Al-Chwarizmi

Al-Chwarizmi
Denkmal Al-Chwarizmis in Chiwa (Usbekistan)

Abu Dscha'far Muhammad ibn Musa al-Chwarizmi (Var. Chwarazmi) ‏ابوجعفر محمد بن موسای خوارزمی‎ / Abū Ǧaʿfar Muḥammad b. Mūsā al-Ḫawārazmī, Var. al-Ḫwārizmī, ISO 233: ʾˈalẖwʾrzmy (* um 780; † zwischen 835 (?) und 850) war ein muslimischer Universalgelehrter, Mathematiker, Astronom und Geograph choresmischer Herkunft, der den größten Teil seines Lebens in Bagdad verbrachte und dort im „Haus der Weisheit“ tätig war. Von seinem Namen leitet sich der Begriff Algorithmus ab.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Das Geburts- und Todesjahr von Al-Chwarizmi sind nicht genau bekannt, doch der Bibliothekar Ibn an-Nadim schreibt über ihn, dass er choresmischer Herkunft war (wa-aṣlu-hu min Ḫwārizm).[1] Er hat den größten Teil seines Lebens in Bagdad, der Hauptstadt der Abbasiden-Kalifen, verbracht. Sein hauptsächliches Wirken fiel in die Jahre 813 bis 833; er war Mitglied im Haus der Weisheit (Dar al-Hikma) des Kalifen Al-Ma'mun und verfasste alle seine Werke in arabischer Sprache. Als einziger schreibt ihm der Historiker al-Tabari zusätzlich die Nisbaal-Madschūsi“ zu. Daraus wird von einigen gefolgert, er sei Zoroastrier gewesen, was zu der Zeit für einen Mann iranischer Herkunft immer noch möglich war. Allerdings deutet das Vorwort zu seinem Meisterbuch Algebra an, dass er ein orthodoxer Muslim war, und so kann al-Tabaris Anmerkung nicht viel mehr bedeuten, als dass Al-Chwarizmis Vorfahren, oder vielleicht er selbst in seiner Jugend, Zoroastrier waren.[2]

Al-Chwarizmi gilt als einer der bedeutendsten Mathematiker, da er sich –  anders als etwa Diophant von Alexandrien –  nicht mit Zahlentheorie, sondern Algebra als elementarer Untersuchungsform beschäftigte. Auch leistete er bedeutende Beiträge als Geograph und Kartograph, dies auch durch Übersetzungen aus dem Sanskrit und dem Griechischen.

Werke

Mathematik

Eine Seite aus Al-Chwarizmis Kitāb al-mukhtaṣar fī ḥisāb al-ǧabr wa-l-muqābala

In seinem Werk Kitāb al-Dschamʿ wa-l-tafrīq bi-ḥisāb al-Hind („Über das Rechnen mit indischen Ziffern“, um 825) stellte al-Chwarizmi die Arbeit mit Dezimalzahlen vor und führte die Ziffer Null (arab.: sifr) aus dem indischen in das arabische Zahlensystem und damit in alle modernen Zahlensysteme ein. Die lateinische Fassung dieser Schrift trug den Titel Algorismi de... („Das Werk des Al-gorismus über...“). Daraus entstand die Bezeichnung „Algorithmus“, mit der generell genau definierte Rechenverfahren gemeint sind. Die arabische Urfassung dieses Buches ist verlorengegangen; es blieb nur in einer lateinischen Übersetzung erhalten.

Im Jahr 830 schloss er die Arbeit an dem Buch Kitāb al-muchtasar fi hisab al-dschabr wa-l-muqabala („Rechnen durch Ergänzung und Ausgleich“) ab. Es ist eine Zusammenstellung von Regeln und Beispielen. Sein – für die damalige Zeit ungewöhnliches – systematisch-logisches Vorgehen gab den Lösungsansätzen linearer und quadratischer Gleichungen eine völlig neue Richtung, nämlich der geometrischen Bearbeitung dieser Gleichungen, was zu einer neuen Form von Verständnis für diese Aufgabenklasse führt. Diese „bildhafte“ Darstellung mathematischer Probleme macht das Thema nicht nur greifbarer, sondern führt zu einer Art der Erkenntnisgewinnung, welche für „Laien“ weitaus nachvollziehbarer ist. Die Leistung besteht also auch darin, dass er damit ein sehr effizientes mathematisches „Werkzeug“ geschaffen hat. Das Buch wurde vom 12. Jahrhundert an mehrfach ins Lateinische übersetzt; dabei wurde der Begriff „Algebra“ aus dem Titel dieses Werkes (al-ǧabr) abgeleitet. Es hatte großen Einfluss auf die Mathematik im Vorderen Orient und dann auch auf die weitere Entwicklung im Westen.

