Al-Andalus

Al-Andalus
Al-Andalus um 910

Al-Andalus (arabisch ‏الأندلس‎) ist der arabische Name für die zwischen 711 und 1492 muslimisch beherrschten Teile der Iberischen Halbinsel.[1] Staatsrechtlich war al-Andalus nacheinander eine von Kalif Al-Walid I. begründete Provinz des Umayyaden-Kalifats (711–750), das Emirat von Córdoba (um 750–929), das Kalifat von Córdoba (929–1031), eine Gruppe von „Taifa“-(Nachfolger-)Königreichen und eine Provinz in den Reichen der nordafrikanischen Berber-Dynastien der Almoraviden und dann der Almohaden; schließlich zerfiel es wiederum in Taifa-Königreiche. Während langer Perioden, vor allem zur Zeit des Kalifats von Córdoba, war al-Andalus ein Zentrum der Gelehrsamkeit. Córdoba wurde ein führendes kulturelles und wirtschaftliches Zentrum sowohl des Mittelmeerraums als auch der islamischen Welt.

Schon ab dem frühen 8. Jahrhundert stand al-Andalus in Konflikt mit den christlichen Königreichen im Norden, die ihr Herrschaftsgebiet im Rahmen der Reconquista militärisch ausweiteten. 1085 eroberte Alfons VI. von Kastilien Toledo, womit ein allmählicher Abstieg von al-Andalus einsetzte. Schließlich blieb nach dem Fall von Córdoba 1236 das Emirat von Granada als letztes muslimisch beherrschtes Gebiet im heutigen Spanien übrig. Die portugiesische Reconquista endete mit der Eroberung der Algarve durch Alfons III. 1249/1250. Granada wurde 1238 tributpflichtig an das von Ferdinand III. regierte Königreich Kastilien. Schließlich übergab der letzte Emir Muhammad XII. am 2. Januar 1492 Granada an Ferdinand II. von Aragonien und Isabella von Kastilien, Los Reyes Católicos (die „Katholischen Könige“), womit die muslimische Herrschaft auf der Iberischen Halbinsel ihr Ende fand.

Inhaltsverzeichnis

Etymologie von Al-Andalus

Die Etymologie des Wortes „al-Andalus“ ist umstritten. Als Name für die Iberische Halbinsel oder deren muslimisch beherrschten Teil ist das Wort zuerst belegt durch Münzinschriften der muslimischen Eroberer um 715.[2][3]

Vertreter der traditionellen Theorie leiten den Namen von der Bezeichnung der Vandalen ab, des germanischen Stammes, der in Iberien von 409 bis 429 ein kurzlebiges Reich errichtete. Allerdings gibt es hierfür keine Quellenbelege, und es erscheint wenig glaubhaft, dass sich der Name über fast drei Jahrhunderte bis zur Ankunft der Araber 711 erhalten haben soll. Die Hypothese wird manchmal auf Reinhart Dozy, einen Orientalisten des 19. Jahrhunderts, zurückgeführt,[4] aber Dozy fand sie vor und erkannte bereits manche ihrer Schwächen. Zwar nahm er an, dass sich „al-Andalus“ aus „Vandale“ entwickelte, doch meinte er, dass sich die Bezeichnung geographisch nur auf den – unbekannten – Hafen bezog, von dem die Vandalen Iberien in Richtung Afrika verließen.[3]

Auch der Islamwissenschaftler Heinz Halm hat eine germanische Namensherkunft vermutet. Ihm zufolge sei al-Andalus die alte gothica sors.[5] Er rekonstruiert aus dem vermuteten gotica sors ein gotisches landa-hlauts, dessen anlautendes <l> analog zu Alexandria (al-Iskandariyya), der Lombardei (al-Ankubardiyya), Alicante (lateinisch Leucante, arab. al-Laqant oder Madinat Laqant) etc. von den Arabern als Teil des Artikels al- fehlgedeutet wurde. Dem hat der Romanist Georg Bossong mit toponymischen (ortsnamenkundlichen), historischen und sprachstrukturellen Argumenten widersprochen. Er meint, dass der Name bereits aus vorrömischer Zeit stammt,[3] denn es gibt den Namen Andaluz für mehrere Orte in gebirgigen Teilen Kastiliens.[6] Weiterhin ist das Morphem and- in spanischen Ortsnamen nicht unüblich, und auch das Morphem -luz tritt mehrmals verteilt über Spanien auf. Dem ist allerdings zu entgegnen, dass die Ortsnamen mit -andaluz im Namen auch aus dem Mittelalter stammen und von al-Andalus abgeleitet worden sein können. Es war im Zuge der Repoblación nicht unüblich, christliche Andalusier in den Grenzgebieten anzusiedeln. Auch der Romanist Volker Noll widersprach der These Halms und stellte Überlegungen an, die zur Vandalen-Hypothese zurückkehrten.[7]

