Friedrich von Rabenau

Friedrich von Rabenau
Friedrich von Rabenau (1937)

Friedrich von Rabenau (* 10. Oktober 1884 in Berlin; † 14. oder 15. April[1] 1945 im KZ Flossenbürg) war ein deutscher Offizier (zuletzt General der Artillerie a.D.), Theologe und Opfer des Nationalsozialismus.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Friedrich von Rabenau wurde als zweiter Sohn des Frauenarztes Dr. med. Friedrich Ludwig Eberhard v. Rabenau und seiner Ehefrau Wally, geb. Noebel geboren. Er hatte noch zwei ältere Geschwister. Nach dem frühen Tod seines Vaters 1885 wuchs er im Hause seines Großvaters und Stadtrats Ernst Noebel in Eberswalde auf.[2]

Von Rabenau, der ursprünglich Pfarrer werden wollte, begann seine Berufsoffizierlaufbahn 1903 als Fahnenjunker beim Feldartillerie-Regiment „Hochmeister“ Nr. 72 in Danzig-Marienwerder, da seine verwitwete Mutter für ein Studium nicht aufkommen konnte. Im Ersten Weltkrieg war er Truppen- und Generalstabsoffizier und kämpfte auch danach im Baltikum gegen die Rote Armee. Von 1922 bis 1927 war er Mitarbeiter des Truppenamtes im Reichswehrministerium und wurde 1924 zum Major, 1929 zum Oberstleutnant befördert. Von 1927 bis 1930 war er Kommandeur der II. Abteilung des Feldartillerieregiments 1 in Königsberg, danach Erster Generalstabsoffizier im Stab des Gruppenkommandos 2 in Kassel. 1932 wurde er zum Oberst und Kommandanten von Breslau befördert, wo es ab 1933 zu immer heftigeren Konflikten mit dem Polizeipräsidenten und SA-Führer Edmund Heines kam. Rabenau bekam anonyme Morddrohungen gegen sich und seine Familie, die erst nach dem „Röhm-Putsch“ und der Entmachtung des SA endeten. Gleichzeitig hielt er Vorträge an der Universität Breslau, wofür er 1935 den philosophischen Ehrendoktor verliehen bekam.[3] Von 1934 bis 1936 war er als Generalmajor Chef der Wehrersatzinspektion im Wehrkreis VI in Münster. In dieser Zeit freundete Rabenau sich mit dem damaligen Bischof Clemens August Graf von Galen an.

1936 wurde er vom damaligen Chef des Generalstabes Generaloberst Ludwig Beck beauftragt, ausgehend vom Reichsarchiv erstmalig ein eigenständiges zentrales deutsches Heeresarchiv in Potsdam aufzubauen. Als „Chef der Heeresarchive“ unterstanden ihm daneben auch die Heeres- bzw. Kriegsarchive in Dresden, Stuttgart und München, später auch die in Wien, Prag und Danzig. Die wissenschaftliche Seriosität der gesammelten Quellen ging ihm über alles, und er wollte ideologische Verfälschungen verhindern.

Ein Vetter, Pfarrer Dr. Eitel-Friedrich von Rabenau, aktives Mitglied der Bekennenden Kirche, wandte sich in Briefen an ihn, worin er dazu aufforderte, im Kirchenkampf zur Bekennenden Kirche zu stehen und den Kampf gegen den Nationalsozialismus aus dem rein Kirchlichen ins Politische zu tragen. Friedrich von Rabenaus Hinwendung zur Theologie war die konsequente Folge seiner geistigen Beschäftigung mit der Frage nach dem ethischen Sinn des Soldatentums. Seine christliche Überzeugung ließ ihn zum frühen Gegner des Nationalsozialismus werden. Seine anti-nationalsozialistische Einstellung machte er in seinem gesamten literarischen Wirken deutlich, was den Machthabern im NS-Staat nicht verborgen blieb: Neuauflagen seiner Schriften wurden teils verboten, und dennoch erscheinende Schriften (insbesondere die Biographie Hans von Seeckts) unterlagen erkennbarer Zensur. Von Rabenau war Rechtsritter des Johanniterordens. So trat er als evangelischer Christ und General entschieden und erfolgreich beim damaligen Reichsführer-SS Heinrich Himmler für den Erhalt der Abtei Maria Laach ein, worum ihn Kardinal Graf von Galen in Münster gebeten hatte. Dieser Einsatz machte ihn bei den Nationalsozialisten einmal mehr suspekt. Rabenau schloss sich jedoch keiner Widerstandsgruppe an, wurde aber Verbindungsmann zwischen Generaloberst Ludwig Beck und Carl Friedrich Goerdeler, den er aus seiner Zeit in Königsberg her kannte.

