Fernspähtrupp

Fernspähtrupp
Barettabzeichen Fernspähtruppe

Fernspäher sind die "infanteristischen" Aufklärer im Heer. Fernspäher operieren im Fernspähtrupp auf sich allein gestellt hinter den feindlichen Linien und klären dort feindliche Kräfte dauerhaft auf. Die international gebräuchliche Bezeichnung für die Fernspähtruppe ist Long Range Surveillance - LRS (gesprochen Lörs) seltener Long Range Reconnaissance Patrol - LRRP (gesprochen Lörp). In Deutschland sind die Fernspäher im Heer Teil der Heeresaufklärungstruppe und seit 2007 keine eigenständige Truppengattung mehr. Sie fungieren als spezialisierte Kräfte mit erweitertem Aufgabengebiet.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Fernspäher bei einer Übung

Die Fernspähtruppe wurde im Jahre 1962 aufgestellt. Sie hatte sowohl in der Bundeswehr als auch in der Wehrmacht keine vergleichbare Tradition. Grund für die Neuaufstellung war die unzureichende Möglichkeit der Dauerbeobachtung in feindbesetztem Gebiet durch andere Aufklärungskräfte. So erhielt Major Konrad Rittmeyer, ein kriegserfahrener Panzeraufklärer, am 1. November 1961 vom Heeresamt den Auftrag eine Truppe aufzustellen, deren Soldaten Einzelkämpfer und Fallschirmspringer sein mussten und ledig waren. Der Standort dieser Lehrgruppe R (für Rittmeyer) war die Luftlande- und Lufttransportschule in Altenstadt/Schongau in Oberbayern. Die zukünftigen Fernspähsoldaten waren Fallschirmjäger, Gebirgsjäger sowie einige Grenadiere. Zu diesem Zeitpunkt waren sie der Panzeraufklärungstruppe zugeordnet. Erst im April 1976 erfolgte nach vielen Wechseln (zwischenzeitlich zur Infanterie) die Unterstellung zu den Panzeraufklärungsstruppen. Von der Verbundenheit mit der Panzeraufklärungstruppe kündet heute noch die gemeinsame goldgelbe Waffenfarbe und die gekreuzten Lanzen im Barettabzeichen. Das Zugehörigkeitsgefühl der Fernspäher zu den Luftlandetruppen findet ihren Ausdruck durch das bordeauxrote Barett mit dem stürzenden Adler der Fallschirmjägertruppe. 1962 begann Major Rittmeyer mit der Ausbildung des Ausbildungskaders. Nach zehn Monaten war der Kader einsatzfähig und die Lehrgruppe R wurde in Fernspählehrkompanie 200 umbenannt. Kurze Zeit später waren auch die Kader für die beiden neu gegründeten Fernspähkompanien 100 und 300 gebildet.

Das Fernspähausbildungszentrum 900 in Neuhausen ob Eck, die spätere Internationale Fernspähschule in Weingarten und heutige Ausbildungszentrum Spezielle Operationen, wurde 1973 durch Personal der drei Fernspähkompanien ins Leben gerufen. Der Grundgedanke der NATO-Schule war die Vereinheitlichung von Ausbildung und Ausrüstung der NATO-Fernspäheinheiten. In der alten Struktur der Bundeswehr hatte jedes der drei deutschen Korps eine Fernspähkompanie: FeSpähKp 100 in Braunschweig/Celle, FeSpähLehrKp 200 in Weingarten/Pfullendorf sowie FeSpähKp 300 in Fritzlar) und Herbornseelbach. Im Zuge einer Umstrukturierung im Heer 1996 wurden die Fernspähkompanien 100 und 300 aufgelöst; erstere nach 34 Jahren wechselvoller und ereignisreicher Geschichte. Viele dieser Fernspäher stellten die ersten Soldaten des im selben Jahr aufgestellten Kommando Spezialkräfte (KSK).

Im Rahmen der Transformation der Streitkräfte wird aus der Panzeraufklärungstruppe (mit Drohnenaufklärungskräften) zusammen mit Fernspähern, Feldnachrichtenkräften und Drohnenaufklärern der Artillerie die neue Truppengattung Heeresaufklärungstruppe. Eingegliedert werden außerdem die Angehörige Luftlandeaufklärungskompanien. Die besonderen Fähigkeiten der Fernspäher und entsprechende Einheiten bleiben aber erhalten. Die Heeresaufklärungstruppe wirkt durch bodengebundene und luftgestützte Lageaufklärung und ist zukünftig ein wesentlicher Träger der Nachrichtengewinnung und Aufklärung im Heer. Die Ausbildung der Fernspäher wird in Teilen nach Munster zum Ausbildungszentrum Heeresaufklärungstruppe verlagert.

