Al-Djasira

Al-Djasira
Dieser Artikel behandelt den arabischen Fernsehsender Al Jazeera; zum englischsprachigen Schwestersender, siehe Al Jazeera English, zum gleichnamigen Bundesstaat des Sudan siehe Al-Dschazira (Bundesstaat); zur gleichnamigen Landschaft in Mesopotamien, siehe Al Dschasira.
Senderlogo
Allgemeine Informationen
Empfang: Kabel, Satellit, Web-TV
Länder: weltweit
Eigentümer: Al-Dschasira
Sendebeginn: 1996
Rechtsform: Privatrechtlich
Programmtyp: Vollprogramm
Liste der Fernsehsender

Al Jazeera (arabischالجزيرة‎ al-Dschazīra, DMG al-Ǧazīra; übersetzt „Die Insel” oder „Die Arabische Halbinsel”) ist ein arabischer Nachrichtensender mit Sitz in Doha, Katar.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte, Arbeit und Wirkung

Gründung 1996 bis 2001

Als im April 1996 der arabische Gemeinschaftssender von BBC und dem saudischen Medienkonzern Orbit wegen Zensurforderungen der saudischen Regierung den Sendebetrieb einstellte, gründete kurz darauf der Emir von Katar, Scheich Hamad bin Chalifa Al Thani, den Sender Al Jazeera und stellte 17 der entlassenen BBC-Mitarbeiter ein. Am 1. November 1996 begann Al Jazeera mit der Ausstrahlung seines Programms über Satellit. Medienberichten zufolge wird der Sender jährlich mit circa 100 Mio. US-Dollar von der katarischen Herrscherfamilie finanziert, da es der Sender aufgrund der Zurückhaltung multinationaler Unternehmen, für ihre Produkte auf Al Jazeera zu werben, bis heute nicht geschafft hat, finanziell unabhängig zu werden.[1]

Al Jazeera veränderte die Fernsehlandschaft in der arabischen Welt, die zuvor für die meisten Menschen dort nur aus von Regierungen gesteuerten und zu Propagandazwecken missbrauchten Fernsehstationen bestand. Durch die Darbietung kontroverser Ansichten in Bezug auf die Regierungen vieler Golfstaaten, einschließlich Saudi-Arabien, Kuwait, Bahrain und Katar, Syriens Verhältnis zum Libanon und die ägyptische Justiz, entwickelte sich Al Jazeera zu einem der wichtigsten Nachrichtensender im Nahen Osten mit ca. 40 Mio. Zuschauern täglich.[2]

2001 bis 2002 – Weg zu internationaler Bekanntheit

Besonders bekannt wurde der Sender weltweit nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 und dem darauffolgenden Krieg in Afghanistan, da er damals als einziger Fernsehsender in Kabul ein Redaktionsbüro besaß und die Weltöffentlichkeit mit Bildern des Krieges versorgte, die dann auch von westlichen Sendern übernommen wurden, wobei sich der Sender bei der Berichterstattung auf das Leid der Zivilbevölkerung konzentrierte.[2][3] Die US-amerikanische Regierung war verärgert über die Berichterstattung und über den Umstand, dass Analysten mit „antiamerikanischer“ Sichtweise Sendezeit gegeben wurde. Bei einem Besuch des katarischen Emirs Hamad bin Chalifa Al Thani in Washington wurde auf diesen von US-amerikanischer Seite Druck ausgeübt, die Berichterstattung des Senders zu zügeln, was dieser in einem Gespräch mit Colin Powell am 3. Oktober 2001 unter Hinweis auf die Pressefreiheit zurückwies.[4][5]

