Friedrich von Holstein

Friedrich von Holstein
Friedrich von Holstein (1906)

Friedrich August Karl Ferdinand Julius von Holstein (* 24. April 1837 in Schwedt; † 8. Mai 1909 in Berlin, genannt Fritz von Holstein) war ein deutscher Diplomat.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Fritz von Holstein enstammte dem mecklenburgischem Uradel; sein Vater war ein preußischer Offizier und Kammerherr. Von seiner Herkunft leitete er das Recht ab, sich Baron nennen zu dürfen. Der Vater verstarb bereits früh bei einem Unfall. Als Kind besuchte Holstein das Köllnische Gymnasium in Berlin, an dem er 1853 das Abitur ablegte. Von 1853 bis 1856 studierte er Rechtsiwssenschaften an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin.

Nachdem er am damaligen Stadtgericht Berlin als Auskultator und Referendar Berufserfahrung gesammelt hatte, wandte er sich im Dezember 1860 der diplomatischen Laufbahn zu und wurde Attachè bei der deutschen Gesandtschaft in Petersburg unter Otto von Bismarck und Kurd von Schlözer. Von 1863 bis 1867 wirkte er nacheinander als Legationssekretär an den preußischen Vertretungen in Rio de Janeiro, London, Washington, Stuttgart, Florenz und ab 1867 in Kopenhagen. Zu dieser Zeit soll er aufgrund seiner Affären mit verheirateten Frauen mehrfach von beleidigten Ehemännern zum Duell aufgefordert worden sein.[1]

1870 wurde er in der politischen Abteilung des Auswärtigen Amts beschäftigt und 1871 nach Versailles berufen. Im November 1871 wurde er in Paris zweiter Botschaftssekretär, im Mai 1872 zum Legationsrat befördert. Im April 1876 kehrte er nach dem Sturz des Grafen Arnim in die Politische Abteilung des Auswärtigen Amts zurück, wurde 1878 Wirklicher Legationsrat, 1880 Wirklicher Geheimer Legationsrat, 1883 Stellvertreter des Unterstaatssekretärs und am 31. März 1891 schließlich Wirklicher Geheimer Legationsrat mit dem Titel ‚Exzellenz‘.

Seine souveräne Aktenkenntnis, sein phänomenales Gedächtnis und seine Erfahrung in Personalfragen machten ihn für drei Kanzler - Bismarck, Caprivi und Hohenlohe - unentbehrlich, doch wurde er nicht sonderlich gemocht[2]. Bismarck nannte ihn den „Mann mit den Hyänenaugen“. In seinen Memoiren berichtete Wilhelm II. später, die Persönlichkeit Holsteins sei ihm „unheimlich“ gewesen. Außerdem klagte Wilhelm II., Bismarck habe im Auswärtigen Amt mit Ausnahme seines Sohns Herbert keinen diplomatischen Nachwuchs aufgebaut. Bismarck habe auf dem Auswärtigen Amt gelastet wie ein Stein im Garten: rolle man ihn zur Seite, dann käme nur „Gewürm“ zum Vorschein. Holsteins Element war das Intrigieren, eine Neigung, auf der zum Teil auch seine Hausmacht basierte. Die mangelnde Sympathie auf Seiten seiner dienstlichen Gesprächspartner konnte ihm kaum entgehen. Er rächte sich offenbar auf seine Weise, indem er in einer Kartei sorgsam über dienstliche Verfehlungen und privates Fehlverhalten seiner Amtskollegen und Vorgesetzten Buch führte, darunter auch über Wilhelm II.

Aufgrund seiner administrativen Tüchtigkeit war Holstein trotzdem ein einflussreicher Außenpolitiker des Deutschen Reiches. Insgeheim hintertrieb er Bismarcks Bündnispolitik und wandte sich gegen die Erneuerung des Rückversicherungsvertrags mit Russland. Er strebte eine Weltmachtstellung des Kaiserreichs an, eine Politik, die von der vorsichtigen Politik Bismarcks deutlich abwich. Nach Bismarcks Entlassung 1890 wurde er wichtigster außenpolitischer Berater Caprivis. Infolge der Ersten Marokkokrise und dem Kongress von Algeciras 1906 wurde sein Scheitern offenbar: es zwang ihn am 14. April zum Rücktritt.

