Gallus Jakob Baumgartner

Gallus Jakob Baumgartner
Porträt von Gallus Jakob Baumgartner aus der «Gallerie berühmter Schweizer»
«Der Frieden von Gallörien, dargestellt im neugeflickten und frisch geschnürten St. Gallerwappen». Karikatur auf die St. Galler Verfassung von 1861. In der Mitte der Fasces Gallus Jakob Baumgartner, der wesentlich im Verfassungsrat mitwirkte

Gallus Jakob Baumgartner (* 16. Oktober 1797 in Altstätten; † 12. Juli 1869 in St. Gallen) war ein führender liberaler und später konservativer Schweizer Politiker in der Zeit der Regeneration und Entstehung des modernen Bundesstaates.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Nach dem Besuch der katholischen Kantonsschule in St. Gallen wurde Baumgartner als talentierter, aber mittelloser Knabe durch den damaligen Landammann des Kantons St. Gallen, Karl Müller-Friedberg, gefördert. Er studierte in Freiburg und Wien Jura und arbeitete vorerst als Hauslehrer in Wien und Ungarn. Im November 1819 wurde er von den österreichischen Behörden verhaftet, weil er 1817 einer Privatgesellschaft junger Schweizer in Wien angehört hatte. Nach Untersuchungshaft bis im August 1820 wurde er aus Österreich ausgewiesen.

1823 begann Baumgartner mit der Protektion von Müller-Friedberg als Staatsarchivar und als Legationssekretär bei der eidgenössischen Tagsatzung eine Beamtenlaufbahn im Kanton St. Gallen. 1825 wurde er durch indirekte Wahl in den Grossen Rat (Kantonsparlament) gewählt, dem er bis 1869 angehörte. Der Grosse Rat wählte ihn 1826 zum ersten Staatsschreiber und 1827 zum Legationsrat, d. h. kantonalen Vertreter bei der eidgenössischen Tagsatzung.

Nach dem Beginn der Regeneration nach der Julirevolution in Frankreich 1830 wandte sich Baumgartner gegen seinen konservativen Mentor Müller-Friedberg und publizierte die Verhandlungen des Grossen Rates und die Staatsrechnung. Daneben veröffentlichte er zahlreiche kritische Artikel und Flugschriften, in denen er radikal-liberale Positionen einnahm und eine Revision der Kantonsverfassung verlangte. Nach den Volksversammlungen von Wattwil und Altstätten im Dezember 1830 gab der Grosse Rat nach und liess einen Verfassungsrat vom Volk wählen. Baumgartner wurde dessen erster Sekretär und trug massgeblich zur Ausarbeitung der liberalen Kantonsverfassung von 1831 bei und wurde in die Kantonsregierung gewählt. 1832 ersetzte er Müller-Friedberg als Landammann.

Baumgartner nahm im Kanton St. Gallen und durch seinen grossen publizistischen Einfluss als Redaktor des «Erzählers», einer damals in der deutschsprachigen Schweiz sehr einflussreichen Zeitung, eine sehr starke politische Stellung ein. Der Kanton St. Gallen wurde bisweilen als «Kanton Baumgartner» bezeichnet. Dabei vertrat Baumgartner dezidiert antiklerikale, antiaristokratische und radikal-liberale Positionen, die er mit wortgewaltigen Reden an Parteitagen und Volksversammlungen vorbrachte. Als Vorkämpfer der liberalen Erneuerung trieb er den Versuch einer Bundesrevision 1832/33 voran und gilt als Architekt des Siebnerkonkordats und der Badener Artikel, mit denen sich die sieben regenerierten Kantone gegenseitig vor der Reaktion zu schützen suchten. Bis 1841 blieb Baumgartner unangefochten der Führer der liberalen Bewegung in der Schweiz.

Im Kanton St. Gallen trieb Baumgartner den Aufbau eines modernen Strassen- und Schienennetzes voran und setzte sich mit Ingenieur Alois Negrelli für die Korrektion des Rheins ein.

In den späten 1830er Jahren kam es zu einer gewissen Entfremdung zwischen Baumgartner und der liberalen Bewegung wegen der zunehmend radikalen Kirchenpolitik der Liberalen. Auch vertrat Baumgartner zunehmend autoritäre Positionen gegenüber weitergehenden demokratischen Reformen. Mit der Eskalation des Aargauer Klosterstreits kam es zum endgültigen Bruch. Schwer beleidigt trat er 1841 aus der St. Galler Regierung zurück und wechselte in das politische Lager der Konservativen.

1843 konnte Baumgartner erneut in die Kantonsregierung zurückkehren und stieg nun zu einem der führenden Köpfe der konservativen Bewegung in der Schweiz auf. Er vertrat die Positionen des Sonderbundes, weshalb er 1847 zurücktrat und zeitweilig die Schweiz verliess. Im Frühjahr 1848 kehrte er jedoch bereits wieder zurück und nahm seinen Sitz im Kantonsrat wieder ein. Er lebte nun eher dürftig vom Journalismus und von Verwaltungsratsmandaten. Politisch kämpfte er für eine konservative Revision der Kantonsverfassung.