Einsätze

Einsätze der Fernspäher unterliegen - ähnlich denen der Kampfschwimmer und des KSK - strenger Geheimhaltung, um die Auftragserfüllung nicht zu gefährden. Bekannt geworden sind Einsätze u.a. in Bosnien und im Kosovo, Afghanistan und Kongo.

Auftrag

Fernspäher im Beobachtungsstand

Das Einsatzgebiet eines Fernspähtrupps kann bis zu 150 km von der eigenen Truppe entfernt im feindlichen Hinterland liegen. Der Transport (Verbringung) der Soldaten in das Einsatzgebiet kann auf unterschiedliche Art und Weise erfolgen:

Im Beobachtungsraum erfolgt der Einsatz ununterbrochen. Bewegungen des Fernspähtrupps werden grundsätzlich nachts durchgeführt. Dabei kann er unter gefechtsmäßigen Bedingungen für einen Kilometer durchaus eine Stunde benötigen. Sie beobachten und melden mit modernster Fernmeldetechnik und geben der Führung so frühzeitig Lageerkenntnisse auf die Absichten eines Gegners. Der Hauptauftrag ist das Gewinnen von Schlüsselerkenntnissen in Krisen- und Konfliktgebieten für die operative Führungsebene. Fernspähtrupps werden dazu dem operierenden Korps, seltener der Division, unterstellt. Auch das Forward Air Controlling (FAC) [1] - das Lenken von Lufteinsätzen per Funk oder Laser-Designator vom Boden aus - gehört seit neuerer Zeit zu den Fernspähaufträgen. Dabei liegt das Hauptaugenmerk eines etwa vier Mann starken Fernspähtrupps darauf, unentdeckt zu bleiben. Die Fernspäher sind bei ihrer Auftragserfüllung unabhängig und vermeiden den Kampf. Unerkannte Infiltration und Exfiltration aus dem Einsatzgebiet sind für die „Augen des Heeres“ (Wahlspruch der Bundeswehr: oculus exercitus) der wichtigste Einsatzgrundsatz. Am Einsatzort wird ein Beobachtungsstand oder Versteck eingerichtet, von dem aus Aufklärungsergebnisse über einen längeren Zeitraum zu gewinnen sind. Der Beobachtungsstand bietet vier Fernspähern Platz und dient als Schlaf-, Funk-, Beobachtungs- und Verpflegungspunkt. Für den Bau, die Tarnung mit Wegtransport der ausgehobenen Erde benötigt ein Trupp zwei volle Nächte. Der Beobachtungsbunker (Fuchsloch) ist i. d. R. 130-140 cm tief und hat eine Grundfläche von neun Quadratmetern. Durch eine Luke oder einen Viewport wird beobachtet. Im Ernstfall kann ein Trupp bis zu 14 Tage in diesem Bunker ausharren. Dieser „klassische“ Fernspäheinsatz ist jedoch nicht mehr die Regel, häufiger wird aus einem offenen Versteck beobachtet, der ein einfacheres Wechseln ermöglicht.

Zum frühest möglichen Zeitpunkt wird anschließend Funkverbindung mit dem Führungs- und Verbindungstrupp des Zugs aufgenommen, um Aufklärungsergebnisse weiterzugeben. Das Funkgerät wird von zwei Soldaten des Spähtrupps im Schichtbetrieb bedient, während Truppführer und Stellvertreter sich bei der Beobachtung abwechseln. Entsprechend der Lage wird direkt vom Versteck aus beobachtet oder durch einen abgesetzten Beobachter, der gleichzeitig den Trupp sichert.

Die Exfiltration mit der Rückführung zu den eigenen Kräften, nimmt meist genauso viel Zeit in Anspruch wie die Infiltration mit der Verbringung und wird mit derselben Sorgfalt und Vorsicht durchgeführt.

Aufträge im Kommandoeinsatz, Handstreich oder Hinterhalt, und das gezielte Ausschalten von Hochwertzielen sind nicht Teil des Einsatzprofils der Fernspäher. Diese Aufgabe wird vom Kommando Spezialkräfte durchgeführt. In besonderen Einzelfällen können auch Fernspäher solche Operationen durchführen, falls keine anderen Kräfte verfügbar sind, deren Heranführung zu spät käme oder zu viel Aufwand bedeutet.

Organisation

Spähtrupp

Die Fernspählehrkompanie 200 ist die einzige (nicht-gemischte) verbleibende Einheit. Diese Kompanie ist stationiert am Ausbildungszentrum Spezielle Operationen in Pfullendorf und untersteht direkt der Division Spezielle Operationen.

