Albert Stohr

Albert Stohr
Wappen als Fensterbild im Mainzer Dom

Albert Stohr (* 13. November 1890 in Friedberg; † 3. Juni 1961 in Seligenstadt) war Bischof von Mainz.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Ausbildung und Tätigkeit als Priester

Albert Stohr war der Sohn des Reichsbahn-Obersekretärs Emil Stohr und dessen Frau Elisabeth aus Friedberg (Hessen); Albert erlangte 1909 an der Augustinerschule Friedberg das Abitur. Anschließend besuchte er das Priesterseminar in Mainz, wo er sich mit Romano Guardini befreundete. Stohr erhielt am 19. Oktober 1913 im Mainzer Dom die Priesterweihe. Als Priester war er zunächst 1914 Subrektor des Mainzer Konvikts, 1915 Kaplan an St. Emmeran in Mainz, 1916 Subrektor des Bensheimer Konvikts, 1918 Kaplan in Viernheim und 1919/20 vertretungsweise am Lehrerseminar Bensheim. Ab 1920 studierte er an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und wurde dort 1921 promoviert. Nach weiteren Studien in Münster, Rom und Gießen habilitierte er sich 1924 für Dogmatik bei Martin Grabmann in Freiburg mit einer Arbeit über die Trinitätslehre des Dominikaners Ulrich von Straßburg. 1925 erhielt er einen Ruf auf eine Professur für Kirchengeschichte und Homiletik in Mainz und war von 1926 bis 1935 Ordinarius für Dogmatik. Parallel lehrte er von 1925 bis 1932 am Pädagogischen Institut Mainz. Er engagierte sich unter anderem in der Görres-Gesellschaft.

Von 1931 bis 1933 war er Abgeordneter der Deutschen Zentrumspartei im Hessischen Landtag.

1932 veröffentlichte Stohr im Mainzer Journal einen Artikel unter dem Titel „Warum wir Hitler nicht wollen“ über die Weltanschauung der Nationalsozialisten und den „neuen Blutmythus“ des NS-Ideologen Alfred Rosenberg und kam zu dem Schluss, dass Katholiken und überzeugte Evangelische Hitler nicht wählen dürften.

Amtszeit als Bischof in der Zeit des Nationalsozialismus

Nach dem Tode seines Vorgängers Ludwig Maria Hugo wurde er am 10. Juni 1935 vom Mainzer Domkapitel zum Bischof gewählt und am 17. Juli 1935 von Pius XI. als Bischof des Bistums Mainz bestätigt. Mit 44 Jahren war er jüngster Bischof Deutschlands. Die Bischofsweihe spendete ihm am 24. August 1935 der Freiburger Erzbischof Conrad Gröber. Der nationalsozialistischen Reichsstatthalter Jakob Sprenger verzögerte die Ableistung des Eides auf die Verfassung durch Stohr, sodass dieser erst am 21. September 1935 die Verwaltung des Bistums übernehmen konnte. Die ersten zehn Jahre von Stohrs Amtszeit waren durch die Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Regime geprägt.

1937 verlas Stohr selbst die päpstliche Enzyklika Mit brennender Sorge gegen den Nationalsozialismus und seine Folgen und übernahm die Verantwortung für deren Vervielfältigung, nachdem bereits an der Verbreitung beteiligte Druckereien enteignet worden waren. Im gleichen Jahr wurde Stohr von der Fuldaer Bischofskonferenz zum Referenten für die kirchliche Jugendarbeit ernannt. Dies war besonders heikel, da Jugendarbeit außerhalb der Kirchenmauern im gleichgeschalteten System des Nationalsozialismus verboten war.

Stohr wurde mehrfach Ziel von nationalsozialistischen Hetzkampagnen; Wallfahrten wurden verboten, weil Stohr dabei die Nationalsozialisten kritisierte. Da kirchliches Wirkens nach außen zunehmend unmöglich wurde, berief er über Pfingsten 1937 eine Diözesansynode ein, um zumindest die bestehenden Strukturen und Dienste gegen noch schlimmere Angriffe zu schützen und die Widerstandskraft im Bistum zu erhalten.

