Gazelle-Halbinsel

Gazelle-Halbinsel
Gazelle-Halbinsel
Der Tavurvur an der Blanche-Bay
Der Tavurvur an der Blanche-Bay
Gewässer Pazifischer Ozean

Geographische Lage

4° 14′ 15″ S, 152° 12′ 40″ O-4.2375152.21111111111Koordinaten: 4° 14′ 15″ S, 152° 12′ 40″ O
Gazelle-Halbinsel (Papua-Neuguinea)
Gazelle-Halbinsel
Aschensedimente am Tavurvur
Aschensedimente am Tavurvur

Die Gazelle-Halbinsel ist der nordöstliche Teil der zum Bismarck-Archipel im Pazifik gehörenden Insel Neubritannien (früher Neupommern) in Papua-Neuguinea. Ihren Namen erhielt die Halbinsel nach dem preußischen Kriegsschiff Gazelle, das auf einer Expedition im Jahr 1868 hier anlandete.[1] Sie gehört auf Grund günstiger ökologisch-geologischer Bedingungen zu den sehr alten Besiedlungsgebieten des Bismarck-Archipels, weit vor der Ankunft europäischer Einwanderer.

Inhaltsverzeichnis

Topographie, Geologie

Einer der so genannten Bienenkörbe in der Blanche-Bai (Aquarell um 1890 von Joachim Graf Pfeil)

Das Gebiet der Gazelle-Halbinsel ist gebirgig und tropisch. Den Hauptteil ihrer Oberfläche bilden die Baining Berge, die nach einer dort lebenden Volksgruppe benannt sind. Das Bergland liegt meist bei 1000 Meter und darüber. Im Zentrum der Halbinsel befindet sich der Mount Sinewit mit 2438 Metern. Die Baining Berge beginnen im Nordwesten der Halbinsel in geringer Entfernung von der Küste und erstrecken sich von dort in das grüne Landesinnere zur Südostküste nahe der Große Bai. Die ihnen vorgelagerten fruchtbaren und wasserreichen Ebenen im Norden und Westen sind ein Gebiet früher Pflanzungen durch die Europäer.

Die Region ist vulkanisch aktiv. Ihre Vulkankraterlandschaft liegt auf einer Landzunge (auch Krater-Halbinsel genannt), die die Blanche-Bai an der Nordküste der Gazelle-Halbinsel umschließt. Einige Krater trugen die Namen Mutter/Mount Kombiu (685 m), Nord-Tochter/Mount Tovanumbatir (539 m) und Süd-Tochter/Mount Turanguna (494 m). Der heute bekannteste Vulkan ist Tavurvur, er hieß früher Ghaie. Die Bucht ist eine große Caldera mit zahlreichen Eruptionsstellen und Fumarolen. An dieser Bucht und gegenüber der vulkanischen Halbinsel mit dem Tavurvur befindet sich der Vulkan Raluan, der heute mit dem Festland verbunden ist und noch um 1900 eine Insel war. Dadurch ist das Gebiet des ehemaligen Simpson-Hafens (Rabaul) von teils aktiven Vulkankratern nahezu völlig umschlossen. Westlich vor der bewohnten Halbinsel Matupi stehen zwei kegelförmige Felseninseln aus Tuffgestein im Wasser und geben ein ungewöhnliches Bild. Sie werden Bienenkörbe genannt.

Zur exakten Überwachung aller vulkanischen Aktivitäten errichtete man 1940 als Konsequenz aus dem verheerenden Ausbruch des Tavurvur im Jahr 1937 auf einen seitlichen Hang des Berges Nord-Tochter ein Vulkanologisches Observatorium (Rabaul Volcanological Observatory). Diese Anlagen erlitten während der japanischen Okkupation Zerstörung. Durch den Japaner und Seismologen Takashi Kizawa werden sie am Sulphur Creek neu errichtet, aber bei den Bombardements der Alliierten erneut zerstört. Die Australische Regierung richtet 1950 auf der Observatory Ridge unter der Leitung von G.A.M. Taylor eine neue vulkanologische Beobachtungsstation ein, die seit 1975 von der Geological Survey of Papua New Guinea (GSPNG) betrieben wird.

