Gegen die Wand

Gegen die Wand
Filmdaten
Originaltitel Gegen die Wand
Produktionsland Deutschland, Türkei
Originalsprache Deutsch, Türkisch, Englisch
Erscheinungsjahr 2004
Länge 116 Minuten
Altersfreigabe FSK 12
Stab
Regie Fatih Akın
Drehbuch Fatih Akın
Produktion Stefan Schubert
Ralph Schwingel
Musik Diverse
Kamera Rainer Klausmann
Schnitt Andrew Bird
Besetzung

Gegen die Wand ist der vierte mehrfach ausgezeichnete Spielfilm des deutsch-türkischen Regisseurs Fatih Akın. Der Film schildert die Liebesgeschichte einer jungen in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Türkin, die eine Scheinehe mit einem älteren, alkoholkranken und drogensüchtigen Landsmann eingeht, um den Moralvorstellungen ihrer Eltern zu entkommen.

Der Film ist der erste Teil einer geplanten Trilogie über Liebe, Tod und Teufel, die 2007 mit Auf der anderen Seite fortgesetzt wurde.

Inhaltsverzeichnis

Handlung

Cahit, ein 40-jähriger Deutsch-Türke aus Hamburg, fährt alkoholisiert und ungebremst gegen eine Wand. Während der Zeit im Krankenhaus lernt er Sibel kennen, die ebenfalls wegen eines Suizidversuches dort ist. Sibel, eine junge Türkin, rebelliert gegen ihr traditionelles türkisches Elternhaus. Sie möchte ihr eigenes Leben leben, sagt „Ich will leben, ich will tanzen, ich will ficken. Und nicht nur mit einem Typen.“ Um diese Unabhängigkeit von ihrem strengen Vater und ihrem dominanten Bruder zu erlangen, sieht sie nur noch die Möglichkeit, eine Scheinehe einzugehen. Cahit, der seine türkische Muttersprache „weggeworfen“ hat, auf jede Frage nach seiner mysteriösen Vergangenheit aggressiv reagiert und sein Taschengeld mit dem Aufsammeln von Flaschen in dem alternativen Club „Fabrik“ verdient, willigt nach einem weiteren Suizidversuch von Sibel ein. Als er bei Sibels Eltern um die Hand ihrer Tochter anhält, gibt er vor, der Geschäftsführer der Gaststätte zu sein, in der er arbeitet.

Nach der Hochzeit sieht er unbeteiligt zu, wie Sibel nach dem Einzug bei ihm ein unbeschwertes und zügelloses Leben führt. Doch nach und nach wird ihm klar, dass er für Sibel mehr empfindet, dass er sie liebt. Seine Zuneigung geht so weit, dass er einen früheren One-Night-Stand Sibels, der schlecht über sie spricht, im Affekt tötet. Cahit wird daraufhin zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. In der Folge wird Sibel, die sich nun selbst in Cahit verliebt hat, von ihrer Familie verstoßen. Sie verspricht Cahit, auf ihn zu warten und zieht nach Istanbul, wo sie in einem Hotel arbeitet, in dem ihre Cousine Selma als Managerin angestellt ist.

Dort stürzt sie indes zunächst in Drogenexzessen vollkommen ab und geht in ihrer Trauer unter. Eines Nachts wird sie von drei Männern, die sie zuvor provoziert hat, beinahe getötet. Ein Taxifahrer findet sie. Als Cahit sie jedoch nach seiner Haftentlassung aufsuchen will, hat sie ihr Leben geordnet, eine neue Beziehung begonnen, aus der eine Tochter hervorging. Nach zwei gemeinsamen Tagen verabreden sich beide am Busbahnhof, um von dort aus in Cahits Geburtsort Mersin zu reisen und dort ein neues Leben beginnen zu können. Nachdem Sibel zur vereinbarten Zeit nicht erscheint, fährt Cahit alleine nach Mersin.