Nachdem im Juli 1938 die Wohnung des Rottenburger Bischofs Joannes Baptista Sproll von Nationalsozialisten gestürmt wurde und Sproll im August gewaltsam von der Gestapo aus seiner Bischofsstadt verschleppt wurde, protestierte Stohr in einem Rundschreiben an die Bischöfe gegen die Hinnahme der Tätlichkeiten gegen Sproll. Zugleich wandte sich Stohr gegen die Kirchenpolitik Kardinal Innitzers.

1940 wurde Stohr durch die Bischofskonferenz neben dem Jugendreferat auch die Leitung der ständigen „Liturgischen Kommission“ übertragen, in der er für die deutschsprachigen Bistümer wichtige Vorstufen zum Zweiten Vatikanischen Konzil erarbeitete.

Obwohl es zu Stohrs Zeiten geradezu „ein Stilelement des katholischen Episkopates (war), dass man sich eher grundsätzlich äußert und zu aktuellen politischen Aussagen weniger Stellung nimmt“[1] und trotz der Schikanen durch die Nationalsozialisten wandte sich Stohr in seinen Predigten sehr deutlich gegen die Unmenschlichkeit der Nationalsozialisten. 1937 setze er sich in einem Hirtenbrief kritisch mit „Volk und Rasse“ auseinander, in seiner Fronleichnamspredigt 1941 geißelte er die Vernichtung sogenannten „lebensunwerten Lebens“ und forderte die Einhaltung der Menschenrechte. Im August 1943 intervenierte er bei Innenminister Frick zugunsten der verfolgten Juden.

In der während des Zweiten Weltkriegs herrschenden Not verschaffte er mehreren Menschen Unterkunft, obwohl das Bischofspalais in Mainz bereits während der Bombardements von 1942 stark beschädigt wurde. Da 1945 die Gefahr bestand, von den Nationalsozialisten verschleppt zu werden, musste Stohr in Engelstadt untertauchen und sich bis zum Vorrücken der Amerikanischen Armee verstecken. Drei Tage nach der Einnahme der Stadt Mainz durch die Amerikaner kehrte Stohr am 24. März 1945 in seine Bischofsstadt zurück und begann den Wiederaufbau der Kirche und des Landes.

Tätigkeit in der Nachkriegszeit

Noch im März 1945 verkündete er als Ziele des Neuaufbaus die Wiederherstellung und die Vertiefung des religiösen Lebens und forderte ein klares Bekenntnis zum einem sozialen und christlich orientierten Rechtsstaat.

Nach dem Krieg setzte sich Stohr gegen eine kollektive Schuldzuweisung an alle Deutschen ein und warnte auch davor, dass zu weit gehende Entnazifizierungsmaßnahmen gegen Geringbelastete und Mitläufer den Wiederaufbau bremsen könnten. Er befürchtete, dass so die Deutschen von der extremen Rechten zur extremen Linken gedrängt würden. Außerdem setzte sich Stohr bei den Besatzungsmächten für eine schnelle Freilassung der Kriegsgefangenen und für eine verbesserte Versorgung derselben ein.

Ebenfalls engagierte er sich für die Integration der zahlreichen Heimatvertriebenen, allein im Bistum Mainz wuchs die Zahl der Katholiken von rund 439.000 am Anfang seines Episkopats 1935 auf 741.000 zu seinem Ende 1961.

Stohr organisierte auch den ersten deutschen Katholikentag nach dem Krieg: 1948 fand dieser mit ca. 180.000 Besuchern in Mainz statt.

Aufgrund der hohen Arbeitsbelastung wurde erstmals seit dem Untergang des alten Erzbistums Mainz dem Mainzer Bischof 1954 mit Josef Maria Reuß ein Weihbischof zur Seite gestellt.

Ab 1955 wurden die Kriegsschäden am Mainzer Dom beseitigt; 1960 konnte Stohr den neuen Hochaltar 1960 zur Feier seines 25jährigen Bischofsjubiläums weihen.