Im nördlich der Kraterhalbinsel befindlichen Seegebiet liegt eine große unterseeische Caldera. Die Tavui-Caldera genannte Struktur besitzt eine Ausdehnung von etwa 10 x 12 Kilometern und wurde erst 1985 bei ozeanographischen Vermessungsarbeiten entdeckt. Ihre letzte vulkanische Aktivität wird vor etwa 5000 Jahre zurückdatiert.

Rabaul (Simpsonhafen) der wichtigste Hafenort der Region. Der östlichste Landzipfel trägt den Namen Kap Gazelle und ragt in den St. Georgs-Kanal (Saint George’s Channel) hinein.
Die Halbinsel endet an der Landenge von Neubritannien, die im Westen von der Offene Bay und im Osten durch die Henry Reid Bay als Einengung ihre Abgrenzung findet.

Bewohner

Die Bewohner gehören den Volksgruppen der Tolai und der Baining (in den Baining-Bergen) an. Es werden mehrere Sprachen auf der Halbinsel gesprochen, voran Kuanua, die Hauptsprache der Tolai. Auch das Deutsch-Pidgin Unserdeutsch ist hier entstanden.

In ihrem nordöstlichen Teil liegt die Siedlung Kokopo (bis 1918 Herbertshöhe). Hier befand sich 1899 bis 1910 der Sitz des Gouverneurs der Kolonialverwaltung für Deutsch-Neuguinea.
Die bedeutendste Ansiedlung stellte lange Zeit das Hafengebiet von Rabaul dar. Hier hatten sich durch die günstige Situation für den Tiefgang von großen Schiffen zahlreiche Hafenanlagen entwickelt. Im Jahr 1920 hatte die Siedlung 800 Einwohner.[2] Nach der Zerstörung von 1994 verschob sich der Siedlungsschwerpunkt auf der Halbinsel nach Kokopo.

Die Halbinsel Matupi ist heute noch bewohnt und kann mit dem Schiff und über eine Straße vom Festland erreicht werden. Weitere Siedlungen befinden sich vor allem im Küstenbereich und den flachen Gebieten der Gazelle-Halbinsel.

Mit Unterstützung der Weltbank ist nach der Zerstörung Rabauls im Jahr 1994 ein großflächiges Entwicklungskonzept für den Nordostbereich der Halbinsel in Gang gesetzt worden.

Geschichte

Britische Streitkräfte kontrollieren 1918 den Zugang zur Blanche-Bai
Bombardierung des Hafens durch US-Streitkräfte im Zweiten Weltkrieg
Situation der japanischen Besetzung 1942-1943

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war die Gazelle-Halbinsel in Europa noch unbekannt. In den Jahren 1850 bis 1860 suchten hier gelegentlich Walfisch-Jäger aus Hawaii mit ihren Schiffen nach Verpflegung. Der Kontakt mit den Einheimischen war lange schwierig und endete oft in kleinen kriegerischen Auseinandersetzungen.

Die Hamburger Firma J.G. Godeffroy & Sohn betrieb von ihrem Sitz in Samoa aus Handel mit den Admiralitätsinseln. Im Jahr 1873 entsandte diese Firma Stützpunkt-Händler in das Gebiet, auch auf die Gazelle-Halbinsel. Die Händler wurden von den Einheimischen aber nicht akzeptiert und mussten ihre Stützpunkte wieder aufgeben.