1937 gehörte er zu denen, die Die Erklärung der 96 evangelischen Kirchenführer gegen Alfred Rosenberg wegen dessen Schrift Protestantische Rompilger unterzeichneten.[4]

Während des Polenfeldzuges war er Kommandeur der 73. Infanteriedivision, danach wieder Chef der Heeresarchive und seit 1940 General der Artillerie. Nach den Erfahrungen im Polenfeldzug kritisierte er Hitlers menschenverachtende Kriegsführung. Damit und mit dem Festhalten an der Religion machte sich Rabenau unbeliebt und wurde 1942 seines Amtes enthoben und in den vorzeitigen Ruhestand (Führerreserve) versetzt. Mit 59 Jahren studierte er evangelische Theologie an der Universität in Berlin und erhielt 1943 den Titel Licentiatus theologiae. Er promovierte über die Militärseelsorge.[5] In seinen Predigten kam seine Sorge um die Nationalsozialistische Ideologie zutage.[6]

Von Rabenau versuchte, höhere Wehrmachtsführer für den Widerstand zu gewinnen, und führte persönliche Gespräche mit Walther von Brauchitsch, Heinz Guderian und Friedrich Fromm. Zur Zeit als Leiter des Heeresarchivs konnten diese Tätigkeiten als Dienstreisen getarnt werden. Bei seiner politischen Einstellung jedoch wurde die Gestapo schnell auf ihn aufmerksam und überwachte ab 1941 sein Telefon und seinen Briefverkehr.[7]

Gedenktafel KZ Flossenbürg

Sein christlicher Glaube verbot es ihm, sich am Attentat auf Hitler zu beteiligen. Dennoch wurde er nach dem 20. Juli 1944 als Mitwisser verhaftet und kam am 11. August 1944 in das Militärgefängnis Berlin-Moabit.[8] Von dort aus wurde von Rabenau am 13. Januar 1945 in das KZ Sachsenhausen und anschließend in das KZ nach Buchenwald gebracht, wo er General der Infanterie Alexander von Falkenhausen, den ehemaligen Staatssekretär Hermann Pünder und den evangelischen Pfarrer Dietrich Bonhoeffer, mit dem er die Zelle teilte, traf.[9] Am 14. oder 15. April 1945 wurde Friedrich von Rabenau als einer der letzten Insassen im KZ Flossenbürg auf ausdrücklichen Befehl Heinrich Himmlers ermordet, ohne dass jemals ein Verfahren gegen ihn eröffnet oder auch nur Anklage gegen ihn erhoben worden wäre. Sein Todesdatum geht ziemlich exakt aus einem Telegramm an die SS-Gruppenführer Richard Glücks und Heinrich Müller hervor, das von SS-Sturmbannführer Kurt Stawizki am 15. April um 8:03 Uhr aufgegeben wurde.[10]

Von Rabenau war mit Eva Kautz verheiratet und hinterließ zwei Töchter.

Auszeichnungen

Publikationen (Auswahl militärisch)

  • Die alte Armee und die junge Generation. Berlin: Mittler 1925.
  • Operative Entschlüsse gegen einen an Zahl überlegenen Gegner. Berlin: Mittler 1935.
  • Wehr und Kultur in: Berliner Illustrirte Zeitung, Sonderband Die deutsche Wehrmacht, Berlin: Ullstein 1936.
  • Seeckt. Leipzig: v. Hase & Koehler 1938.
    • Hans von Seeckt. Aus meinem Leben 1866-1917.
    • Hans von Seeckt. Aus seinem Leben 1918-1936.
  • Scharnhorst nach 1808 - Seeckt nach 1918. Berlin: Landesgeschichtl. Vereinigg. f. d. Mark Brandenburg 1939.
  • Buch und Schwert. Rede anlässlich der Herbstveranstaltungen für das deutsche Schrifttum vom 18. Oktober 1940. Leipzig: Bibliographisches Institut AG 1940.
  • Von Geist und Seele des Soldaten. Berlin: Eher 1940.
  • Geistige und seelische Probleme im jetzigen Krieg. Berlin: Eher 1940.
  • Vom Sinn des Soldatentums. Köln 1941: Du Mont Schauberg.

