Felix Deutsch

Felix Deutsch
Felix Deutsch (1928)

Felix Deutsch (* 16. Mai 1858 in Breslau; † 19. Mai 1928 in Berlin) war ein deutsch-jüdischer Industrieller und Mitbegründer der AEG.

Inhaltsverzeichnis

Berufsleben

Felix Deutsch wurde zum Kaufmann ausgebildet und trat mit 15 Jahren bei der Firma W. Heimann in Breslau, Hersteller von Zuckerfabrikationsmaschinen, ein und reiste für diese Firma durch Deutschland, Polen und Österreich.

1882 erfolgte ein Wechsel in die Bank des Jakob Landau zu Berlin. Nach 5 Monaten schon hatte er die Rositzer Zuckerfabrikation auf den modernsten Stand der Technik gebracht und wurde zum Direktor der Fabrik auserkoren. Dies behagte ihm jedoch nicht und so trat er nach der Bekanntschaft mit Emil Rathenau, der gerade eine Studiengesellschaft für die Auswertung der Glühlampen gegründet hatte, im April 1883 als Prokurist bei der nun entstandenen Deutschen Edison-Gesellschaft ein, aus der sich die Allgemeine Electricitäts-Gesellschaft (AEG) entwickelte, bei der er zwei Jahre später Direktor war. 1901 wurde er in die Gesellschaft der Freunde aufgenommen.

Nach Emil Rathenaus Tod 1915 übernahm er den Vorsitz des Direktoriums und später den Vorstandsvorsitz der Gesellschaft. Er entwickelt in seiner Laufbahn als entscheidende Schöpfung für das Geschäftsgebaren des gesamten Konzerns die Verkaufsorganisation der AEG im In- und Ausland.

Innerhalb des Managements galt er als Rivale von Emil Rathenaus ebenfalls in die AEG eingetretenen Sohn Walther Rathenau, der Lily Deutsch nach dem damals beliebten Muster Goethe - Charlotte von Stein verehrt hat. Die Freundschaft beruhte auf Gegenseitigkeit, und so war Lily Deutsch nach Rathenaus Ermordung eine der Quellen des Harry Graf Kessler bei der Erstellung von Rathenaus Biographie gewesen.

1921 verlieh die Karlsruher Technische Hochschule Felix Deutsch die Ehrendoktorwürde, die Kölner Universität zog mit einem Ehrendoktortitel der Staatswissenschaftlichen Fakultät nach. Außerdem war er Ehrenbürger der Technischen Universität Berlin, Vorstand zahlreicher technischer und wirtschaftlicher Vereinigungen, langjähriges Mitglied der Berliner Handelskammer und Mitglied des Reichswirtschaftsrates.

Veröffentlichungen

  • Was haben die Angestellten von den Socialisten zu erwarten? (1919)
  • Zeitgeschichtliche Aufsätze über wirtschaftliche Fragen

Familie

Felix Deutsch kam als drittes Kind des Kantors Moritz Deutsch und Amalie Ausch aus Breslau zur Welt.

Am 17. Oktober 1893 heiratete Felix Deutsch in Mannheim Franziska „Lily“ Kahn, Tochter von Bernhard Kahn und der Emma Eberstadt aus Mannheim.

Das Paar hatte drei Kinder:

  • Gertrud Deutsch (* 27. September 1894 in Berlin; † im Mai 1940 in Ostende), verheiratet mit dem Komponisten und Dirigenten Gustav Brecher (* 5. Februar 1879 in Eichwald bei Töplitz; † im Mai 1940 in Ostende, gemeinsamer Selbstmord, um der Verschickung in ein Konzentrationslager zu entgehen[1])
  • Frank Gerhart Deutsch (* 1899 in Berlin; † im September 1934 in Ivry-en-Montagne), verheiratet mit der Schauspielerin Maria Ley (* 1. August 1898 in Wien; † 14. Oktober 1999 in New York), die später den Regisseur Erwin Piscator heiratete.
  • Georg Felix Deutsch (* 5. April 1901 in Berlin; † 15. Juli 1957 in London, verheiratet mit Julia Holzapfel, später Ward.