Am 21. Oktober 2001 führte Al Jazeeras Reporter Taisir Alluni das einzige Fernsehinterview mit Osama bin Laden nach dem 11. September 2001. Einen Tag zuvor hatte der damalige US-Vizepräsident Dick Cheney bei einem Treffen mit dem Emir von Katar diesen noch einmal gebeten, den Sender zu ermahnen, Vorsicht beim Senden von Aufzeichnungen von Bin Laden walten zu lassen. Al Jazeera sendete das Exklusivinterview nie und begründete das damit, dass der Reporter Alluni starkem psychischen Druck ausgesetzt war und die Bedingungen, unter denen das Interview geführt wurde, nicht das Minimum an Objektivität und Professionalität gestatteten. Außerdem enthielte das Video keine berichtenswerten Neuigkeiten. Ausschnitte davon wurden aber, zum Missfallen Al Jazeeras, im Januar 2002 von CNN gesendet.[6][7] Alluni wurde 2005 in Spanien wegen angeblicher Kontakte mit Al-Qaida zu sieben Jahren Haft verurteilt. Ihm wurde zur Last gelegt, einem Al-Qaida-Führer, den er in seinem Haus im südspanischen Granada beherbergte, Geld übergeben zu haben.

Am frühen Morgen des 13. November 2001, dem Tag, als die Nordallianz Kabul kampflos besetzte, wurden die Kabuler Büros Al Jazeeras von zwei aus einem US-amerikanischen Militärflugzeug abgeworfenen Bomben zerstört.[8]

Ein Kameramann Al Jazeeras, Sami Al-Haj, wurde im Dezember 2001 auf dem Weg nach Afghanistan gefangengenommen und als ein „feindlicher Kämpfer“ nach Guantanamo verschleppt. Sein Anwalt Clive Stafford-Smith erklärte zu den zahlreichen dort stattgefundenen Verhören unter anderem, dass sie lange Zeit ausschließlich den Zweck verfolgten, ihn zu einer Auskunftsperson gegen Al Jazeera zu machen und ihn aussagen zu lassen, dass Al Jazeera mit Al-Qaida verbunden sei.[9] Am 7. Januar 2007 trat Sami Al-Haj dort in einen Hungerstreik und wurde seitdem bis zu seiner Freilassung am 1. Mai 2008 zwangsernährt.

2003 bis 2004

Einschränkungen der Tätigkeit

Im März 2003 startete Al Jazeera aufgrund der aktuellen Ereignisse (Beginn des Irakkriegs) eine englischsprachige Ausgabe seines Internet-Auftritts, die sofort durch einen Eingriff in das Domain Name System zu einer Seite umgeleitet wurde, die eine US-amerikanische Flagge zeigte. Diese Umleitung war nach wenigen Tagen beseitigt. Die englischsprachige Al-Jazeera-Seite war jedoch während des Irakkriegs kaum erreichbar.

Hauptredakteurin des englischsprachigen Angebots ist die im Libanon geborene Joanne Tucker, Tochter eines US-amerikanischen Piloten einer zivilen Fluggesellschaft und einer Libanesin. Tucker ist in Saudi-Arabien und dem Vereinigten Königreich aufgewachsen, hatte an der Universität Cambridge studiert und für die BBC gearbeitet, bevor sie von Ibrahim Helal, Chefredakteur von Al Jazeera, das Angebot bekam, für den Sender zu arbeiten.

Seit dem 4. März 2003 dürfen Al Jazeera und andere Nachrichtenagenturen, deren Namen nicht veröffentlicht wurden, nicht mehr von der New Yorker Börse berichten, „aus Sicherheitsgründen”, so die offizielle Begründung.

Aktionen gegen den Sender

Im Irakkrieg galten für Al Jazeera die gleichen Einschränkungen wie für andere Sender. Taisir Alluni, ein Reporter von Al Jazeera, wurde vom irakischen Informationsministerium des Landes verwiesen, ein anderer Reporter, Diyar Al-Umari, durfte nicht mehr aus dem Irak berichten. Beide Entscheidungen wurden allerdings später widerrufen. Zwischenzeitlich zog sich Al Jazeera sogar ganz aus dem Irak zurück und führte „übertriebene Einmischung der irakischen Behörden” als Grund an.

Am 8. April 2003 wurde das Büro des Senders in Bagdad bei einem US-Luftangriff bombardiert, obwohl die USA über die genaue Lage des Büros informiert waren. Der Reporter Tariq Ayyub starb dabei. Ein ähnlicher Angriff auf das Büro in Kabul erfolgte während des Afghanistankriegs.