Nach einem anderen Vorschlag ist „Andalus“ der arabische Name von „Atlantis“. Diese Hypothese wurde neuerdings von dem spanischen Historiker Vallvé aufgegriffen, weil er sie für phonetisch plausibel hält und sie verschiedene toponymische Sachverhalte erklären würde.[8] Diese Annahme ist allerdings spekulativ, da Quellenbelege fehlen. Im heutigen Standard-Arabisch ist aṭlāntis der Name von „Atlantis“.

Geschichte

Eroberung und frühe Jahre

Das Invasionsheer von 711 bestand aus Arabern und (wohl größtenteils) aus nordafrikanischen Berbern.

Das Zeitalter der Kalifen
  • Prophet Mohammed, 622–632
  • Die „rechtgeleiteten“ Kalifen, 632–661
  • Umayyaden-Kalifen, 661–750

Auf Befehl des Umayyaden-Kalifen Al-Walid I. führte Tariq ibn Ziyad zunächst einen kleinen Trupp von Kriegern nach Iberien, die am 30. April 711 in Gibraltar landeten (siehe auch Islamische Expansion). Tariq ibn Ziyad konnte in der Schlacht am Rio Guadalete (19. bis 26. Juli 711) einen Sieg über das westgotische Heer unter König Roderich erzielen, der sich als entscheidend für den weiteren Verlauf der Auseinandersetzung erwies. Er brachte sodann in einem siebenjährigen Feldzug den größten Teil der Iberischen Halbinsel unter muslimische Kontrolle. Nach der Einnahme der gesamten Iberischen Halbinsel überquerten die muslimischen Truppen schließlich auch die Pyrenäen und besetzten Teile von Südfrankreich. 732 wurden sie aber von den Franken unter Karl Martell in der Schlacht von Tours besiegt.

Damit wurde die Iberische Halbinsel unter dem Namen al-Andalus Teil des Umayyaden-Reichs, das hierdurch den Höhepunkt seiner Expansion erreichte. Allerdings begann schon 718 in einer entlegenen Berggegend Asturiens die Rebellion des vornehmen Westgoten Pelayo, die zur Gründung des zunächst sehr kleinen christlichen Königreichs Asturien führte.

Zunächst wurde al-Andalus durch vom Kalifen ernannte Statthalter regiert, deren Herrschaft zumeist weniger als drei Jahre andauerte. Jedoch führte eine Folge von kriegerischen Auseinandersetzungen verschiedener muslimischer Gruppen dazu, dass die Kalifen ihre Kontrolle verloren. Yusuf al-Fihri konnte, auch begünstigt durch die Schwäche der Umayyaden-Kalifen, sich als Hauptgewinner dieser Auseinandersetzungen durchsetzen und wurde zu einem faktisch unabhängigen Herrscher.

Das Emirat und das Kalifat von Córdoba

Das Innere der Kathedrale von Córdoba, der früheren Moschee von Córdoba. Sie wurde auf dem Grund der westgotischen Sankt Vinzenz-Kathedrale von den Umayyaden errichtet und im 13. Jahrhundert wieder zur christlichen Kathedrale bestimmt. Die Moschee ist ein herausragendes Beispiel arabisch-islamischer Architektur des Umayyaden-Stils.

Im Jahr 750 stürzten die Abbasiden die Umayyaden und übernahmen die Herrschaft im Arabischen Reich. Jedoch konnte der von den Abbasiden vertriebene Umayyaden-Prinz Abd ar-Rahman I. (später Al-Dākhil genannt) im Jahr 756 Yusuf al-Fihri als Herrscher von al-Andalus entmachten und sich zum von den Abbasiden unabhängigen Emir von Córdoba erheben. In dreißigjähriger Herrschaft etablierte er gegen den Widerstand der al-Fihri-Familie und der Parteigänger der Abbasiden-Kalifen eine fragile Kontrolle über große Teile von al-Andalus.