Hintergrund

Der Film wurde in der „Fabrik“ in Hamburg-Altona sowie auf dem Heiligengeistfeld im Hamburger Stadtteil St. Pauli gedreht.[1] Die Aufnahmen im Krankenhaus entstanden in der Asklepios Klinik Nord.[1] Weiterhin wurde in Istanbul gedreht.[1]

Am 12. Februar 2004 feierte der Film seine Premiere bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin, am 11. März 2004 lief er in den Kinos in Deutschland an.[2] In Österreich war er ab dem 2. April 2004 und in der Schweiz ab dem 6. Mai 2004 zu sehen.[2]

Am zweiten Wochenende nach Kinostart spielte der Film fast eine halbe Million Euro an den deutschen Kinokassen ein.[3] Bis zum Ende des Jahres 2004 wurden an den deutschen Kinokassen über 760.000 Besucher gezählt.[3]

„Gegen die Wand“ ist der erste deutsche Film seit 17 Jahren, der bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin einen Goldenen Bären gewinnen konnte.[4]

Für die Rolle der Sibel Güner wurden von Fatih Akın mehr als 350 Darstellerinnen zum Casting geladen.[4] Die Rolle wurde schließlich an Sibel Kekilli vergeben, welche in einem Kölner Einkaufszentrum entdeckt wurde.[4] Drei der ebenfalls für diese Rolle vorgesehenen Frauen sind in einer Szene zu sehen, in der sie sich auf der Couch sitzend über ihre Ehemänner unterhalten.[4] Die Rolle von Sibels Bruder Yilmaz besetzte Fatih Akın mit seinem Bruder Cem Akın.[4]

Birol Ünel hatte keinen Wehrdienst in der Türkei geleistet und konnte daher nicht in sein Heimatland reisen, ohne zu riskieren, verhaftet zu werden. Erst in letzter Minute entschied sich das türkische Parlament dazu, die Einreise ohne drohende Sanktionen zu erlauben, um den Film fertig stellen zu lassen.[4]

Nach dem ersten Schnitt hatte der Film eine Spielzeit von vier Stunden, wurde jedoch schließlich auf 116 Minuten verkürzt.[4]

Um die Produktionskosten zu reduzieren und zugleich natürlicher zu wirken, brachten die meisten Schauspieler ihre eigene Kleidung zum Set.[4]

Nach dem Vorbild klassischer Theater-Tragödien wurde der Film in Musik-Akte unterteilt. Hierbei ist Selim Sesler mit einem Orchester am Bosporus-Ufer zu sehen. Bei der Sängerin handelt es sich um die Schauspielerin Idil Üner, welche die beiden bekannten Volkslieder Saniye’m und Şu Karşıki Dağda Bir Fener Yanar singt.

Für die Choreographie der Kämpfe im Film arbeitete Akın wie auch bei einigen seiner früheren Filme mit dem Kampfsportler Emanuel Bettencourt zusammen.[5]

Kritik

Der Film verarbeitet zwei große Themen: Da ist zunächst die Frage nach der Identität des türkischstämmigen Einwanderers Cahit, der seit dreißig Jahren in Deutschland lebt, und der jungen türkischen Frau Sibel, die in Deutschland geboren und umgeben von einer weltoffenen deutschen Gesellschaft traditionell türkisch erzogen wurde. „Selten spürte man im Kino einen derartigen Lebenshunger: In seinem preisgekrönten Film »Gegen die Wand« entwirft der Hamburger Regisseur Fatih Akın virtuos und kompromisslos das hochemotionale Drama zweier Deutschtürken auf der Suche nach Identität.“, schreibt Oliver Hüttmann in Spiegel Online.[6]

Das zweite Thema ist die Liebesgeschichte zwischen Cahit und Sibel, die reich an Gefühlen und Wirrungen, an Missverständnissen und falschen Vorstellungen ist. Fritz Göttler schreibt dazu in der Süddeutschen Zeitung: „Wahnsinnige Liebe ist das Thema dieses Films. Und Selbstzerstörung. Und: Liebe = Selbstzerstörung. Fatih Akın denkt an Kurt Cobain und Jim Morrison, die Meister der poetischen Selbstzerstörung. Die Gleichung funktioniert, so wird uns suggeriert, nur noch bei den anderen, den Fremden, den Türken. Also nimmt der Film uns mit auf einen Trip in diese Welt, dort ist archaisches Leben – Blut, Schweiß, Tränen –, dort endet eine Szene gern im Exzess.“[7]

Und in der Tat ist Selbstzerstörung das, was beide Themen verbindet. Selbstzerstörung durch maßlosen Alkoholismus, durch die Amokfahrt gegen eine Wand, durch Suizidversuche und durch Gewalt gegen andere. Selbstzerstörung als Rebellion gegen und zum Ausbruch aus der vorgegebenen Identität, Selbstzerstörung aus Liebe.[7]