Astronomie

Al-Chwarizmis Zīj al-Sindhind (Arabisch: زيج, "Astronomische Tabellen von Sind und Hind") bestand aus ungefähr 37 Kapiteln, in denen er astronomische und Kalenderberechnungen beschrieb. Es enthielt 116 Berechnungstabellen, unter denen sich auch eine Tabelle mit Werten der Sinus-Funktion befand. Das Wissen, das Al-Chwarizmi in dem Buch Zīj niederschrieb, übernahm er zum großen Teil von indischen Astronomen, worauf der Titel Zīj al-Sindhind verweist. Das Buch Zīj stellte einen enormen Wissensgewinn für die arabischen Astronomen dar.

Al-Chwarizmi verfasste das Buch Zīj vor dem Jahr 828.[3] Die originale Handschrift ist verloren gegangen. Überliefert wurde eine um das Jahr 1000 entstandene Version des spanischen Astronomen Maslamah Ibn Ahmad al-Majriti in lateinischer Übersetzung von Adelard von Bath.[4] Die vier erhaltenen Manuskripte dieser Fassung werden in der Bibliothèque publique in Chartres, der Bibliothèque Mazarine in Paris, der spanischen Nationalbibliothek und der Bodleian Library in Oxford aufbewahrt.

Aufgrund der schlechten Überlieferung ist nicht sichergestellt, ob Al-Chwarizmi nicht zwei verschiedene Bücher unter dem Titel Zīj verfasst hat.[5]

Geografie

Ein weiteres Hauptwerk Al-Chwarizmis ist das Buch über das Bild der Erde (Kitāb ṣūrat al-Arḍ, ‏كتاب صورة الأرض‎ ), das er im Jahr 833 beendete. Es handelt sich um eine überarbeitete und erweiterte Fassung der Geografie Ptolemeus, die eine Liste von 2402 Koordinaten von Städten und anderen geografischen Orten enthält.

Es existiert nur eine erhaltene Kopie des Kitāb ṣūrat al-Arḍ in der Universitätsbibliothek Straßburg.

weitere Publikationen

Weiter beschäftigte er sich mit dem Jüdischen Kalender (Istichradsch Tarich al-Yahud), Kalendern allgemein (Kitab al-Tarich) und Sonnenuhren (Kitab al-Ruchmat). Auch die von ihm erstellten trigonometrischen Tabellen hatten bedeutende Auswirkungen auf die westliche Mathematik.

Ehrungen

Al-Chwarizmi auf einer sowjetischen Briefmarke anlässlich seines 1200. Geburtstags

In der Sowjetunion wurde 1983 eine Briefmarke mit seinem Bildnis herausgegeben. In Chiwa (Usbekistan) wurde ihm zu Ehren ein Denkmal errichtet. In Tunesien trägt ein öffentliches Forschungsinstitut seinen Namen. Im Iran gibt es seit über 40 Jahren das „Festival Kharazmi“ (persisch: jashnvare e Kharazmi), in dem Preise für erfinderische Forschungen an Jugendliche vergeben werden.

Literatur

  • Kurt Vogel: Mohammed ibn Musa Alchwarizmi's Algorismus. Das früheste Lehrbuch zum Rechnen mit ind. Ziffern. Zeller, Aalen 1963
  • Menso Folkerts: Die älteste lateinische Schrift über das indische Rechnen nach al-Ḫwārizmī, Verl. der Bayer. Akad. der Wiss., München 1997, ISBN 3-7696-0108-4, Text und Übersetzung der „Dixit Algorismi“-Handschriften in New York (Hispanic Society of America, HC 397/726) und Cambridge (University Library, Ii. 6.), Faksimile (s/w) aus der New Yorker Handschrift
  • Fuat Sezgin: Geschichte des arabischen Schrifttums, Band 5, S. 228-241, Leiden 1974
  • Ali Abdullah al-Daffa': The Muslim contribution to mathematics. London: Croom Helm. 1977 ISBN 0-85664-464-1
  • Sayili, Dosay, Baloch (Hrsg.): Al-Khwârazmi's Algebra. Islamabad: Pakistan Hijra Council. 1989, ISBN 969-8016-28-7
  • Kennedy: A Survey of Islamic Astronomical Tables. Philadelphia: American Philosophical Society 1956

Einzelnachweise

  1. Ibn an-Nadim: Fihrist. Hrsg. Riḍā Taǧaddud. Teheran 1971. S. 333
  2. Toomer, G., "Al-Khwārizmī, Abu Jaʿfar Muḥammad ibn Mūsā", in Gillespies Dictionary of Scientific Biography, vol. 7, New York: Charles Scribner's Sons, 1990: "Another epithet given to him by al-Ṭabarī, "al-Majūsī," would seem to indicate that he was an adherent of the old Zoroastrian religion. This would still have been possible at that time for a man of Iranian origin, but the pious preface to al-Khwārizmī's Algebra shows that he was an orthodox Muslim, so al-Ṭabarī's epithet could mean no more than that his forebears, and perhaps he in his youth, had been Zoroastrians."
  3. Sayili, Dosay, Baloch: Al-Khwârazmi's Algebra., S.4-5
  4. Kennedy: A Survey of Islamic Astronomical Tables, S.128
  5. Sayili, Dosay, Baloch: Al-Khwârazmi's Algebra., S.4

Weblinks

 Commons: Muhammad ibn Musa al-Chwarizmi – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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