In den folgenden 150 Jahre waren er und seine Nachkommen Emire von Córdoba und herrschten nominell über al-Andalus und zeitweise auch Teile des westlichen Nordafrika. Aber der Umfang ihrer tatsächlichen Herrschaft schwankte und hing, insbesondere in den Marken an der Grenze zu den Christen, immer von den Fähigkeiten des jeweiligen Emirs ab. So reichte die Macht von Emir Abdallah um 900 nicht über Córdoba hinaus. Dessen Enkel und Nachfolger Abd ar-Rahman III. konnte aber ab 912 die Macht der Umayyaden in ganz al-Andalus wieder herstellen und sie darüber hinaus auf das westliche Nordafrika ausdehnen. Im Jahr 929 proklamierte er sich zum Kalifen und brachte das Emirat damit in eine Konkurrenz sowohl zu dem Abbasiden-Kalifen in Bagdad, als auch dem schiitischen Kalifen in Tunis, mit dem er um die Kontrolle Nordafrikas rang.

Das Kalifat von Córdoba um 1000 am Höhepunkt der Macht von Al-Mansur.
Das Kalifat zerbrach 1031 in eine Vielzahl von taifa-Staaten (die in weiß, rot, gelb und dunkelblau dargestellten nördlichen Gebiete waren christliche Herrschaften).
Seite eines Koran-Manuskripts im für al-Andalus typischen Maghribi-Duktus (12. Jahrhundert)

Die Periode des Kalifats wird von muslimischen Autoren als das goldene Zeitalter von al-Andalus betrachtet. Mit einem künstliche Bewässerungssysteme nutzenden Ackerbau sowie aus dem Nahen Osten importierten Nahrungsmitteln versorgte die Agrarwirtschaft Córdoba und andere Städte weit besser, als dies die Wirtschaft in anderen Gebieten Europas konnte. Unter dem Kalifat wurde Córdoba mit einer Bevölkerung von vielleicht 500.000 Einwohnern schließlich die größte und wohlhabendste Stadt in Europa noch vor Konstantinopel.[9] Innerhalb der islamischen Welt war Córdoba eines der führenden kulturellen Zentren. Die Werke seiner wichtigsten Philosophen und Wissenschaftler, insbesondere Albucasis und Averroes hatten erheblichen Einfluss auf die intellektuelle Entwicklung des mittelalterlichen Europa, und die Bibliotheken und Universitäten von al-Andalus waren in Europa und in der islamischen Welt berühmt und renommiert. So kamen nach der Eroberung von Toledo im Jahr 1085 Gelehrte aus anderen Ländern dorthin, um Übersetzungen wissenschaftlicher Literatur aus dem Arabischen ins Lateinische anzufertigen. Der bekannteste von ihnen war Michael Scotus (um 1175 – um 1235), der die Werke von Averroes und Avicenna später nach Italien brachte. Dieser Wissenstransfer hatte starken Einfluss auf die Entstehung der Scholastik im christlichen Europa.

Die erste Taifa-Periode

Hauptartikel: Taifa-Königreich

Die Herrschaft des Kalifats von Córdoba brach durch einen ruinösen Bürgerkrieg zusammen, der von 1009 bis 1013 dauerte. Im Jahr 1031 wurde das Kalifat schließlich auch formal abgeschafft. Al-Andalus zerbrach in mehrere, im Wesentlichen unabhängige Staaten, die Taifas genannt wurden. Diese waren meist zu schwach, um sich gegen die ständigen Angriffe und Tributforderungen der christlichen Staaten im Norden und Westen zu wehren.[10] Diese von den Muslimen so genannten galizischen Völker hatten sich von ihren ursprünglichen Stützpunkten in Galicien, Asturien, Kantabrien, dem Baskenland und der fränkischen spanischen Mark ausgebreitet und wurden zu den Königreichen von Navarra, León, Portugal, Kastilien und Aragon sowie der Grafschaft Barcelona. Die Angriffe entwickelten sich schließlich zu Eroberungen, die die Taifa-Könige am Ende dazu zwangen, die islamischen Herrscher des Maghreb um Hilfe zu ersuchen. Im Jahr 1086 baten die muslimischen Fürsten Iberiens den Almoraviden-Herrscher von Marokko Yusuf ibn Taschfin um Unterstützung bei der Verteidigung gegen Alfons VI. von Kastilien und León. Yusuf ibn Taschfin überquerte noch im gleichen Jahr die Straße von Gibraltar und fügte den Christen in der Schlacht bei Zallaqa eine schwere Niederlage zu. Dieser Schritt richtete sich auch in der Folge gegen die Taifa-Könige selbst, als die Almoraviden ihre Königreiche eroberten, nachdem sie sich nach dem Sieg über Alfons VI. von Kastilien nicht einig zeigten.

