellung bedeutet. Dieser Vorwurf der Problemverlagerung lässt sich allerdings genauso auch gegen andere Erklärungen, etwa der teleologischen Erklärung, einwenden. Zudem ist die Feinabstimmung selbst für das beobachtbare Universum noch nicht zwingend nachgewiesen, geschweige denn für ein eventuelles Multiversum, für welches dieser Nachweis separat geschehen müsste. Vielmehr erklärt beispielsweise N.Bostrom, dass ein Multiverum selbst nicht feinabgestimmt sein muss[20].

Teleologische Erklärung

Befürworter dieser Hypothese gehen davon aus, dass das Universum entweder durch ein teleologisches Prinzip oder auch durch ein bewusstes, intelligentes Wesen, z. B. einen Gott im theologischen Sinn, auf ein bestimmtes Ziel hin ausgerichtet sei, sodass das Universum lebensfreundliche Bedingungen aufweise. Es gebe einen zielgerichteten Sinn, der sich möglicherweise aufgrund der Beschränktheit des menschlichen Geistes diesem aber nicht bzw. noch nicht erschließe. Vertreten wird diese Hypothese z. B. vom Theologen Richard Swinburne.[21]

Kritik und Diskurs der teleologischen Erklärung

In diesem Rahmen sollen zwei Argumente gegen die teleologische Erklärung erwähnt und diskutiert werden. Neben Einwänden, welche allgemein die Gültigkeit teleologischer Hypothesen innerhalb von wissenschaftlichen Erklärungen betreffen, gibt es Einwände, welche die Argumentation der Teleologiebefürworter geradezu umkehrt.

  • E. Sober[22], sowie M. Ikeda und B. Jefferys[23] argumentieren so, dass die Annahme eines ansonsten unspezifizierten Schöpfers keine Erklärung für die Feinabstimmung des Universums liefere, da ein solcher auch in einem nicht feinabgestimmten Universum Leben erschaffen könnte. Selbst wenn in einem Universum keine der als feinabgestimmt geltenden Konstanten die richtige Größe hätte, so wäre es für einen Schöpfer, der machtvoll genug wäre Universen zu erschaffen, sicher auch möglich, in diesem ansonsten lebensfeindlichen Universum an einem lokalen Ort für Bedingungen zu sorgen, welche Leben ermöglichen. Oder wenn etwa die Wechselwirkungkonstanten der Kräfte nicht die korrekten Größen hätten, so dass Kohlenstoff-12 nicht auf natürlichem Wege entstehen könnte, so könnte ein solch machtvoller Schöpfer durch einen übernatürlichen Eingriff trotzdem das zum Leben nötige Kohlenstoff-12 entstehen lassen.[24] Wäre das Universum durch einen Schöpfer geschaffen worden, so gäbe es dieser Ansicht nach keinen Grund ein feinabgestimmtes Universum zu erwarten, und demnach bietet die teleologische Hypothese keine Erklärung für eine Feinabstimmung des Universums.
  • M. Ikeda und B. Jefferys führen die Argumentation noch weiter. Für sie ist die Feinabstimmung eine kraftvolle Bestätigung des Naturalismus, d.h der Annahme, dass in unserem Universum alles mit „rechten Dingen“ zugeht, also gesetzesgemäß und ohne übernatürliche Eingriffe. Sie argumentieren, dass gerade eine eventuelle Beobachtung, dass das Universum, in dem wir leben nicht feinabgstimmt und eigentlich für Leben ungeeignet sei, auf einen Schöpfer hinweise. Die Beobachtung der Feinabstimmung hingegen habe aber nur Sinn, wenn sich unser Universum streng gesetzesgemäß verhalte. Nur in diesem Fall sei eine Feinabstimmung wirklich Voraussetzung für Leben. Als Beispiel zur Verdeutlichung kann etwa eine Argumentation Fred Hoyles gelten. Jener konnte 1954 auf Basis der Existenz kohlenstoffbasierten Lebens nur deswegen erfolgreich das Vorhandensein bestimmter zur Produktion von Kohlenstoff-12 notwendigen Kern-Zwischenzustände voraussagen, weil er implizit von einem streng gesetzesgemäß ablaufenden, naturalistischen Universum ausging.
  • Sowohl das Argument Richard Swinburnes, als auch das Argument von M. Ikeda und B. Jefferys benutzen zu ihrer Beweisführung die Bayessche Statistik, welche nicht allgemein akzeptiert ist und z. B. von Vertretern eines objektiven Wahrscheinlichkeitsbegriffes abgelehnt wird. Selbst unter Anhängern der bayesschen Statistik gibt es keine Übereinstimmung darüber, auf welche Art von Hypothesen die bayesche Statistik angewendet werden kann. Einer der bekanntesten Vertreter der bayesschen Statistik, B. de Finetti, schränkt die Anwendbarkeit der bayesschen Statistik z. B. auf solche statistischen Hypothesen ein, welche letztlich empirisch entscheidbar sind.[25]