Die Familie wohnte in einem herrschaftlichen Haus in Berlin W10, Rauchstr. 16. In Mittelschreiberhau im Riesengebirge baute sich die Familie einen Landsitz in unmittelbarer Nähe des Landhauses des Schriftstellers Gerhart Hauptmann, mit dem man eine intensive Freundschaft pflegte.

Lily Deutsch führte einen großen Salon. Dort trafen sich die bedeutendsten Persönlichkeiten der Finanzwelt, der Industrie, des Handels, der Politik und Diplomatie, wie auch der Künste und Wissenschaften. Unter anderen war der päpstliche Nuntius Pacelli, der spätere Papst Pius XII. willkommener Gast. Lily Deutsch förderte so bekannte Künstler wie Richard Strauss, der während seiner Berlin-Aufenthalte oft bei Deutschs wohnte und verkehrte eng mit Maximilian Harden und Walther Rathenau. Mit ihrem Bruder Otto Hermann Kahn [1] ermöglichte sie die Herausgabe der gesammelten juristischen Abhandlungen ihres früh verstorbenen Bruders Franz Kahn.

Felix Deutsch starb in Berlin und wurde auf dem jüdischen Friedhof in Breslau neben seinen Eltern begraben.

Die Familie Deutsch und ihre Bedeutung für Deutschland galt nichts mehr, als die Nationalsozialisten an die Macht gekommen waren. An ihren Sohn Georg in England schrieb Lily Deutsch 1939 von dem „schweren Dunkel der Gegenwart“, kurz bevor sie die Ausreisepapiere beieinander hatte und mit ihrer Tochter Gertrud und deren Ehemann Gustav Brecher nach Belgien emigrieren konnte. In Ostende warteten sie im Hotel auf ihren wertvollen Besitz, der nach Luxemburg gegangen, ihnen aber nicht ausgehändigt worden war. Unterstützt wurden sie in dieser Zeit von Addie Kahn, ihrer Schwägerin aus New York. Die letzte Nachricht von ihnen war eine Postkarte an Freunde in der Schweiz vom 27. April 1940. Seit dem Einmarsch der deutschen Truppen gelten sie alle als verschollen.

Literatur

  • Mary Jane Matz: The many lives of Otto H. Kahn. New York: Pendragon Press 1963.
  • Friedrich Mörtzsch: Deutsch, Felix. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 3, Duncker & Humblot, Berlin 1957, S. 623 f.
  • Wilderotter, Hans (Hg.): Die Extreme berühren sich - Walther Rathenau 1867 - 1922; Eine Ausstellung des Deutschen Historischen Museums in Zusammenarbeit mit dem Leo Baeck Institut, New York. Argon, Berlin, 1993 (Familien Eberstadt, Kahn, Deutsch, Jonas, Pollack) darin: Schulin, Ernst: Walther Rathenaus Diotima; Lily Deutsch, ihre Familie und der Kreis um Gerhart Hauptmann (S. 55-66).
  • John Kobler: Otto The Magnificent. The Life of Otto Kahn. Charles Scribner's Sons, New York: MacMillan Publishing Company 1988.
  • Dr. Irmgard Leux-Henschen: Nachlass Kahn. Forschungen zur Frage der Herkunft der Musikalität in der Familie Robert Kahn. Staatsbibliothek Preussischer Kulturbesitz, Musikabteilung, Berlin.
  • Thomas Irmer: »Es wird der Zeitpunkt kommen, wo das alles zurückgezahlt werden muss«. Die AEG und der Antisemitismus, in: Biggeleben, Christof/Schreiber, Beate/Steiner, Kilian J.L. (Hrsg.): „Arisierung“ in Berlin“, Berlin 2007, S. 121-149.
  • Stadtarchiv Mannheim
  • Dr. Felix Deutsch zum 70. Geburtstag. AEG-Rundschau am 16. Mai 1928
  • Christof Eberstadt, eigene Forschung

Einzelnachweise

  1. Lexikon des Judentums, Bertelsmann-Lexikon-Verlag, Gütersloh 1971, ISBN 3-570-05964-2, Sp. 117

Weblinks


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