Im Jahr 1875 gründeten die Wesleyaner eine Missionsstation auf der nahen Insel Neu-Lauenburg. Von dort begann man die Missionierung auf der Gazelle-Halbinsel. Im gleichen Jahr gründete die Firma J.G. Godeffroy & Sohn auf Mioko eine Hauptstation, die nach 1900 Zweigniederlassung der deutschen Handels- und Plantagengesellschaft der Südseeinsel zu Hamburg wurde. Dadurch festigten sich die Handelsaktivitäten mit der Gazelle-Halbinsel. Auf die Insel Matupi verlegte 1878 Konsul Eduard Hernsheim (1847-1917) den Hauptsitz seiner Firma Robertson & Hernsheim (später Hernsheim & Co.), weil die Lebensverhältnisse hier gesünder als auf Neu-Lauenburg waren. Diese kleine Insel war später durch eine Holzbrücke mit Rabaul verbunden. Als 1878 Einheimische einige Angehörige der Mesleyanischen Mission erschlugen und es darauf weitere Tote unter den Händlern gab, entschied man sich zu einer Strafexpedition gegen die indigene Bevölkerung auf der Gazelle-Halbinsel. Diese Maßnahme wurde unter der Leitung des Missionars George Brown (1835–1917) von den Ansiedlern durchgeführt. Damit verfolgte man u.a. das Ziel, eine größere Menge des einheimisch Muschelgeldes Dewarra zu erbeuten, um die ökonomischen Beziehungen der Einheimischen untereinander zu schwächen, was auch gelang.

Der Brite Tom Farrel gründete 1883 in Ralum eine Plantagen-Gesellschaft, deren Grundlage eine ältere Pflanzung von Parkinson war. Nach dem Tode von Farrel heiratete seine Witwe (ein Mitglied einer samoanischen Häuptlingsfamilie) den Australier Forsayth. Ihre Selbstbewusstsein und ihre regionalen Beziehungen brachte die Firma E.E. Forsayth zielstrebig voran. Später ehelichte sie den Deutschen Paul Kolbe.

Der Vulkanismus an der Blanche-Bai war für die Ansiedelung eine ständige Bedrohung, wurde aber wegen der angenehmen Lebensbedingungen in Kauf genommen. Während einer besonderen Vulkanaktivität im Jahr 1878 erhob sich aus der Bucht ein vulkanisches Eiland.

Die Missionsstation St. Paul (westlich der Bucht Ataliklikun) wurde 1904 von Einheimischen angegriffen und ihr Missionsleiter Pater M. Rascher sowie neun weitere Personen verloren dabei ihr Leben.

Die Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung entsandte unter der Leitung von Georg Thilenius, dem Leiter des Hamburger Völkerkundemuseums, in den Jahren 1908 bis 1910 eine Expedition (Hamburger Südsee-Expedition) in die Südsee, die dabei auch Untersuchungen auf der Gazelle-Halbinsel durchführte. Zu ihren Teilnehmern gehörte der Hamburger Maler Hans Louis Vogel und der Ethnograph Otto Reche.

Im Ersten Weltkrieg wurden die wichtigsten Punkte auf Neu-Pommern durch britische Truppen besetzt und teilweise militärisch ausgebaut.

Im Jahr 1937 ereignet sich ein schwerer Vulkanausbruch und richtet in der Blanche-Bai große Schäden an.

Die Bedeutung des günstig gelegenen Hafens von Rabaul zog auch im Zweiten Weltkrieg militärische Aktionen auf ihn. Die Anlagen wurden 1942 und 1943 durch US-Streitkräfte (ComAirSols Bomber Command) bombardiert. Das Ziel waren dabei das Hauptquartier der dort stationierten Japanischen 8. Armee (Japanese Eighth Area Army), japanische Frachtschiffe und einige kleine Flugpisten im Bereich der Bucht. Zum Schutz wichtiger Kriegsschiffe existierte im Hafengebiet ein Tunnel.

Die Stadt Rabaul und ihre Umgebung ist bei dem Vulkanausbruch des Tavurvur im Jahr 1994 schwer in Mitleidenschaft gezogen worden und ihr westlicher Stadtteil wurde dabei komplett zerstört.