Almoraviden, Almohaden und Meriniden

Yusuf ibn Taschfin setzte mit Ausnahme von Saragossa bis 1094 alle muslimischen Fürsten in Iberien ab und annektierte ihre Gebiete. Zudem eroberte er Valencia von den Christen zurück. Im 12. Jahrhundert folgten auf die Almoraviden die Almohaden, eine andere Berber-Dynastie, nachdem Yaqub al-Mansur den kastilischen König Alfons VIII. im Jahr 1195 in der Schlacht bei Alarcos besiegt hatte. Im Jahr 1212 unterlagen die Almohaden jedoch in der Schlacht bei Las Navas de Tolosa einem Bündnis der christliche Königreiche unter Führung von Alfons VIII. von Kastilien. Die Almohaden regierten al-Andalus noch für ein weiteres Jahrzehnt, waren aber nur noch ein Abglanz früherer Macht und Bedeutung, und die inneren Unruhen nach dem Tod von Yusuf II. al-Mustansir führten zur baldigen Wiederbegründung der Taifas. Die Taifas, wieder unabhängig aber weiterhin schwach, wurden bald von Portugal, Kastilien und Aragon erobert. Nach dem Fall von Murcia (1243) und der Algarve (1249) gab es als einziges muslimisch beherrschtes Gebiet noch das Emirat von Granada, das aber tributpflichtig gegenüber Kastilien wurde. Dieser Tribut wurde überwiegend in Gold geleistet, das über die Handelswege in der Sahara aus dem heutigen Mali und Burkina Faso nach Iberien gebracht wurde.

Die letzte ernsthafte Bedrohung für die christlichen Königreiche Iberiens war der Aufstieg der Meriniden in Marokko im 13./14. Jahrhundert. Sie betrachteten Granada als Teil ihrer Einflusssphäre und besetzten einzelne seiner Städte, unter anderem Algeciras. Sie waren jedoch nicht in der Lage, Tarifa zu erobern, das im Jahr 1340 bis zur Ankunft einer kastilischen Armee unter Alfons XI. aushielt. Mit Unterstützung von Alfons IV. von Portugal und Peter IV. von Aragon besiegte Alfons XI. die Meriniden entscheidend in der Schlacht am Salado im Jahr 1340 und nahm Algeciras im Jahr 1344 ein. Gibraltar, zu dieser Zeit unter der Herrschaft Granadas, wurde 1349–1350 belagert, bis Alfons XI. dort mit einem Großteil seines Heeres vom Schwarzen Tod dahin gerafft wurde. Sein Nachfolger Peter I. von Kastilien schloss Frieden mit den Muslimen und richtete seine Ambitionen auf christliche Gebiete. Die Kriege und Rebellionen zwischen und in den christlichen Territorien während der folgenden 150 Jahre sicherten zunächst das Fortbestehen des muslimischen Granada.

Das Emirat von Granada

Hauptartikel: Emirat von Granada

In den auf den Friedensvertrag mit König Peter I. von Kastilien folgenden 150 Jahren bestand Granada als muslimisches Emirat unter der Dynastie der Nasriden fort, das den muslimischen Bewohnern seines Gebiets die Freiheit der Religionsausübung gewährleistete. Arabisch war weiterhin seine Amtssprache und die Muttersprache der Mehrheit seiner Bewohner. Das Emirat verband die Handelswege Europas mit denen des Maghreb und vermittelte so Handelsbeziehungen zur muslimischen Welt, insbesondere im Goldhandel mit den Gebieten südlich der Sahara.

Die Heirat von Ferdinand von Aragón und Isabella von Kastilien im Jahr 1469 bereitete den Weg für den letzten Angriff auf den Rest des muslimischen Iberien, einen sorgsam geplanten und finanzierten Feldzug. Das Königspaar brachte auch den Papst dazu, ihren Feldzug zu einem Kreuzzug zu erklären, dem schließlich Granada im Januar 1492 unterlag, als der letzte Emir Muhammad XII. Abu Abdallah, genannt Boabdil, in seiner Festung, der Alhambra, vor ihnen kapitulieren musste. Damit war die letzte muslimische Herrschaft in Iberien gefallen und die Reconquista vollendet.