1959 wurde Stohr in die Theologische Kommission zur Vorbereitung des Zweiten Vatikanischen Konzils berufen, verstarb aber vor dessen Beginn auf einer Firmreise am 3. Juni 1961 im Alter von 70 Jahren.

Würdigung

In seine Amtszeit fallen der Nationalsozialismus, dessen entschiedener Gegner er war, der Zweite Weltkrieg und der anschließende Wiederaufbau des Domes der ebenso wie die Stadt im Zweiten Weltkrieg große Zerstörungen davontrug.

Er war in enger Verbindung mit Romano Guardini maßgebend in der Vorbereitung der Liturgiereform des II. Vatikanischen Konzils.

Zur Pflege der regionalen Kirchengeschichte setzte er sich gemeinsam mit weiteren Bistümern am Rhein für die Gründung der Gesellschaft für mittelrheinische Kirchengeschichte ein. Er förderte die Wiedererrichtung der Mainzer Universität und der Bildungseinrichtungen in katholischer Trägerschaft in seinem Bistum.

Den Studierenden war er besonders verbunden; er war Mitglied der katholischen Studentenverbindungen K.D.St.V. Hohenstaufen Freiburg im Breisgau und V.K.D.St. Hasso-Rhenania Mainz im CV.

Zuletzt trat Stohr für die Rehabilitierung von Romano Guardini ein, dessen „progressistische“ Haltung in Rom Gegenstand von Lehrbeanstandungen war.

Literatur

  • Ludwig Lenhart: Bischof Dr. theol. Dr. iur. h.c. Albert Stohr von Mainz (gest.) [Nachruf], in: AmrhKG 13 (1961), S. 477
  • Ludwig Falck: Die Nachfolger des Willigis auf dem Mainzer Stuhl. In: Wilhelm Jung im Auftr. d. Diözesanbischofs u. d. Domkapitels (Hrsg.): 1000 Jahre Mainzer Dom : (975 - 1975). Werden u. Wandel ; Ausstellungskatalog u. Handbuch ; Ausstellung d. Bischöfl. Dom- u. Diözesanmuseums vom 31. 5. - 31. 8. 1975 Verlag=Bischöfl. Dom- u. Diözesanmuseum. Mainz 1975, Albert Stohr, S. 111f, DNB 760445761.
  • Karl Kardinal Lehmann: „Dominus fortitudo – Der Herr ist meine Stärke.“. Bischof Dr. Albert Stohr (1890–1961) – Hirte in schwieriger Zeit. In: Franz J. Felten (Hrsg.): Mainzer (Erz-)Bischöfe in ihrer Zeit. Mainzer Vorträge Bd. 12, 2008, S. 143-165 (online, abgerufen am 19. November 2011).
  • Werner Marzi: Albert Stohr, Diözesanbischof 1935-1961. In: Institut für Geschichtliche Landeskunde, Elmar Rettinger, Peter Eulberg (Hrsg.): 2000 Jahre Mainz. Geschichte der Stadt. digital. CD-ROM.. 2009 ([1], abgerufen am 19. November 2011).
  • Lothar Kreuzer; Friedberger Geschichtsverein e.V. (Hrsg.): Leben und Werk von Bischof Albert Stohr. Vortrag beim Friedberger Geschichtsverein e.V.. 2010 ([2], abgerufen am 19. November 2011).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Karl Kardinal Lehmann: „Dominus fortitudo – Der Herr ist meine Stärke.“. Bischof Dr. Albert Stohr (1890–1961) – Hirte in schwieriger Zeit. In: Franz J. Felten (Hrsg.): Mainzer (Erz-)Bischöfe in ihrer Zeit. Mainzer Vorträge Bd. 12, 2008, S. 143-165 (online, abgerufen am 19. November 2011).


Vorgänger Amt Nachfolger
Ludwig Maria Hugo Bischof von Mainz
1935–1961
Hermann Volk

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