Wirtschaft

Das wichtigste Produkt aller Pflanzungen während der Kolonialzeit war Kopra. Auf der Halbinsel Gazelle konzentrierte sich um 1900 der Baumwollanbau in Deutsch-Neuguinea. Die Pflanzungen lagen schwerpunktmäßig bei den Siedlungen Herbertshöhe und Ralum. Daneben wurden Tabak und in geringem Umfang Früchte exportiert. Die Nutzung des Meeres spielte hier nur eine geringe Rolle. Man gewann Trepang und Schildpatt für den Export. Der Fischfang versorgte überwiegend den regionalen Markt.[3] Die Neuguinea-Kompagnie hatte an der Ostküste der Halbinsel in Rügen-Hafen ein Sägewerk (Matla) angelegt, das einheimische Hölzer verarbeitete.[4]

Für die Bevölkerung war das hier kultivierte Taro ein wichtiges Lebensmittel. Die Lehmböden in den Baining-Bergen bieten für diese Pflanze eine gute Basis.[5]

Bis heute ist die Hafenwirtschaft eine wichtige Einkommensquelle für die Anwohner. Ferner lebt die Region von Pflanzungen und vom Tourismus. Durch das inzwischen ausgebaute Straßennetz sind die Gebiete des Landesinnern gut erschlossen. Das Tourismusinteresse bündelt sich weitgehend um die vielfältigen Kriegsereignisse im Hafen, an denen mehrere Nationen beteiligt waren.

Die Region ist wegen ihrer günstigen klimatischen Situation und den historischen Vorentwicklungen relativ dicht besiedelt. Darum existiert hier auch ein verzweigtes öffentliches Bussystem (PMV), das durch Busse einiger Hotelunternehmen ergänzt wird. Südlich der Blanche-Bai, am der Landspitze Kap Gazelle, befindet sich der neue Flughafen von Tokua, da der Airport von Rabaul 1994 wie große Teile der Stadt zerstört wurde.

Literatur

  • Andreas Leipold: Das erste Jahr der Hamburger Südsee-Expedition in Deutsch-Neuguinea (1908 - 1909). Hamburg (Diplomica Verlag) 2006 (Magisterarbeit Universität Bayreuth)
  • Joachim Graf Pfeil: Studien und Beobachtungen aus der Südsee. Braunschweig (Friedrich Vieweg und Sohn) 1899
  • Louis Rothschild: L. Rothschilds Taschenbuch für Kaufleute. 42. Aufl., Leipzig (G.A. Gloeckner) 1900
  • Wilhelm Sievers: Allgemeine Länderkunde, Kleine Ausgabe. 2. Bd. Leipzig, Wien (Bibliographisches Institut) 1907
  • Hans Vogel: Eine Forschungsreise im Bismarck-Archipel. Hamburg (L. Friederichsen & Co.) 1911

Einzelnachweise

  1. Pfeil:Studien und Beobachtungen, 1899, S. 14
  2. Karl Bott (Hrsg.): Handwörterbuch des Kaufmanns. Lexikon für Handel und Industrie. Bd. 1, Hamburg (Hanseatische Verlagsanstalt Hamburg) 1925, S. 840
  3. Rothschild: Handbuch Kaufmann, S. 631-632
  4. Hans Vogel: 1911, S. 161
  5. Hans Vogel: 1911, S. 134

Weblinks

 Commons: Gazelle-Halbinsel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Geschichte des Vulkanologischen Observatoriums [1] (englischer Text)
  • Fotogalerie des USGS vom Vulkanausbruch 1994 [2] (englischer Text)
  • Zwei Videoclips des USGS zum Vulkanausbruch 1994 [3] (Englisch)
  • Entwicklungskonzept nach der Vulkankatastrope von 1994 [4] (englischer Text)
  • 80 historische Aufnahmen aus dem Jahr 1933 von Rabaul und Umgebung aus den Beständen der National Library of Australia [5] (englischer Text)
  • submarine Tavui-Caldera im Global Volcanism Program der Smithsonian Institution (englisch)

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