Fleischflosser

Fleischflosser
Fleischflosser
Australischer Lungenfisch (Neoceratodus forsteri)

Australischer Lungenfisch (Neoceratodus forsteri)

Systematik
Überstamm: Neumünder (Deuterostomia)
Stamm: Chordatiere (Chordata)
Unterstamm: Wirbeltiere (Vertebrata)
Überklasse: Kiefermäuler (Gnathostomata)
Reihe: Knochenfische (Osteichthyes)
Klasse: Fleischflosser
Wissenschaftlicher Name
Sarcopterygii
Romer, 1955

Die Fleischflosser (Sarcopterygii), auch Muskelflosser, sind eine der zwei Klassen der Knochenfische (Osteichthyes). Der wissenschaftliche Name dieses Taxons leitet sich von einem gemeinsamen Merkmal seiner Vertreter ab, dem Sarcopterygium (Gr.: sarx, sarko- = Fleisch, pterygion, Diminutiv von pteryx = Flügel, Flosse), einem Flossentyp mit fleischigem Stiel.

Die Fleischflosser haben ihre Bedeutung vor allem dadurch, dass unter ihren fossilen Vertretern die Vorfahren der Landwirbeltiere (Tetrapoda) zu finden sind. Heute existieren noch zwei Gruppen, die Lungenfische (Dipnoi), mit sechs Arten und die Quastenflosser (Coelacanthimorpha) mit zwei Arten. Im Sinne der Kladistik gehören allerdings auch die Landwirbeltiere (Tetrapoda) hierher.

Die Blütezeit der Fleischflosser ist, sieht man von den Landwirbeltieren ab, bereits lange vorüber. Fossil lassen sich die Sarcopterygii seit dem Oberen Silur vor 415 Millionen Jahren nachweisen. Im Devon waren die ursprünglich marinen Fleischflosser weltweit verbreitet und besiedelten mehrmals unabhängig voneinander das Süßwasser. Die Onychodontiformes, die Porolepiformes (von denen allerdings die Dipnoi abstammen dürften) und die Elpistostegalia starben am Ende des Devons aus, die Rhizodontiformes am Ende des Karbons und die Osteolepiformes am Ende des Perms.

Inhaltsverzeichnis

Merkmale

Bemuskelte Brustflosse am Präparat eines Komoren-Quastenflossers im Natural History Museum, London

Namensgebendes Kennzeichen der Fleischflosser ist der fleischige Flossenlobus der paarigen Flossen, der allerdings auch, mit einer völlig anderen inneren Anatomie, bei den Flösselhechten und einigen fossilen Strahlenflossern (Actinopterygii) auftritt. Als Autapomorphie (gemeinsames Merkmal) der Klasse gilt der Bau des Flossenskeletts, das eine einzige, zum Körper verlaufende, monobasale, knöcherne Achse hat, die mit dem Schulter- und dem Beckengürtel verbunden ist und an der seitlich Radialia liegen. Dieser Knochen entspricht dem Oberarmknochen (Humerus) und Oberschenkelknochen (Femur) bei den Landwirbeltieren, ist zu ihnen also homolog. Bei den Quastenflossern gilt dieser Flossenaufbau auch für die zweite Rückenflosse und die Afterflosse.

Das Skelett fossiler Formen war stärker verknöchert als das der heutigen. Viele besaßen sogar Wirbelkörper. Der hohe Knorpelanteil im Skelett der rezenten Arten ist also sehr wahrscheinlich sekundär.

Neu ist auch die Vena cava caudalis, die untere Hohlvene, in der das Blut des Hinterkörpers in Richtung Herz fließt. Die ursprünglichen Venae cardinales sind reduziert.

Fleischflosser haben Kosmoidschuppen. Die Cosminschicht besteht aus Schmelz und Dentin und war bei den fossilen Formen von Porenkanälen durchzogen. Der einschichtige Schmelz zeigte, ebenfalls nur bei den fossilen Formen, auf seiner Unterseite hexagonale Abdrücke der Epidermiszellen.

