Franz Neumann (Politiker)

Franz Neumann (Politiker)
Franz Neumann (am Rednerpult), 1948

Franz Neumann (* 14. August 1904 in Berlin; † 9. Oktober 1974 ebenda) war Vorsitzender der Berliner SPD und Bundestagsabgeordneter.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Beruf

Berliner Gedenktafel am Haus Moorweg 10, in Berlin-Tegel

Neumann wuchs als eines von vier Kindern einer Arbeiterfamilie im Berliner Bezirk Friedrichshain in ärmlichen Verhältnissen auf. Nach dem Besuch der Volksschule absolvierte Neumann ab 1918 eine Schlosserlehre. 1919 trat er dem Metallarbeiterverband bei und wurde schon nach einem Jahr Vorsitzender der Metallarbeiterjugend Berlins. Gemäß den Prinzipien der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) setzte auch er auf die emanzipatorische Kraft von Bildung und Wissen, weshalb er die in Gera gelegene Heimvolkshochschule Tinz besuchte und Kurse der Deutschen Hochschule für Politik in Berlin belegte, z. B. „Arbeitsrecht“. 1926 bestand er das Fürsorgerexamen und arbeitete anschließend bis 1933 in diesem Beruf. Anfang der 1930er Jahre, in der Zeit der sich verschärfenden Krise, gründete und leitete er am Prenzlauer Berg die „Werkstätten für arbeitslose Jugendliche“. Aus dieser Stellung wurde er nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten entlassen.

Im Januar 1934 schwer von der Gestapo misshandelt, machte man ihm vor dem Berliner Kammergericht Mitte Juli jenes Jahres den Prozess wegen des „hochverräterischen Unternehmens, es unternommen zu haben, den organisatorischen Zusammenhalt der SPD aufrechtzuerhalten“. In der schriftlichen Begründung des Urteils (eineinhalb Jahre Gefängnis) hieß es, Neumann habe unter anderem seine Genossen in der Siedlung „Freie Scholle“ über Zustände und Personen im Konzentrationslager Oranienburg aufgeklärt. Der Gefängniszeit folgte die übliche Polizeiaufsicht. Nach der Freilassung arbeitete er wieder als Metallarbeiter.

Von 1970 bis zu seinem Tode 1974 war er Vorsitzender der Berliner Arbeiterwohlfahrt. 1971 wurde Neumann zum Ehrenbürger Berlins ernannt. Die Technische Universität wählte den ehemaligen Metallarbeiter zu ihrem Ehrensenator (und gab ab 1975 dem nach ihm benannten Archiv (FNA) ein Domizil).

Partei

Schon 1918 wurde Neumann Mitglied der Sozialistischen Arbeiterjugend. 1920 trat er der SPD bei, für deren Grundsätze er sich bald stark engagieren sollte. Trotz der Überwachung gelang es ihm, während des Nationalsozialismus die Kontakte zu Gleichgesinnten aufrechtzuerhalten.

Im ersten Nachkriegsjahr begann in Berlin ein Kampf um Bürgerfreiheiten und die Eigenständigkeit der SPD. Viele Sozialdemokraten und Kommunisten, darunter der damalige Berliner SPD-Vorsitzende Otto Grotewohl, traten nach der Erfahrung der Niederlage der gespaltenen deutschen Arbeiterbewegung gegen die Nationalsozialisten für die Gründung einer gemeinsamen Partei von Sozialdemokraten, Sozialisten und Kommunisten ein. Ende 1945 begann auch die von Walter Ulbricht geführte KPD ihre Kampagne für die Vereinigung von KPD und SPD zur SED. Franz Neumann widersetzte sich diesem Vorhaben, weil er befürchtete, dass die Kommunisten den Sozialdemokraten ihre leninistische und stalinistische Ideologie aufzwingen wollten. Neumann organisierte in Absprache mit Kurt Schumacher im März 1946 eine Urabstimmung der Berliner Sozialdemokraten über die Frage einer Vereinigung mit den Kommunisten. Als Sprecher und Volkstribun der Berliner Gegner einer sozialistischen Einheitspartei wurde er über die Reihen seiner eigenen Parteifreunde hinaus bekannt. Im Ostsektor der Stadt verbot die sowjetische Militäradministration die Abstimmung. Eine große Mehrheit der 33.000 organisierten Sozialdemokraten in den Westsektoren Berlins lehnte die Vereinigung ab, befürwortete aber eine Zusammenarbeit von Sozialdemokraten und Kommunisten beim Wiederaufbau Deutschlands. Die Abstimmung hatte eine große Bedeutung für die deutsche Nachkriegsgeschichte, denn die Zwangsvereinigung von SPD und KPD in der Ostzone wurde zum ersten Schritt des Aufbaus der späteren SED-Diktatur in der DDR.

In den 1950er Jahren war sein Verhältnis zu den Regierenden Bürgermeistern Ernst Reuter und Otto Suhr nicht immer frei von Spannungen. Als Franz Neumann nach dem Tode Suhrs der Wahl Willy Brandts in das Amt des Regierenden Bürgermeisters widersprach, verlor er Zustimmung in den Reihen der Berliner SPD und in der Öffentlichkeit.

Von 1946 bis 1958 war Neumann Vorsitzender der Berliner SPD.

Abgeordneter

Im März 1933 standen Kommunalwahlen an, wobei Neumann zunächst den siebenten Platz auf der sozialdemokratischen Liste für die Wahl des Reinickendorfer Bezirksparlamentes innehatte, doch durch den Herrschaftsantritt der Nationalsozialisten und den damit verbundenen Terror gegen die Arbeiterbewegung resignierten seine Mitstreiter und Neumann wurde Spitzenkandidat seiner Partei in Reinickendorf. An der Ausübung des Mandats haben ihn die neuen Machthaber gehindert.

Schriftzug im Berliner U-Bahnhof Franz-Neumann-Platz

1946 wurde Neumann zum Mitglied der Stadtverordnetenversammlung (später Abgeordnetenhaus) gewählt. Er übte dieses Mandat bis zum 3. März 1960 aus. Neumann gehörten dem Deutschen Bundestag von 1949 bis 1969 an. Am 5. Dezember 1952 wurde er wegen ungebührlichen Verhaltens von Bundestagspräsident Hermann Ehlers für den Rest der Sitzung aus dem Saal gewiesen. 1966 stimmte Neumann gegen die Wahl Kurt Georg Kiesingers zum Kanzler der Großen Koalition, wie er zuvor gegen die Wiederwahl des Bundespräsidenten Heinrich Lübke votiert hatte.

Literatur

  • Der Präsident des Abgeordnetenhauses von Berlin (Hrsg.): Franz Neumann – Arbeiterkind, Sozialdemokrat, Abgeordneter – Gedenkveranstaltung des Abgeordnetenhauses und des Senats von Berlin zum 100. Geburtstag. Berlin 2005.
  • Rudolf Vierhaus und Ludolf Herbst (Hrsg.): Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949−2002. Band 2, N–Z, Saur, München 2002 ISBN 3-598-23782-0, S. 599

Weblinks


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