1857 startete er seine dritte politische Karriere als Ständerat des Kantons St. Gallen. Schliesslich wurde er sogar 1859–1864 zum dritten Mal in die Kantonsregierung gewählt, wo er vergeblich als Verfassungsrat eine katholisch-konservative Revision der Kantonsverfassung durchzusetzen versuchte. Bis zu seinem Tod arbeitete Baumgartner an verschiedenen Geschichtswerken über die Zeit der Regeneration und der Restauration in der Schweiz. Sein Sohn Alexander Baumgartner trat dem Jesuitenorden bei.

Werke

Archive

  • Nachlass in der Bibliothek und Archiv der Schweizer Jesuiten in Zürich, KBSG, StASG

Literatur

  • Briefe des Landammanns Gallus Jakob Baumgartner zur Zeit des Sonderbundes 1844–1848. Fehr, St. Gallen, 1934.
  • Wilhelm Ehrenzeller: Gallus Jakob Baumgartner und der Kanton St. Gallen in den ersten Jahren der Regenerationszeit 1831–1833. Fehr, St. Gallen 1933.
  • Wilhelm Ehrenzeller: Gallus Jakob Baumgartner und die st. gallische Verfassungsrevision von 1830/1831. Fehr, St. Gallen 1932.
  • Gruner, Bundesversammlung 1, 541–543, (mit Bibl.)
  • Georg Hanselmann: Die Kirchenpolitik Gallus Jakob Baumgartners von St. Gallen in den Jahren 1830–1840. Lang, Bern 1975.
  • Die Landammänner des Kt. St. Gallen, in NblSG 111, 1971, 15 f.

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Gallus Jacob Baumgartner —     Gallus Jacob Baumgartner     † Catholic Encyclopedia ► Gallus Jacob Baumgartner     A Swiss statesman, b. 18 October, 1797, at Altstätten, Switzerland; d. 12 July, 1869, at St. Gallen. After attending the gymnasium at St. Gallen he studied… …   Catholic encyclopedia

  • Gallus Jacob Baumgartner — born 18 October, 1797, in Altstätten, Switzerland and died 12 July, 1869, at St. Gall) was a Swiss statesman and prominent federalist. After attending the Gymnasium in St. Gall he studied law at Fribourg, Switzerland, and in Vienna. From 1817 to… …   Wikipedia

  • Baumgartner (Familienname) — Baumgartner ist ein Familienname. Bekannte Namensträger Inhaltsverzeichnis A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z …   Deutsch Wikipedia

  • Baumgartner — Baumgartner, 1) Andreas, Freiherr von, Staatsmann und Gelehrter, geb. 23. Nov. 1793 zu Friedberg in Böhmen, gest. 30. Juli 1865 in Hietzing bei Wien, studierte seit 1810 in Wien, ward 1817 Professor der Physik in Olmütz, 1823 in Wien, 1833… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Baumgartner — Baumgartner, 1) Andreas, Freiherr von B., geb. 1793 zu Friedberg in Böhmen, studirte zu Wien bes. die mathematischen Wissenschaften, wurde 1815 Assistent in der philosophischen Facultät daselbst, 1817 Professor der Physik am Lyceum zu Olmütz u.… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Baumgartner [2] — Baumgartner, Gallus Jakob, geb. 1797 zu Altstätten Kanton St. Gallen, 1825 Mitglied des großen Raths, 1826 erster Staatsschreiber des Kantons St. Gallen, 1831 Mitglied des kleinen Raths, betheiligte sich mit Geist und Energie nicht bloß an den… …   Herders Conversations-Lexikon

  • Baumgärtner — Baum|gärt|ner 〈m. 3〉 Baumzüchter, Baumhändler * * * Baumgartner,   1) Gallus Jakob, schweizerischer Politiker und Publizist, * Altstätten 16. 10. 1797, ✝ Sankt Gallen 12. 7. 1869; Landammann des Kantons Sankt Gallen (1831 41, 1843 47, 1859 64).… …   Universal-Lexikon

  • Alexander Baumgartner —     Alexander Baumgartner     † Catholic Encyclopedia ► Alexander Baumgartner     Poet and writer on the history of literature, b. at St. Gall, Switzerland, 27 June, 1841; d. at Luxemburg, 5 Sept., 1910. His father was Gallus Jakob Baumgartner, a …   Catholic encyclopedia

  • Alexander Baumgartner — (b. in St. Gall, Switzerland, 27 June, 1841; d. Luxembourg, 5 Sept., 1910) was a poet and writer on the history of literature. His father was Gallus Jacob Baumgartner, a prominent statesman. At the abbey school of Maria Einsiedeln in Switzerland …   Wikipedia

  • Alexander Baumgartner — (* 27. Juni 1841 in St. Gallen; † 5. September 1910[1]in Luxemburg) war ein Schweizer Jesuit und Literaturwissenschaftler. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Werke …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”