Gesellschaft

Die Gesellschaft von al-Andalus setze sich hauptsächlich aus drei Religionsgruppen zusammen: Christen, Muslime und Juden. Die Muslime teilten sich wiederum in mehrere ethnische Gruppen auf, deren größte die Araber und die Berber waren. Als Mozaraber wurden Christen bezeichnet, die sich kulturell teilweise der muslimischen Dominanz assimiliert hatten, etwa durch Übernahme von arabischen Gebräuchen, arabischer Kunst und arabischen Ausdrücken, dabei aber ihren christlichen Glauben mit seinen Ritualen und ihre romanischen Sprachen beibehalten hatten. Üblich waren eigene Viertel der verschiedenen Gruppen in den Städten von al-Andalus.

Eine Darstellung aus späterer Zeit, die jüdische Soldaten zeigt, welche auf Seiten der Truppen von Muhammad IX., dem nasridischen Emir von Granada, in der Schlacht von La Higueruela gegen Johann II. (Kastilien) im Jahr 1431 kämpfen.

Die Berber, die den Hauptteil der muslimischen Invasoren gestellt hatten, lebten vorwiegend in den bergigen Regionen im heutigen nördlichen Portugal und in der Meseta, dem kastilischen Hochland, während sich die Araber im Süden sowie im Ebrotal im Nordosten ansiedelten. Seit dem Kalifat von Córdoba wurde eine Berufsarmee unterhalten, indem man vermehrt auf die sog. Saqāliba zurückgriff. Diese waren hauptsächlich dem Herrscher verpflichtet und für Machtkämpfe kaum zu gebrauchen. Allerdings waren sie nur schwer in die Bevölkerung zu integrieren, da sie im Land nicht verwurzelt waren. Bei der Eroberung der Halbinsel wurde das Land der ursprünglichen Besitzer nicht verkauft, sondern blieb in ihrem Besitz, sofern sie nicht geflohen waren, was aber bei vielen westgotischen Adligen der Fall war. Diese Besitzungen wurden an Muslime vergeben, die sich auf Kriegszügen bewährt hatten, was dazu führte, dass viele von ihnen Landbesitzer wurden. Nach dem Untergang des Kalifats setzten sich die Teilkönigreiche und ihre Führer aus drei ethnischen Gruppen zusammen: den nordafrikanischen Berbern, den Saqāliba und den Andalusiern, worunter man jetzt alle Muslime arabischer und iberischer Herkunft verstand, also auch die breite Schicht der Neubekehrten (muwalladūn).

Am Ende des 15. Jahrhunderts lebten etwa 50.000 Juden in Granada und grob geschätzt 100.000 im gesamten muslimisch beherrschten Iberien, die teilweise wirtschaftlich oder gesellschaftlich bedeutende Positionen einnahmen, beispielsweise als Steuereinnehmer, Händler oder auch Ärzte und Diplomaten.[11]

Nichtmuslimische Gruppen unter dem Kalifat

Nichtmuslime zählten zum ahl al Dhimma (Schutzbefohlene). Sie hatten dementsprechend die Dschizya zu zahlen. Die keiner Schriftreligion angehörende („heidnische“) Bevölkerung von al-Andalus zählte als madschus.[12]

Die Behandlung der religiösen Minderheiten unter dem Kalifat wird in der Forschung und in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert, wobei Vergleiche mit heutigen Verhältnissen angestellt werden. Die Romanistin und Mediävistin María Rosa Menocal ist der Auffassung, dass „Toleranz ein inhärenter Aspekt der Gesellschaft von al-Andalus“ war.[13] Für sie war die Situation der Juden unter dem Kalifat deutlich besser als in den christlichen Reichen Europas.

So wanderten Juden aus anderen Teilen Europas ein, da sie sich in al-Andalus eine vergleichsweise bessere Stellung versprachen. Gleiches galt für Angehörige christlicher Sekten, die in christlichen Staaten als Häretiker galten. In al-Andalus entwickelte sich deshalb während des Mittelalters eine der stabilsten und wohlhabendsten jüdischen Gemeinden, die ein Zentrum der jüdischen Kultur bildete, welches bedeutende Gelehrte hervorbrachte. Aber über das Ausmaß der muslimischen Toleranz gegenüber den Juden bestehen in der Forschung Meinungsverschiedenheiten. Bernard Lewis weist darauf hin, dass in al-Andalus ebenso wie in anderen Teilen der islamischen Welt von einer Gleichberechtigung Andersgläubiger keine Rede sein konnte, da dies im islamischen Recht nicht vorgesehen ist[14]. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt der spanische Mediävist Prof. Francisco Garcia Fitz, der „die Toleranz im islamischen Spanien“ als einen „multikulturellen Mythos“ bezeichnet: „Unbestreitbar hat es kulturelle Anleihen und Einflüsse und friedliche wirtschaftliche Beziehungen gegeben, aber keine Beziehungen auf der Basis von Gleichheit und voller Akzeptanz der Unterschiede“.[15]

