Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union

Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union
Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union
Fau logo 250px.png
Typ Gewerkschaft
Gründung 1977
Sitz Frankfurt a.M.[1]
Aktionsraum Deutschland
Methode direkte Aktion
Angestellte 0
Motto Mehr als nur Gewerkschaft
Website http://www.fau.org

Die Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU) ist eine 1977 gegründete anarchosyndikalistische Gewerkschaft. Ihre Mitgliederzahl wird staatlicherseits auf etwa 340 Mitglieder geschätzt.[2] Die FAU ist die deutsche Sektion der Internationalen ArbeiterInnen-Assoziation (IAA). Sie sieht sich selbst in der Tradition der 1933 aufgelösten Freien Arbeiter-Union Deutschlands (FAUD).

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die FAU wurde 1977 zunächst als Initiative FAU (I-FAU) gegründet. Vorangegangen war die Wiedergründung der spanischen Basisgewerkschaft CNT nach dem Tod Francos. An der Gründung der FAU waren maßgeblich auch Exilmitglieder der CNT beteiligt. Die FAU will die Tradition der FAUD fortsetzen, die 1933 aufgrund der Machtübernahme der Nationalsozialisten aufgelöst wurde. Viele Veröffentlichungen zur Geschichte des (Anarcho-)Syndikalismus in Deutschland wurden und werden von Mitgliedern der FAU verfasst.

Ausrichtung

Die FAU unterscheidet sich von anderen deutschen Gewerkschaften durch ihre basisdemokratische Struktur und sozialrevolutionäre Programmatik.

Die FAU lehnt den Parlamentarismus und die Volksvertretung ab. Laut eigenen Darstellungen sollen realpolitische Ziele nicht über den „Umweg“ über das Parlament, sondern direkt mit Hilfe von Streik, Boykott und direkter Aktion, wie bspw. Sabotage, erreicht werden. Gegenüber anderen Aktionsformen wie auch Betriebsratswahlen hat sie ein taktisches Verhältnis[3]. Aus praktischen wie ideellen Gründen werden das Prinzip der Sozialpartnerschaft und freigestellte oder bezahlte Funktionäre abgelehnt.

Mit dem Anarchosyndikalismus gehen, je nach Ortsvereinigung, auch Theorien und Praxis der Autonomen sowie der Operaismus einher. Mit ihrer Aktivität will die FAU neben einer konkreten Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen die soziale Revolution vorbereiten, mit der die klassen- und herrschaftslose Gesellschaft mittels Generalstreik erreicht werden soll.

Die FAU wird durch den Verfassungsschutz des Landes Niedersachsen als linksextremistisch eingestuft.[4] Sie wird im Bundesverfassungsschutzbericht 2010 als Traditionelle Anarchisten geführt.

Struktur

Die FAU ist entsprechend der Theorie des Anarcho-Syndikalismus eine basisdemokratische Gewerkschaft, die föderalistisch aufgebaut ist. Sie organisiert sich bundesweit mittels eines Delegiertensystems. Ein wesentliches Merkmal ist das imperative Mandat, d.h. die Delegierten der FAU sind der Organisation nicht nur rechenschaftspflichtig, sondern können auch jederzeit abgewählt werden.

Die Grundlage der FAU bilden die sogenannten Syndikate, unabhängige Basisgewerkschaften einer wirtschaftlichen Branche. Sie sind in ihren Entscheidungen autonom von der restlichen Struktur. Die Syndikate der einzelnen Branchen eines Ortes schließen sich vor Ort zu sogenannten Lokalföderationen zusammen. Die Syndikate einer Branche verschiedener Orte wiederum bilden bundesweite Branchenföderationen. Lokale Entscheidungen werden in der Regel durch Vollversammlungen herbeigeführt.

Die Lokalföderationen ihrerseits, also der Zusammenschluss der einzelnen branchenspezifischen Basisgewerkschaften (Syndikate) eines Ortes, bilden die bundesweite FAU. Diese tritt einmal jährlich zu einem Kongress zusammen. Auf diesem werden bundesweite Beschlüsse gefasst, sowie die bundesweiten Mandatsträger wie z.B. eine ehrenamtliche Geschäftskommission gewählt – in der Regel für die Dauer von maximal zwei Jahren (Rotationsprinzip).

