Freedom Charter

Freedom Charter

Die Freiheitscharta (englisch Freedom Charter, afrikaans Vryheidsmanifes) ist ein Dokument, das während der als Apartheid bezeichneten Zeit der Rassentrennung in Südafrika am 26. Juni 1955 in Kliptown, einer Siedlung im Umland von Soweto bei Johannesburg, vom sogenannten Congress of the People (Volkskongress) beschlossen wurde. Diesem gehörten rund 3000 Menschen an, die den African National Congress (ANC) der schwarzafrikanischen Bevölkerungsmehrheit, den South African Indian Congress als Vertreter der südafrikanischen Einwohner indischer beziehungsweise asiatischer Abstammung, die South African Coloured Peoples Organization der Bevölkerungsgruppe der Coloured (Mischlinge) sowie den von progressiven Weißen gegründeten Congress of Democrats repräsentierten. Die Charta war mit Forderungen nach Demokratie, nach Gleichberechtigung sowie nach Respektierung der Menschenrechte ein wichtiges Instrument der Anti-Apartheid-Bewegung und gehört bis in die Gegenwart zu den politischen Grundlagen des ANC.

Inhalte und Bedeutung

Die Freiheitscharta folgte in der historischen Entwicklung des ANC der zwölf Jahre zuvor verabschiedeten Erklärung Africans’ Claims in South Africa (Forderungen der Afrikaner in Südafrika). Sie umfasste als Gegenprogramm zur Apartheid in zehn Punkten Forderungen nach Demokratie, nach Gleichberechtigung aller Einwohner Südafrikas unabhängig von ethnischer Zugehörigkeit, Hautfarbe oder Geschlecht sowie nach Respektierung grundlegender Menschenrechte wie der Meinungsfreiheit, der Versammlungsfreiheit, der Religionsfreiheit, der Reisefreiheit und des Rechts auf Privatsphäre. Die zentrale Losung des Dokuments war The People Shall Govern! – „Das Volk soll regieren!“. Weitere Punkte bezogen sich auf angemessene Arbeitsbedingungen, soziale Sicherheit einschließlich der Verfügbarkeit menschenwürdigen Wohnraums und freier Gesundheitsversorgung für alle Menschen sowie einen uneingeschränkten Zugang zu Bildung und Kultur. An der Ausarbeitung der Freiheitscharta war der damalige ANC-Präsident und spätere Friedensnobelpreisträger Albert John Luthuli maßgeblich beteiligt. Alle am Volkskongress beteiligten Organisationen stimmten der Charta in der Folgezeit auf entsprechenden Tagungen zu.

Durch die Freiheitscharta erhielten Begriffe wie Freiheit und Selbstbestimmung sowie die Losung des Kongresses Freedom in our lifetime – „Freiheit zu unseren Lebzeiten“ – eine konkrete praktische Bedeutung, indem im Text der Charta beschrieben wurde, was Freiheit tatsächlich in den verschiedenen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens bedeuten würde. Die Charta, in der damit eine Vision von einem Südafrika ohne Apartheid dargestellt war, gab auf diese Weise den Mitgliedern der am Einsatz gegen die Rassentrennung beteiligten Gruppierungen einen Orientierungspunkt sowie Ziele für ihr Wirken, und war ein wichtiges Instrument bei der Motivierung ihrer Basis und der Rekrutierung neuer Mitglieder. Darüber hinaus führte die Verabschiedung der Freiheitscharta einerseits zur Stärkung des ideologischen Zusammenhalts der am Volkskongress beteiligten Organisationen, andererseits aber auch zum Austritt von radikalen ANC-Mitgliedern, die den gemäßigten Kurs des ANC ablehnten und 1959 den Pan Africanist Congress gründeten.

Die südafrikanische Regierung sah die Durchführung des Volkskongresses sowie die Verabschiedung der Freiheitscharta als einen Akt des Verrats und ließ rund ein Jahr später 156 Führer der beteiligten Organisationen verhaften unter dem Vorwurf, einer landesweiten kommunistischen Verschwörung mit dem Ziel eines gewaltsamen Umsturzes anzugehören. In nachfolgenden Gerichtsprozessen im Laufe der nächsten fünf Jahre wurden jedoch alle Angeklagten freigesprochen. Der Besitz und die Weiterverbreitung der Freiheitscharta waren jedoch in Südafrika während der Zeit der Apartheid verboten. Auch nach dem Ende der Rassentrennung in Südafrika zählt sie bis in die Gegenwart zu den programmatischen Grundlagen des African National Congress.

Literatur

  • Ismail Vadi: The Congress of the People and the Freedom Charter Campaign. Sterling Publishers, New Delhi 1995, ISBN 8-12-071813-5
  • Kader Asmal, David Chidester, Cass Lubisi: Legacy of Freedom: the ANC’s Human Rights Tradition: Africans’ Claims in South Africa, the Freedom Charter, the Women’s Charter, and other Human Rights Landmarks of the African National Congress. Jonathan Ball, Johannesburg 2005, ISBN 1-86-842218-6
  • Raymond Suttner, Jeremy Cronin, Patrick Lekota und andere: 50 Years of the Freedom Charter. Unisa Press, Pretoria 2006, ISBN 1-86-888375-2

Weblinks


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