Die Lösung, die der Film anbietet: die Rückkehr in die Türkei. Cahit verändert sich durch die Liebe zu Sibel zusehends und diese Liebe lässt ihn die Zeit im Gefängnis überstehen und abstinent werden. Sibel erlebt in Istanbul den Höhepunkt ihrer Selbstzerstörung, bevor sie ihr Leben ordnet. Warum sie ihr Leben ordnet, bleibt der Film schuldig. Ob die Rückkehr in die Türkei eine akzeptable Lösung für Sibel und Cahit ist, muss jeder Zuschauer selbst entscheiden. Der Film schweigt sich dazu aus. Aber es ist die Lösung, für die beide Charaktere die nötige Kraft haben.[8]

Akın gelingt es, die Geschichte durch eine intensive Bildsprache sehr realistisch zu erzählen. Sie wird von einem Soundtrack begleitet, der ihren Kontrast voll aufnimmt: Depeche Mode gegen türkisches Volkslied.[9]

Nach der Verleihung des Goldenen Bären und dem Bekanntwerden der Vergangenheit der Hauptdarstellerin Sibel Kekilli konzentrierte sich die Diskussion in den deutschen Medien, insbesondere den Boulevardblättern, zunächst auf ihre Beteiligung an Pornofilmen. Die Tatsache, dass Gegen die Wand der erste erfolgreiche deutsche Film im Rennen um den Goldenen Bären seit Jahren war, wurde weitgehend ausgeblendet. Michael Althen kommentierte: „Ein Goldener Bär, eine schmähliche Kampagne, jetzt wird man sehen, was das alles bringt, und kann womöglich erleben, wie der Film all die Erwartungen spielend unterläuft. Denn die kuriose Liebesgeschichte zweier gescheiterter Selbstmörder besitzt nicht nur eine verstörende Kraft durch die Unbedingtheit, mit der sie erzählt wird, sondern auch eine überraschende Zärtlichkeit für ihre beiden Figuren, denen der Sinn eigentlich nach ganz anderen, viel direkteren Gefühlen steht.“[10]

Auszeichnungen

Der Film Gegen die Wand erhielt folgende Ehrungen:

Adaptionen

Das Drehbuch wurde von Ludger Vollmer als Oper in deutscher und türkischer Sprache adaptiert, die Uraufführung war am 28. November 2008 am Theater Bremen.[11][12]

Bereits seit 2007 führt unter anderem die Studiobühne des Maxim-Gorki-Theaters in Berlin eine von Mathias Huhn inszenierte Sprechtheaterfassung des Filmes auf. Diese stammt von Armin Petras.

Das Junge Theater Göttingen premierte im September 2011 eine komprimierte Fassung von "Gegen die Wand" unter der Regie von Andreas Döring.

Einzelnachweise

  1. a b c Drehorte laut Internet Movie Database
  2. a b Starttermine laut Internet Movie Database
  3. a b Budget und Einspielergebnisse laut Internet Movie Database
  4. a b c d e f g h Hintergrundinformationen laut Internet Movie Database
  5. Emanuel Bettencourt: „Mark und ich haben damals im Kino auf der Reeperbahn immer die Jackie Chan Filme geguckt“ – Interview bei jungemedienhamburg.wordpress.com, abgerufen am 29. August 2010
  6. „Atemloses Ohnmachtsdrama“, Spiegel Online, Oliver Hüttmann, 12. März 2004
  7. a b Süddeutsche Zeitung, Fritz Göttler, 10. April 2004, in: Presseschau zum Film auf film-zeit.de
  8. „Phantasmagorien der Rückkehr. Ursprungsphantasmen der zweiten und dritten Generation türkischer MigrantInnen in Deutschland (am Beispiel der Filme Fatih Akins)“, Dr. phil. Klaus Müller-Richter, Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften, 2006
  9. Filmkritik, angelaufen.de – Der Film-Pressespiegel
  10. Michael Althen: „»Gegen die Wand«: Der Berlinale-Sieger läuft nun im Kino“, FAZ, 9. März 2004
  11. Vorankündigung der Oper durch das Theater Bremen (abgerufen am 12. März 2008)
  12. Besprechung von Benno Schirrmeister: „»Gegen die Wand« als Oper. Diese Musik befreit“, die tageszeitung, 30. November 2008

Weblinks


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