Die Behandlung der Nichtmuslime im Kalifat war zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich. Die längste Periode der relativen Toleranz begann 912 unter Abd ar-Rahman III. und seinem Sohn Al-Hakam II. Die Juden von al-Andalus prosperierten im Kalifat von Córdoba und erbrachten in Wissenschaft, Handel und Gewerbe, etwa im Handel mit Seide und Sklaven ihren Beitrag zum Wohlstand des Landes (→ Radhaniten). Das südliche Iberien war in dieser Zeit Asyl für die unterdrückten Juden anderer Länder.[16][17]

Auch während solcher Toleranzzeiten propagierten einzelne Christen das Märtyrertum. So wurden im 9. Jahrhundert in Córdoba 48 Christen wegen religiöser Vergehen gegen den Islam hingerichtet. Sie werden als die „Märtyrer von Córdoba“ bezeichnet. Diese Eiferer fanden gelegentlich Nachahmer.[18]

Nach dem Tod von al-Hakam II. im Jahr 976 verschlechterte sich die Situation der Nichtmuslime. Die erste größere Verfolgung gab es am 30. Dezember 1066 mit der Vertreibung der Juden aus Granada, bei der 1500 Familien getötet wurden, die die Stadt nicht verließen. Unter den Almoraviden und den Almohaden mag es zwischenzeitliche Verfolgung der Juden gegeben haben,[19] aber die Quellenlage ergibt kein klares Bild. Jedenfalls scheint sich die Lage der Nichtmuslime nach 1160 verschlechtert zu haben.[20] So werden Pogrome gegen Juden in Córdoba im Jahr 1011 und in Granada im Jahr 1066 berichtet. [21][22][23]

Vor dem Hintergrund dieser sich wiederholenden Wellen der Gewalt gegen Nichtmuslime, insbesondere gegen Juden, verließen viele jüdische, aber auch muslimische Gelehrte das muslimische Iberien und gingen in das damals noch verhältnismäßig tolerante Toledo, das die Christen 1085 erobert hatten. Einige Juden – man nimmt an bis zu 40.000 – schlossen sich den christlichen Heeren an, andere aber den Almoraviden in deren Kampf gegen Alfons VI. von Kastilien.

Die Almohaden übernahmen um 1147 die Macht in den zuvor von den Almoraviden kontrollierten Gebieten des Maghreb und Iberiens.[24] Ihr Weltbild war weit fundamentalistischer als das der Almoraviden, dementsprechend wurden die Dhimmis unter ihrer Herrschaft deutlich härter behandelt. Ansonsten vor die Wahl zwischen Konversion und Tod gestellt, verließen viele Christen und Juden das Land. [25][26] Manche, so etwa die Familie von Maimonides, flüchteten nach Osten in tolerantere muslimische Gebiete,[25] andere emigrierten in die sich ausdehnenden christlichen Königreiche.[27][28] Gleichzeitig förderten die Almohaden aber Wissenschaft und Kunst, insbesondere die Falsafah-Schule, zu der Ibn Tufail, Ibn al-Arabi und Averroës gehörten.[24]

Im mittelalterlichen Iberien befanden sich Muslime und Christen in einem fast ununterbrochenen Krieg, der die Geschichte Spaniens und Portugals in dieser Zeit prägte. Periodische Überfälle aus al-Andalus verheerten die christlichen Königreiche und brachten Beute und Sklaven zurück. So nahm der Almohaden-Kalif Yaqub al-Mansur bei dem Überfall auf Lissabon im Jahr 1189 3.000 Frauen und Kinder als Sklaven, ebenso nahm 1191 der ihm untergegebene Gouverneur von Córdoba bei dem Überfall auf Silves 3.000 Christen als Sklaven.[29]

Touristischer Bezug

Heute ist Al Ándalus auch der Name eines Luxuszugs (fahrendes Hotel mit organisierten Ausflügen) durch den spanischen Süden.