Die Kassen der FAU, also deren finanzielle Töpfe wie Rechtsmittel- oder Streikfonds, sind so aufgebaut, dass sie sich möglichst weit an der Basis befinden. D.h. sie sind genauso wie die organisatorischen Strukturen der FAU von unten nach oben aufgebaut (lokalistisches Prinzip), sprich zuerst nach Syndikaten, dann Lokalföderationen, Regionen, Bundes-FAU und zuletzt im internationalen Zusammenschluss der IAA mit den Schwestergewerkschaften.

Als Teil der gewerkschaftlichen Arbeit beteiligen sich Mitglieder der FAU am Aufbau von Betriebsgruppen. Diese stehen auch Nichtmitgliedern offen und dienen in erster Linie als Plattform für die betriebliche Arbeit.

Aktuelle Situation

Demonstration der FAU vor dem Kino Babylon Mitte 2009

Die Mitglieder der FAU sind in rund 40 Lokalföderationen und Syndikaten organisiert.[5]

Branchenorganisationen der FAU gibt es vor allem im Bereich der Kulturarbeit (Berlin), im IT-Sektor (Berlin, Frankfurt am Main, Hannover, Hamburg) und in den Gesundheitsberufen (Hannover, Berlin, München). Die Organisation im Bildungsbereich – vor allem in universitären Sektor – als Bildungssyndikate konnte nur teilweise (Berlin) aufrechterhalten werden. Relativ stark ist die FAU seit 2004 in der Leiharbeitsbranche vertreten, dort ist sie die einzige Gewerkschaft in Deutschland, die jemals einen Streik gegen eine Leiharbeitsfirma geführt und gewonnen hat.[6]

Im Herbst 2007 produzierte im thüringischen Nordhausen die auch von FAU-Anhängern inspirierte Belegschaft einer Fahrradfabrik das StrikeBike in Selbstverwaltung, nachdem die Firma nach einer Übernahme geschlossen wurde. Die Arbeiter erhofften sich dadurch drei weitere Monatslöhne und internationale Solidarität, welche auch breit bekundet wurde. Einige ehemalige Mitarbeiter des Betriebes gründeten Mitte 2008 StrikeBike.

Seit 2008 existiert die unabhängige Anarcho-Syndikalistische Jugend als Jugendvernetzung.

Nach einem Prozess der Betreiber des Kino Babylon Mitte gegen die FAU Berlin in Zusammenhang mit dem Arbeitskampf der Beschäftigten des Kinos wurde vom 10. Senat des Berliner Landesgerichtes im Urteil vom 6. Januar 2010 eine einstweilige Verfügung vom 11. Dezember 2009 [7] bestätigt, in der es der FAU Berlin wegen fehlender Wirkmächtigkeit[8] bis auf Weiteres verboten wurde, sich Gewerkschaft oder Basisgewerkschaft zu nennen. Die einstweilige Verfügung wurde am 10. Juni 2010 vom Kammergericht Berlin wieder aufgehoben.[9]. Mit diesem Konflikt beschäftigt sich der Film Babylon System – Prekäre Organisierung mit Vorführ-Effekt[10].

Sonstiges

Die FAU ist Herausgeberin der anarchosyndikalistischen Zeitung Direkte Aktion, die alle zwei Monate erscheint und nach Angaben des Verfassungsschutzes im Jahr 2008 eine Auflage von 3.000 Exemplaren hatte.[2]

Auch in der Schweizer Stadt Bern existiert eine FAU. Diese bezeichnet sich ebenfalls als anarchosyndikalistische Gewerkschaft[11], ist allerdings von der deutschen FAU unabhängig und kein Mitglied der IAA.[12]

Literatur

Sekundärliteratur

  • Andreas Schulze: Kleinparteien in Deutschland : Aufstieg und Fall nicht-etablierter politischer Vereinigungen. Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden 2004, ISBN 3-8244-4558-1. (Zugleich Dissertation an der TU Chemnitz von 2003.)