Der Schädel der Fleischflosser entspricht dem der ursprünglichen Landwirbeltiere. Eine Ausnahme ist der der Lungenfische, dessen Anatomie so verschieden ist, dass man die Einzelknochen des Lungenfischschädels kaum mit den Einzelknochen der sonstigen Sarcopterygierschädel homologisieren kann. Um das Auge haben die Fleischflosser einen Knochenring aus mindestens fünf Einzelknochen.

Außer den Dipnoi und Tetrapoden haben (hatten) alle Sarcopterygii einen zweigeteilten Schädel: ein vorderer Teil war gegenüber dem hinteren vorne hebbar, damit mit dem Maul besser nach Beute geschnappt werden konnte. Das Gelenk verlief hinter der Hypophyse etwa auf Höhe des Trigeminus-Austritts quer durch den Kopf. (Das Gehirn war meist klein genug, davon kaum betroffen zu sein.) Ein eigenes Muskelpaar (M. basicranialis) sorgte für die Absenkung (= Rückkehr in die Ausgangslage) beim Zubeißen; die Hebung des Vorderteils geschah mittelbar durch die Maul-Öffnung (die Suspensorien drückten vom Gaumen her nach oben). Bei den Actinopterygiern wird Ähnliches "eleganter" durch Aufwärtsdrehung (vorne) des ganzen Schädels erreicht - die Sarcopterygier vermieden aber durch die Schädel-Zerlegung sozusagen das "Schwindeligwerden" (die Labyrinthe befinden sich ja im hinteren Abschnitt). Für aktive Schwimmer ist ein zerlegter Schädel (als "Bug") hingegen unbrauchbar, ebenso für Fische mit Quetschgebiss (Dipnoer) und für Landtiere. Das Ausmaß dieser Beweglichkeit mag unterschiedlich gewesen sein, aber bei dem Rhipidistier Eusthenopteron Basicranialmuskeln (zu Recht!) zu rekonstruieren und zugleich zu behaupten (wie es Erik Jarvik tat), es habe im Cranialgelenk keine Beweglichkeit gegeben, ist unstatthaft. Das (fossilisierte) Gelenk machte allerdings große Deutungsschwierigkeiten. Man hielt es zuerst für ein Artefakt (Bruch an einer Schwachstelle) oder dann für eine "Fehlanpassung" (Dystelie). Zwei Jahre vor Entdeckung der Latimeria stand aber durch Hermann Aldinger (1936) fest, dass diese Sarcopterygier einen durch ein großes Gelenk zweigeteilten Schädel hatten.

Systematik

Guiyu oneiros aus dem Ludlow (spätes Silur) von China
Schädel von Platycephalichthys
Komoren-Quastenflosser (Latimeria chalumnae)

Die inneren Systematik der Fleischflosser ist nicht unumstritten. Genetische Untersuchungen, sowie die Existenz eines Lymphatischen Systems bei beiden Taxa deuten darauf hin, dass die Lungenfische den Landwirbeltieren näher stehen als die Quastenflosser. Die fossilen, zu den Landwirbeltieren führenden Formen werden als Rhipidistia bezeichnet.

Literatur

  • Hans-Peter Schultze: Sarcopterygii, Fleischflosser in Wilfried Westheide & Reinhard Rieger: Spezielle Zoologie Teil 2: Wirbel und Schädeltiere, 1. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg • Berlin, 2004, ISBN 3-8274-0307-3
  • Volker Storch, Ulrich Welsch: Systematische Zoologie, Fischer, 1997, ISBN 3-437-25160-0
  • Joseph S. Nelson: Fishes of the World. 4. Auflage. John Wiley & Sons, 2006, ISBN 0-471-25031-7.
  • Peter Ax: Das System der Metazoa III. Ein Lehrbuch der phylogenetischen Systematik. Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg • Berlin, 2001, ISBN 3-8274-1179-3

Weblinks

 Commons: Fleischflosser – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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