Holstein starb 1909, drei Jahre nach seinem Ausscheiden aus dem Auswärtigen Amt. Sein Leichnam wurde auf dem Invalidenfriedhof in Berlin beigesetzt. Die Grabstätte ist nicht erhalten.

Persönliches

Als Grund für Holsteins Abwendung von und Gegnerschaft zu Bismarck in den 1880er Jahren wird angenommen, dass Bismarck belastendes Material über eine Affäre Holsteins während seiner Zeit bei der preußischen Gesandtschaft in Washington D. C. (1866/1867) besessen habe, dass er den damit ausgeübten Druck allerdings durch die allmähliche Schwächung seiner Position nicht dauerhaft aufrecht erhalten konnte. Die Angelegenheit, um die es dabei ging, bezog sich auf Alice Mason Hooper, die 1866 den US-Senator und berühmten Außenpolitiker Charles Sumner geheiratet hatte, sich nach einem Jahr aber von ihrem Gatten trennte, weil sie diesen verdächtigte, für die Abberufung Holsteins aus Washington verantwortlich zu sein.

Die Angriffe Maximilian Hardens gegen den Liebenberger Kreis um den Fürsten Philipp zu Eulenburg basierten möglicherweise auf Informationen Holsteins (→ Harden-Eulenburg-Affäre), vielleicht auch auf einer Indiskretion Bismarcks selbst. Später prangerte Harden öffentlich Fritz von Holstein als den Hauptverantwortlichen für die Misserfolge der deutschen Außenpolitik nach der Entlassung Bismarcks an.

Holsteins Adresse war jahrzehntelang Berlin S. W. 47, Großbeerenstraße No. 40. Von der spartanisch eingerichteten Wohnung aus, wenige Meter vom Fuße des Kreuzberger Wasserfalls im Viktoriapark entfernt, beeinflusste er nach der Absetzung Bismarcks als Graue Eminenz die Außenpolitik des Kaiserreichs.

Nach ihm ist sein Leibgericht, das Schnitzel Holstein, benannt. Der Koch des Restaurants Borchardt wurde vom ihm genau instruiert, wie er es zubereitet haben wollte. Sein weiteres Leibgericht waren Austern.

Nachlass

Holstein blieb bis an sein Lebensende Junggeselle. Wie auch Leo von Caprivi war er eng befreundet mit der jüdischen Berliner Salonière Helene von Lebbin, die in der Berliner Wilhelmstraße einen politischen Salon unterhielt, in dem vorwiegend Politiker und Diplomaten des Auswärtigen Amts verkehrten. Ihr vererbte er seinen schriftlichen Hauptnachlass, den sie unter Verschluss hielt und kurz vor ihrem Tod an den befreundeten Bankier Paul von Schwabach weitergab. Wegen des brisanten Inhalts verbreitete Schwabach zunächst die Schutzbehauptung, er habe die Papiere vor der Revolution verbrannt.[3]

Dieser Nachlass wurde ein halbes Jahrhundert später unter dem Buchtitel Die geheimen Papiere Friedrich von Holsteins (Göttingen 1956–1963) veröffentlicht.

Schriften

Literatur

Einzelnachweise

  1. Sigilla Veri (= Ph. Stauff's Semi-Kürschner), Bd. 3, Erfurt 1929, S. 46.
  2. S. Fischer-Fabian: Herrliche Zeiten - Die Deutschen und ihr Kaiserreich, Wien 2006 (Nachdruck), S. 212 - 215.
  3. So nahm beispielsweise noch 1929 der Autor des anonym veröffentlichten Buches Gestalten rings um Hindenburg, 1929, S. 79, Schwabach habe die Papiere vernichtet, und „damit das wichtigste Material für die politische Geschichte Wilhelms II und die Beurteilung der Kanzlerschaften Caprivi, Hohenlohe und Bülow vernichtete.“.

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