Selbstdarstellungen der FAU

  • FAU. Die ersten 30 Jahre (1977-2007), erschienen bei Syndikat-A, ISBN 978-3-86841-004-4. (Inhalt: Kapitel I - Der Anarchosyndikalismus in der BRD im Vorfeld der Gründung der FAU | Kapitel II - Konsolidierung der FAU in den 1980er Jahren. | Kapitel III - Gewerkschaft oder Propagandaorganisation? Die FAU in den 1990er Jahren. | Kapitel IV - Die Entwicklung seit 2000 und die FAU heute | Kapitel V - Die IAA und ihre deutsche Sektion FAU. | Kapitel VI - 100 Jahre Syndikalismus in Deutschland von 1878 bis 1978 | Anhang. 256 Seiten, mehr als 300 Fotos und Dokumente).
  • „Statuten“ der FAU vom 25. August 2008 (abgerufen am 14. November 2010)
  • „Prinzipienerklärung“ der FAU diverse Auflagen seit 1989, Syndikat A, Anarcho-Syndikalistischer Medienvertrieb, Moers 1989/1996/2004/2006
  • Martin Veith: „Die anarcho-syndikalistische Gewerkschaft“, Bremen 2000.
  • A.G Amsterdam/FAU Bremen (Hrsgg.): Notes From The Class Struggle. Small group workplace organising in present-day Germany and the Netherlands, Amsterdam/Bremen 2007.
  • Bernd Drücke (Hrsg.): ja! Anarchismus. Gelebte Utopie im 21. Jahrhundert. Interviews und Gespräche. Karin Kramer Verlag, Berlin 2006. ISBN 3-87956-307-1 (Der Band enthält Interviews mit 24 Anarchisten, darunter die FAU-Mitglieder Horst Stowasser, Michael Halfbrodt, Ralf Burnicki, Mona Grosche und Torsten Bewernitz)
  • FAU-Bremen (Hg.): Kurze Einführung in die Geschichte des Anarcho-Syndikalismus und der FAU-IAA, Bremen 1998.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. FAU-IAA: Geschäftskommission. Abgerufen am 14. November 2010.
  2. a b Bundesministerium des Innern: Traditionelle Anarchisten - FAU-IAA. In: „Verfassungsschutzbericht 2010“, S. 132.
  3. Die FAU und Betriebsratswahlen: Pro-Contra-Diskussion in der Direkten Aktion in den Ausgaben Januar/Februar und März/April 2008 (abgerufen am 26. Januar 2011)
  4. Niedersächsisches Ministerium für Inneres, Sport und Integration: Verfassungsschutzbericht 2010, S. 166
  5. Website der FAU: FAU Gewerkschaften - Lokalföderationen und Syndikate., (abgerufen am 28. Juli 2011)
  6. Website der FAU: FAU Frankfurt a.M. - It.A – Arbeitskampf beendet, zentrale Forderungen sind erfüllt., 23. Dezember 2005 (abgerufen am 14. November 2010)
  7. Pressemitteilung der FAU-Berlin: Einstweilige Verfügung vom 11. Dezember 2009 PDF-Datei, 14. Juli 2008 (abgerufen am 11. Juli 2010)
  8. Jörn Boewe: Noch nicht tarifmächtig Junge Welt, 17. Februar 2010 (abgerufen am 11. Juli 2010
  9. Pressemitteilung der FAU-Berlin: FAU Berlin gewinnt Prozess um Gewerkschaftsfreiheit, 10. Juni 2010 (abgerufen am 14. Juli 2010)
  10. Babylon System – Prekäre Organisierung mit Vorführ-Effekt (Film zum Arbeitskampf im Kino Babylon Mitte, abgerufen am 25. Januar 2011)
  11. Die FAU in Bern (Schweiz): Website und Selbstdarstellung der Schweizer FAU, 14. Juli 2008 (abgerufen am 11. Juli 2010)
  12. The International Workers Association (IWA): Offizielle Website der IWA, 14. Juli 2008 (abgerufen am 11. Juli 2010)

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