Ferner schrieb er Vorworte zu:

  • Erinnerungen und Dokumente von Marschall Josef Pilsudski, Band III Militärische Vorlesungen, Essen: Essener Verlagsanstalt 1935-36.
  • Weltrüstung von Michael Freund, Essen: Essener Verlagsanstalt 1936.

aus: Liste der auszusondernden Literatur (Berlin: Zentralverlag, 1946), Deutsche Verwaltung für Volksbildung in der sowjetischen Besatzungszone [12]

Publikationen (Auswahl theologisch)

  • Ernste Laiengedanken (Manuskript) Berlin: 1943
  • 19 Laienpredigten (Manuskript) Berlin: 1943
  • Die Entwicklung der Grundzüge der deutschen Heeresseelsorge bis zum Jahre 1929 unter besonderer Berücksichtigung des 100.000 Mann-Heeres (Licentiatenschrift) Berlin: 1943

Erinnerungsstätten

An Friedrich von Rabenau wird an folgenden öffentlichen Stätten erinnert:

  • Ehrentafel Opfer des Widerstandes vom 20. Juli 1944 in der Dauerausstellung der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin, 1968.
  • Gedenktafel in der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, Innenhof des Arrestbaus, 1970.
  • Gedenktafel in der Komturkirche des Johanniterordens Nieder-Weisel, 1984.
  • Gedenkplatte in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald, Eingang zum Arrestkeller der SS-Kaserne, 1999.
  • Gedenktafel in der St. Egidienkirche, Rabenau, 2004.

Ferner wurde der Benutzersaal des Bundesarchivs - Militärarchivs in Freiburg/Brsg. im Juli 2002 nach ihm benannt.

Literatur

  • Kurt von Rabenau: Chronik der Familie von Rabenau. Teil III D, Haus Schertendorf, Luisenlund 1927.
  • Wilhelm Vorberg: Friedrich v. Rabenau. Ein Lebensbild. Unveröffentlichtes Manuskript, o.O., ca. 1950.
  • Reinhard v. Plessen: Soldat und Theologe. Zum 15. Todestag Generals d.Art. Dr.hc.Lic. Friedrich v. Rabenau. In: Deutsches Adelsarchiv, Nr. 4, 15.April 1960, S. 72-73, Melle, 1960.
  • Hans-Wendel v. Rabenau: In Memoriam Friedrich v. Rabenau. In: Deutsches Adelsblatt, Nr. 4, 15. April 1985, S. 79 ff, Kirchbrak, 1985.
  • Hans-Joachim Ramm: Christliche Elemente im militärischen Widerstand gegen Hitler. In: Beiträge aus der Ev. Militärseelsorge 1/1992, Bonn, 1992.
  • Reinhard v. Plessen: Friedrich von Rabenau. Soldat im Widerstand aus christlicher Verantwortung. Selbstverlag, Celle, 1994.
  • Horst Mühleisen: Friedrich von Rabenau : Soldat, Archivar und Gelehrter ; zu seinem fünfzigsten Todestag. In: Archivalische Zeitschrift 79 (1996), S. 127–140. [1]
  • Hans-Joachim Ramm: Offizier, Christ und Akademiker. In: „...stets einem Höheren verantwortlich...“ Christliche Grundüberzeugungen im innermilitärischen Widerstand gegen Hitler. S. 241 - 249, Neuhausen, 1996.
  • Von der Kriegsschule zum Parlament. Historische Notizen zum Gebäudekomplex Am Havelblick 8. hrsg. v. Präsident des Landtages Brandenburg. Schriften des Landtages Brandenburg, Heft 3/2000, Potsdam, 2000.
  • Manfred Kehrig: Rabenau, Friedrich v.. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 21, Duncker & Humblot, Berlin 2003, S. 67 f.

Weblinks

 Commons: Friedrich von Rabenau – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Weierud, Frode: The Murder of General Friedrich von Rabenau
  2. Willfried Meyer: Verschwörer im KZ. Band Nr. 5 Edition Hentrich Berlin 1999
  3. Willfried Meyer: Verschwörer im KZ. Band Nr. 5 Edition Hentrich Berlin 1999
  4. Friedrich Siegmund-Schultze (Hg.): Ökumenisches Jahrbuch; Zürich: Max Niehans Verlag, 1939
  5. Nachlass im Bundesarchiv
  6. Aufstand des Gewissens, E.S. Mittler & Sohn GmbH, Herford 1985, S. 112-114
  7. Willfried Meyer: Verschwörer im KZ Seite 330. Band Nr. 5 Edition Hentrich Berlin 1999
  8. Willfried Meyer: Verschwörer im KZ Seite 330. Band Nr. 5 Edition Hentrich Berlin 1999. Heiko Roskamp: Verfolgung und Widerstand. Tiergarten - Ein Bezirk im Spannungsfeld der Geschichte 1933-1945. 1988 Berlin S.115.
  9. Manfred Kehrig: Rabenau, Friedrich von
  10. cryptocellar
  11. a b c d e Rangliste des Deutschen Reichsheeres, Hrsg.: Reichswehrministerium, Mittler & Sohn, Berlin 1924, S.141
  12. Datenbank Schrift und Bild 1900-1960

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