Kompanie

Die verbliebene Fernspählehrkompanie 200 gliedert sich bei einer Sollstärke von 226 Soldaten in:

  • Kompanieführung
  • 4 Fernspähzüge
  • 1 Fernspähspezialzug
  • 2 Sanitätstrupps
  • 1 Feldnachrichtenzug
  • 1 Instandsetzungsgruppe
  • 1 Versorgungsgruppe [2]

Züge

Die Fernspähzüge beinhalten als taktisches und operatives Element die Spähtrupps mit jeweils vier Mann, die je nach Auftrag verstärkt werden. Der Fernspähspezialzug wird im Einsatzfall auf die Fernspähzüge aufgeteilt und unterstützt durch optische- und optronische Spezialaufklärung und Fliegerleitverfahren.

Der Zug gliedert sich:

  • Führungstrupp
  • Analyse-und Auswertungstrupp
  • Führungsunterstützungstrupp
  • 2 Fernspähtrupps zu je 6 Mann [3]

Rekrutierung und Ausbildung

Rekrutierung

Fernspäher mit HK MP5SD3 (mit integriertem Schalldämpfer) im Anschlag

Bewerben auf eine Fernspähstelle kann man sich sowohl direkt als auch über einen Wechsel aus anderen Truppengattungen. Für den Einsatz in den Spähzügen kommen ausschließlich länger dienende Zeitsoldaten in Frage. Die Ausbildung zum Fernspähfeldwebel dauert mindestens 36 Monate. Aufgrund des besonderen Auftrages ist die Ausbildung zum Fernspähsoldaten intensiv und fordernd; so werden regelmäßig mehrtägige Durchschlageübungen durchgeführt. Der rigiden Auslese geeigneter Bewerber dient insbesondere der zweiwöchige Eingangstest (grüne Blockausbildung – früher Ü-Lager) den häufig nur eine kleine Minderheit erfüllt.

Ausbildung

Schwerpunkte der Ausbildung ist das Erlernen der unbemerkten In- und Exfiltration des feindlichen Territoriums und eine umfassende Fernmeldeausbildung.

Zum umfangreichen Ausbildungsprogramm gehören der Lehrgang Überleben spezialisierte Kräfte, Combat Survival Course (CSC), Reaktionsschießlehrgänge, Nahkampf, Fallschirmspringen, besondere Freifalltechniken und eine gefechtsmedizinische Ausbildung, die Soldaten befähigen soll, innerhalb eines autark operierenden Spähtrupps die eigene medizinische Versorgung unter Einsatzbedingungen zu gewährleisten. Die Fernspähzüge sind jeweils auf bestimmte Schwerpunkte spezialisiert. So trainieren die Fernspäher unter anderem den Kampf in urbanem (Orts- und Häuserkampf) und „schwierigem“ Gelände (Gebirgs- und Winterkampf), sowie amphibische Einsätze oder zum Beispiel Freifallfallschirm-Einsätze. Große Teile der Ausbildung werden am Ausbildungszentrum Heeresaufklärungstruppe durchgeführt. Des weiteren werden Erfahrungen und Weiterentwicklungen in Taktik und Ausrüstung zwischen den beteiligten Nationen am Ausbildungszentrum Spezielle Operationen ausgetauscht, wo auch bis Ende 2007 die Ausbildung größtenteils stattfand.

Ausrüstung

Die Ausrüstung der Fernspähtruppe beinhaltet neben der standardisierten persönlichen Ausrüstung in der Bundeswehr spezielle Waffen und Fernmeldegeräte, die der Geheimhaltung unterliegen. Exemplarisch seien verschlüsselungsfähige HF-Funkgeräte, verschiedene Nachtsichtoptiken und (schallgedämpfte) Kurz- und Langwaffen genannt. (Beispiele: P12, MP7, MP5SD, G36K-AG40, MG4, G22) Ebenfalls an die besonderen Anforderungen angepasst sind die Zusatzausstattungen, wie Einsatzwesten und Rucksäcke, Schlafsäcke, dehydrierte Einsatzverpflegung, Einsatz-Sanitätsausrüstung mit Infusionen, Tauchanzüge und weitere. Die Traglast für einen Einsatz kann dabei zwischen 35-65 kg (Kampfmittelweste: 10 Kg; Rucksack: 35-50 Kg; volle Taschen und Gewehr: 5-10 Kg) pro Soldat liegen.

Verweise

Interne Verweise

Literatur

  • Christin-Désirée Rudolph: EYES ON TARGET - Die Fernspäher der Bundeswehr. Motorbuchverlag, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-613-02852-4
  • Sören Sünkler: Elite- und Spezialeinheiten Europas. Motorbuch Verlag, Stuttgart 2008. ISBN 3613028530
  • Sören Sünkler: Die Spezialverbände der Bundeswehr. Motorbuch Verlag, Stuttgart 2007. ISBN 3613025922

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Forward Air Controlling bei en-wp (englisch)
  2. Deutsches Heer: Gliederung der Fernspählehrkompanie 200 besucht am 23. Januar 2009.
  3. Christin-Désirée Rudolph: EYES ON TARGET - Die Fernspäher der Bundeswehr. Motorbuchverlag, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-613-02852-4

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