Aus einer am 22. November 2005 vom Daily Mirror veröffentlichten Mitschrift eines am 16. April 2004 geführten Gesprächs zwischen George W. Bush und dem britischen Premierminister Tony Blair geht hervor, dass Bush darin von einem möglichen Angriff auf die Zentrale des Senders in Doha sprach. In derselben Zeitung wurden später anonyme Quellen zitiert, von denen die eine sagte, „Bush war es mit der Sache todernst“, die andere hingegen meinte, Bushs Äußerungen seien „scherzhaft, nicht ernsthaft“ gemeint gewesen.[10]

Am 7. August 2004 schloss die Regierung Allawi alle Büros von Al Jazeera im Irak. Am 4. September 2004 beschloss die irakische Regierung, das zuerst einmonatige Verbot von Al Jazeera auf unbestimmte Zeit zu verlängern.

Ab 2005

Starke Beachtung fanden die provokanten Auftritte Wafa Sultans in Talkshows 2005 und 2006.

Im September 2006 übernahm der Kinderkanal von Al Jazeera 78 Sandmännchen-Folgen vom RBB.[11]

Seit dem 15. November 2006 läuft der englischsprachige Nachrichtenkanal von Al Jazeera, Al Jazeera English.[12]

Al Jazeera hat Kooperationsabkommen mit der englischen BBC und dem lateinamerikanischen Sender teleSUR.

Nach Angaben des Generaldirektors, Wadah Khanfar, war Al Jazeera das erste arabische Kommunikationsmedium, das eine lateinamerikanische Berichterstattung mit Korrespondenten in Lateinamerika eingerichtet hat. Im März 2008 kündigte Wadah Khanfar an, die lateinamerikanische Berichterstattung weiter auszubauen, da die ökonomischen, sozialen und politischen Entwicklungen, die derzeit in Lateinamerika stattfinden, beispielhaft für die Suche nach wirtschaftlichen, politischen und sozialen Alternativen in der arabischen Welt sein können, ohne dabei auf die Alternativen beschränkt zu sein, die die westliche Welt zu bieten hat. Ziel sei es, die Wahrheit über das, was in dieser Region passiert, aus Sicht der Bewohner Lateinamerikas und aus arabischer Sicht zu berichten, ohne dabei auf dritte Kommunikationsmedien zurückgreifen zu müssen.[13]

Einschränkungen in Saudi-Arabien

Saudischen Firmen wurde es durch das saudi-arabische Königshaus verboten, Werbung bei Al Jazeera zu buchen.[14] Die saudische Regierung versuchte mehrmals, einen mehrheitlichen Anteil an Al Jazeera zu kaufen und somit die Kontrolle über den Sender zu erlangen, scheiterte jedoch dabei. [15]

Reaktionen und Kritik

Der Sender wurde von der US-Regierung wiederholt scharf kritisiert. Einer der heftigsten Kritiker war Donald Rumsfeld, der den Sender regelmäßig wegen des Verbreitens von Meldungen irakischer Regimekritiker attackierte und behauptete, der Sender sei von Terroristen infiltriert.[16]

Im Irak-Krieg wurde Al Jazeera von der US-Regierung beschuldigt, gegen die dritte Genfer Konvention verstoßen zu haben. Der Sender hatte Bildmaterial von gefangenen US-Soldaten, unter anderem beim Verhör, gezeigt. Al-Dschasira-Mitarbeiter kritisierten in diesem Zusammenhang verschiedentlich das Bestehen von Doppelmoral. Im gleichen Krieg hatten US-Fernsehsender Bildmaterial von der Gefangennahme von Irakern, auch von Saddam Hussein, gezeigt und US- und weltweite Medien hatten die medizinische Erstuntersuchung des gefangenen irakischen Präsidenten gefilmt und weltweit ausgestrahlt. Die Produktion dieses Bildmaterials erfolgte unter der Leitung von US-Militärpersonal.[17][18]

Im Juni 2003 kritisierte Ataullah Mansur in einem Artikel der arabischsprachigen Zeitung Al-Quds die Darstellung der palästinensischen Lebensbedingungen auf Al Jazeera. Anstatt die reale Notsituation zu zeigen, welche Friedensverhandlungen notwendig gemacht hätten, versuche der Sender "einen Keil zwischen die arabischen Völker und ihre Regierenden zu treiben" und verkünde "das einzige Licht auf dem Weg der arabischen Völker sei in der Intifada und den Steinen zu erkennen", was der realen Notsituation der Palästinenser nicht helfe.[19]