Liste der Statthalter von al-Andalus

Der Nachfolger Abd ar-Rahman I. erhob sich zum ersten Emir von Córdoba und trennte Andalusien so vom Kalifat der Abbasiden.

Literatur

Quellen

  • Kenneth Baxter Wolf: Conquerors and Chroniclers of Early Medieval Spain. Translated Texts for Historians. Liverpool University Press, Liverpool 1999, S. 111–161. Englische Übersetzung der mozarabischen Chronik mit Kommentar; Achtung: Andere Kapitelzählung der Kap. 59–69, S. 134–138.
  • Wilhelm Hoenerbach (Hrsg.): Islamische Geschichte Spaniens: Übersetzung der Aʻmāl al-a'lām und ergänzender Texte. Artemis, Zürich/Stuttgart 1970

Sekundärliteratur

  • Georg Bossong: Das maurische Spanien: Kultur und Geschichte. C. H. Beck, München 2007, ISBN 3-406-55488-1.
  • André Clot: Das maurische Spanien: 800 Jahre islamische Hochkultur in Al Andalus. Albatros, Düsseldorf 2004, ISBN 3-491-96116-5.
  • Roger Collins: The Arab Conquest of Spain, 710–797, A History of Spain. Blackwell, Oxford u. a. 2000, ISBN 0-631-19405-3.
  • Christian Ewert, Almut von Gladiss, Karl-Heinz Golzio: Hispania Antiqua. Denkmäler des Islam: von den Anfängen bis zum 12. Jahrhundert. von Zabern, Mainz 1997, ISBN 3-8053-1855-3.
  • Pierre Guichard: Al-Andalus. Acht Jahrhunderte muslimischer Zivilisation in Spanien. Wasmuth, Tübingen 2005, ISBN 3-8030-4028-0.
  • Ulrich Haarmann, Heinz Halm (Hrsg.): Geschichte der Arabischen Welt. 4. Auflage, C.H. Beck, München 2004, ISBN 3-406-47486-1.
  • Arnold Hottinger: Die Mauren: arabische Kultur in Spanien. Reprint der 3. Auflage, Wilhelm Fink Verlag, München 2005, ISBN 3-7705-3075-6.
  • Salma Khadra Jayyusi (Hrsg.): The legacy of Muslim Spain. Handbuch der Orientalistik, Abt. 1. Der Nahe und der Mittlere Osten. 2 Bände. Brill, Leiden 1992, ISBN 90-04-09952-2, ISBN 90-04-09953-0 (Standardwerk).
  • Chris Lowney: A vanished world: muslims, christians and jews in medieval Spain. Oxford Univ. Press, Oxford (u.a.) 2006, ISBN 0-19-531191-4.
  • Stephen O’Shea: Sea of Faith: Islam and Christianity in the Medieval Mediterranean World. Walker, New York 2006, ISBN 0-8027-1498-6.
  • Alfred Schlicht: Die Araber und Europa. 2000 Jahre gemeinsamer Geschichte. Kohlhammer, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-17-019906-4.
  • Franz Wördemann: Die Beute gehört Allah. Die Geschichte der Araber in Spanien. 2. Auflage, München u. Zürich: Piper 1986. ISBN 3-492-02794-6.