Quellen

  1. [1]Mark Isaak: What Design Looks Like
  2. John Leslie, Universes, London, Routledge
  3. [2] Anthony Aguirre, The Cold Big-Bang Cosmology as a Counter-example to Several Anthropic Arguments, Physics preprint archive astro-ph/0106143
  4. AG.Riess et al.: OBSERVATIONAL EVIDENCE FROM SUPERNOVAE FOR AN ACCELERATING UNIVERSE AND A COSMOLOGICAL CONSTANTTHE ASTRONOMICAL JOURNAL, 116:1009–1038, 1998 September
  5. V. J. Stenger: Is the Universe fine-tuned for us? Chapter 12 in „Why Intelligent Design Fails“ (Editors: M.Young, T.Edis) Rutgers University Press (2004) ISBN 0-8135-3872-6
  6. Ulrich Walter, Zivilisationen im All – sind wir allein im Universum, 1999, Spektrum Akademischer Verlag GmbH Heidelberg Berlin
  7. Kaganovich A. B.: Quintessence without the fine tuning problem of the potential Nuclear Physics B – Proceedings Supplements, Volume 87, Number 1, June 2000, pp. 496–497
  8. Yungui Gong, Anzhong Wang, Yuan-Zhong Zhang: On curvature coupling and quintessence fine-tuning Europhys. Lett., 74 (5), pp. 930–936 (2006)
  9. Press, W. H., Lightman, A. 1983, „Dependence of Macrophysical Phenomena on the Values of the Fundamental Constants,“ Philosophical Transactions of the Royal Society of London, Series A, 310, pp. 323–336
  10. [3]Max Tegmark: Is “the theory of everything” merely the ultimate ensemble theory? Annals of Physics, 270, 1–51 (1998)
  11. [4] V. J. Stenger: Natural Explanation For The Anthropic Coincidences Philo 3, 50
  12. [5] Public Lectures – Space and Time Warps von Stephen Hawking
  13. Paul Ehrenfest, 1917
  14. Frank R. Tangherlini, 1963
  15. Max Tegmark: Is “the theory of everything” merely the ultimate ensemble theory? Annals of Physics, 270, 1–51 (1998)
  16. [6] V. J. Stenger: Natural Explanation For The Anthropic Coincidences Philo 3, 50
  17. Die Problematik hierbei, neben dem Problem der Definition der Entropie für ein Gesamtuniversum, ist z. B., ob es für ein Universum überhaupt einen stabilen thermodynamische Gleichgewichtszustand gibt. So haben etwa S. W. Hawkins (Commun. Math. Phys Vol.43, 199, 1975) und später J. D. Barrow und F. J. Tipler („Eternity is unstable.“ Nature Vol. 276, 453–459, 1978) gezeigt, dass der Endzustand eines offenen oder flachen Universums instabil ist. Dies ändert das Bild, das die Forschung vom Wärmetod des Universums zeichnete. Wurde bis dahin angenommen, dass sich nach dem Wärmetod keine neuen Strukturen bilden können, keine Entropiegradienten vorhanden sind und ein Zustand der ewigen Ruhe im Universum eingekehrt ist, so ergibt sich nun ein völlig neues Bild vom Wärmetod. Demnach entstehen selbst dort noch ständig neue Strukturen in Form von Raumzeit-Wirbeln, die die Isotropie des Universums mehr und mehr zerstören
  18. [7] G. L. Kane, The Beginning of the End of the Anthropic Principle Physics preprint archive astro-ph/0001197
  19. Nick Bostrom, Anthropic Bias, Observation Selection Effects in Science and Philosophy, Routledge, 2002
  20. "The multiverse itself need not be finetuned." N.Bostrom, "Anthropic Bias." Seite 13.
  21. Richard Swinburn, „Argument from the fine-tuning of the universe.“ In Physical cosmology and philosophy. J. Leslie. New York, Macmillan, 154–173
  22. [8] Sober E. The design argument. In: Manson NA, editor. God and Design: The Teleological Argument and Modern Science. New York: Routledge. p 27–54. (2003)
  23. [9] M. Ikeda, B. Jefferys Anthropic Principle Does Not Support Supernaturalism
  24. Auch nähere Spezifizierung eines Schöpfers etwa durch die deistische Zusatzannahme, nach welcher der Schöpfer nach dem Schöpfungsakt nicht mehr in den Weltenlauf eingriffe, biete keine echte Erklärung, sondern nur eine Verlagerung der Feinabstimmungsproblematik ins Metaphysische. Aus der Frage „Warum ausgerechnet dieses eine spezielle feinabgestimmte Universum aus der scheinbar unendlichen Anzahl aller möglichen nicht-feinabgestimmten Universen?“ würde dann die Frage „Warum ausgerechnet dieser spezielle deistische Designer aus der scheinbar unendlichen Anzahl aller möglichen nicht-deistischen Designer?“.
  25. W.Stegmüller, Probleme und Resultate der Wissenschaftstheorie und Analytischen Philosophie. Band IV, Personelle und statistische Wahrscheinlichkeit, 1973

Weblinks

Literatur

  • S. G. Karshenboim, E. Peik, Astrophysics, Clocks and Fundamental Constants. Springer 2007, ISBN 3-540-21967-6.

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