Am 23. September 2004 verbot der irakische Regierungsrat Al Jazeera und Al-Arabija für zwei Wochen die Berichterstattung über die offiziellen Regierungstätigkeiten wegen angeblicher Unterstützung von Angriffen auf Mitglieder des Regierungsrats und auf Besatzungstruppen. Einige Iraker beschuldigten den Sender, durch das Ausstrahlen von Erklärungen irakischer Widerstandsführer zur Gewalt gegen die Besatzer aufgehetzt und ethnische bzw. religiöse Spannungen verstärkt zu haben und den „gesetzlosen Widerstand” zu unterstützen.

Empfang

Al Jazeera kann in Deutschland über folgende Satelliten digital empfangen werden:

11568 MHz, vertikal, Symbolrate: 22000 Msym/s, FEC: 5/6

12111 MHz, vertikal, Symbolrate: 27500 Msym/s, FEC: 3/4

12661 MHz, vertikal, Symbolrate: 27500 Msym/s, FEC: 5/6

Auszeichnung

1999 wurde der Fernsehsender mit dem Prince Claus Award ausgezeichnet.[20]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg: Der Satellitensender Al-Djazira aus Katar
  2. a b Der Tagesspiegel: Das Bild der arabischen Welt, 2. November 2006
  3. Telepolis: Al-Dschasira unter Druck, 31. Januar 2005
  4. Secretary Colin L. Powell Remarks with His Highness Sheikh Hamad bin Khalifa Al Thani, 3. Oktober 2001 (englisch)
  5. Committee to Protect Journalists: CPJ dismayed by U.S. pressure against Arab satellite news channel, 4. Oktober 2001 (englisch)
  6. CNN.com: Transcript of Bin Laden's October interview, 5. Februar 2002 (englisch)
  7. Transnational Broadcasting Studies: Courting Al-Jazeera, the Sequel: Estrangement and Signs of Reconciliation, 20. Februar 2002 (englisch)
  8. Committee to Protect Journalists: AFGHANISTAN: U.S. AIRSTRIKE DESTROYS AL-JAZEERA OFFICE IN KABUL, 13. November 2001 (englisch)
  9. Aljazeera.net: Guantanamo ordeal of Aljazeera cameraman, 28. Oktober 2005 (englisch)
  10. ORF.at: Zeitung: Bush wollte Al-Jazeera bombardieren lassen, 22. November 2005
  11. Rundfunk Berlin-Brandenburg: Sandmännchen & Co.: Kinderkanal von Al Jazeera übernimmt erfolgreiche RBB-Programme, 6. September 2006
  12. The Guardian: Al-Jazeera renames English-language channel, 14. November 2006 (englisch)
  13. teleSUR: Aljazeera amplía cobertura en América Latina para llevarle al mundo la evolución de la región, 15. März 2008
  14. „Al Dschazira“ - Résistance, Frankfurter Allgemeine, 8. Juli 2004
  15. Saudi-Arabien kämpft gegen al-Dschasira, Financial Times Deutschland, 4. Februar 2003 (kostenpflichtig)
  16. New Age: More news is good news, 13. November 2006 (englisch)
  17. Stefan Ulrich: Saddams Recht auf Ehre. In: Süddeutsche Zeitung. 15. Dezember 2003. Abgerufen am 15. April 2009.
  18. Genfer Konvention. In: Süddeutsche Zeitung. 15. Dezember 2003. Abgerufen am 15. April 2009.
  19. MEMRI: Kritik an der Nahostberichterstattung von Al-Jazeera, MEMRI Special Dispatch 20. Juni 2003, abgerufen am 10. Januar 2009
  20. The 1999 Prince Claus Awards

Literatur

  • Hugh Miles: Al-Dschasira: Ein arabischer Nachrichtensender fordert den Westen heraus. Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 2005, ISBN 3-434-50594-6.
  • Abdo Jamil Al-Mikhlafy: Al-Jazeera. Ein regionaler Spieler und globaler Herausforderer. Schüren, Marburg 2006, ISBN 3-89472-408-0. (Dissertation Philipps-Universität Marburg)

Weblinks


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