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Al-Andalus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
 Commons: Al-Andalus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. Andalus, al-. In: John L. Esposito (Hrsg.): Oxford Dictionary of Islam. Oxford University Press. 2003. Oxford Reference Online. Zugriff: 12. Juni 2006.
  2. Die Unsicherheit der Datierung ergibt sich daraus, dass die Münzen zweisprachig in Latein und Arabisch beschriftet sind und das angegebene Jahr der Prägung in den beiden Sprachen differiert. Der älteste Beleg für diesen arabischen Namen ist eine Dinar-Münze, die im Archäologischen Museum von Madrid aufbewahrt wird. Die Münze trägt auf der einen Seite „al-Andalus“ in arabischer Schrift und auf der Kehrseite das iberisch-lateinische „Span“. Heinz Halm: Al-Andalus und Gothica Sors. In: Der Islam, 1989, Nr. 66, S. 252–263.
  3. a b c Georg Bossong: Der Name Al-Andalus: Neue Überlegungen zu einem alten Problem. In: David Restle, Dietmar Zaefferer (Hrsg.): Sounds and systems: studies in structure and change. A festschrift for Theo Vennemann. Mouton de Gruyter, Berlin 2002, S. 149–164. (online)
  4. Reinhart P. Dozy: Recherches sur l’histoire et la littérature des Arabes d’Espagne pendant le Moyen-Age. 1881.
  5. Heinz Halm: Al-Andalus und Gothica Sors. In: Der Islam, 1989, Nr. 66, S. 252–263, basierend auf der Formulierung von Hydatius („Vandali cognomine Silingi Baeticam sortiuntur“), wiedergegeben durch Isidor von Sevilla („Wandali autem Silingi Baeticam sortiuntur“).
  6. Das Dorf Andaluz (41° 31′ N, 2° 49′ W41.516666666667-2.8166666666667) liegt am Fuß des Berges Andaluz am Fluss Duero in der Provinz Soria, und im Umkreis von 10 km befinden sich die Dörfer Torreandaluz und Centenera de Andaluz.
  7. Noll, Volker: Anmerkungen zur spanischen Toponymie: Andalucía, in: Günter Holtus/ Johannes Kramer/Wolfgang Schweickard (ed.), Italica et Romanica. Festschrift für Max Pfister zum 65. Geburtstag. III. Tübingen, Niemeyer, 1997, 199-210. Online: http://www.uni-muenster.de/imperia/md/content/romanistik/noll/noll-andalus.pdf
  8. Joaquín Vallvé Bermejo: The Territorial Divisions of Muslim Spain. Consejo Superior de Investigaciones Científicas (CSIC), Madrid 1986.
  9. Tertius Chandler: Four Thousand Years of Urban Growth: An Historical Census (1987), St. David’s University Press (etext.org). ISBN 0-88946-207-0.
  10. Khaldun. The Muqaddimah
  11. David J. Wasserstein: Jewish élites in Al-Andalus. In: Daniel Frank (Hrsg.): The Jews of Medieval Islam: Community, Society and Identity. Brill, 1995, ISBN 90-04-10404-6, S. 101.
  12. S. Mikel De Epalza: Mozarabs, in: Jayyusi 1992, S. 149–170, hier S. 153 ff.
  13. The Ornament of the World by María Rosa Menocal, Zugriff: 12. Juni 2006
  14. Bernard W. Lewis: The Jews of Islam. 1984, S. 4.
  15. Francisco Garcia Fitz: "Auf dem Weg zum Djihad", DIE WELT, 1. Juni 2006
  16. Ilan Stavans: The Scroll and the Cross: 1,000 Years of Jewish-Hispanic Literature. Routledge, London 2003, ISBN 0-415-92930-X, S. 10.
  17. Joel Kraemer: Moses Maimonides: An Intellectual Portrait. In: Kenneth Seeskin (Hrsg.): The Cambridge Companion to Maimonides. Cambridge University Press, Cambridge 2005, ISBN 0-521-81974-1, S. 10–13.
  18. Orthodox Europe: St Eulogius and the Blessing of Cordoba, Zugriff: 12. Juni 2006.
  19. Joseph F. O’Callaghan: A History of Medieval Spain. Cornell University Press, 1975, ISBN 0-8014-9264-5, S. 286.
  20. Norman Roth: Jews, Visigoths and Muslims in Medieval Spain: Cooperation and Conflict. Brill, Leiden 1994, ISBN 90-04-06131-2, S. 113–116.
  21. Frederick M. Schweitzer, Marvin Perry: Anti-Semitism: myth and hate from antiquity to the present. Palgrave Macmillan, 2002, ISBN 0-312-16561-7, S. 267–268.
  22. Richard Gottheil, Meyer Kayserling: Granada. In: Jewish Encyclopedia, 1906
  23. Christiane Harzig, Dirk Hoerder, Adrian Shubert: The Historical Practice in Diversity. Berghahn Books, 2003, ISBN 1-57181-377-2, S. 42.
  24. a b Islamic world. In: Encyclopædia Britannica. Encyclopædia Britannica Online, Zugriff: 2. September 2007.
  25. a b Daniel H. Frank, Oliver Leaman: The Cambridge Companion to Medieval Jewish Philosophy. Cambridge University Press, 2003, ISBN 0-521-65574-9, S. 137–138.
  26. The Almohads
  27. Sephardim
  28. Joel Kraemer: Moses Maimonides: An Intellectual Portrait. In: Kenneth Seeskin (Hrsg.): The Cambridge Companion to Maimonides. Cambridge University Press, Cambridge 2005, ISBN 0-521-81974-1, S. 16–17.
  29. Ransoming Captives in Crusader Spain: The Order of Merced on the Christian-Islamic Frontier

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