Gehärteter Stahl

Gehärteter Stahl

Das Härten von Stahl ist eine Erhöhung seiner mechanischen Widerstandsfähigkeit durch gezielte Änderung und Umwandlung seines Gefüges. Es kann durch Wärmebehandlung mit anschließendem schnellen Abkühlen erfolgen. Wird ein Metall plastisch verformt, so breiten sich im Werkstück Versetzungen aus. Um nun die Festigkeit zu erhöhen, müssen Maßnahmen getroffen werden, die die Bewegung von Versetzungen behindern.

Inhaltsverzeichnis

Drei wichtige Härtungsverfahren

Das wichtigste Härtungsverfahren ist die Umwandlungshärtung. Hierbei wird das Werkstück soweit erwärmt, dass sich das bei Raumtemperatur vorliegende α-Eisen (Ferrit) in γ-Eisen (Austenit) umwandelt. Im Austenit kann wesentlich mehr Kohlenstoff gelöst werden als im Ferrit (siehe Eisen-Kohlenstoff-Diagramm). Schreckt man den kohlenstoffreichen Austenit nun ab, kann der Kohlenstoff nicht mehr aus dem Gitter diffundieren. In der Folge kann das Eisengitter nicht mehr in das kubisch–raumzentrierte α-Eisen übergehen. Es klappt stattdessen in ein tetragonal-verzerrtes kubisch-raumzentriertes Gitter (Martensit) um, das durch den Kohlenstoff verspannt ist. Eine wichtige Rolle bei dieser Art der Härtung spielt die Abkühlgeschwindigkeit. Je größer die Unterkühlung (Temperaturdifferenz), desto mehr Martensit bildet sich. Gesteuert wird die Umwandlungsgeschwindigkeit durch unterschiedliche Abkühlmedien (Wasser, Öl oder Luft). Weiterhin wichtig ist die chemische Zusammensetzung des Stahls. Kohlenstoff trägt wegen seiner hohen Diffusionsgeschwindigkeit hauptsächlich zur Aufhärtbarkeit bei, die substitionellen Legierungselemente wie z. B. Chrom dagegen bestimmen die Einhärtbarkeit des Werkstoffs. So kann bei kleinen Bauteilen/großen Abschreckgeschwindigkeiten eine Durchhärtbarkeit über den gesamten Querschnitt des Werkstücks erreicht werden. Um gehärtet werden zu können, muss ein Stahl mindestens 0,2 % Kohlenstoff enthalten.

Ferner gibt es die Ausscheidungshärtung durch das temperaturabhängige Lösungsvermögen des Eisengitters für gewisse Fremdatome. Sie werden beim Abschrecken ausgeschieden und verspannen das Kristallgitter. z. B. Zementit.

Der dritte Mechanismus ist die Kaltverfestigung, welche bei der Kaltumformung entsteht. Durch Erhöhung der Versetzungsdichte im Gefüge werden die Gleitvorgänge behindert, dies erhöht die Festigkeit und wird daher Kaltverfestigung genannt. Kaltverfestigung wird besonders bei Buntmetalllegierungen (z. B. Bronze) und Mischkristalllegierungen ausgenutzt.

Härten durch Abschrecken

Zwei der o. e. Verfahren bestehen aus einem Erwärmen bis zu einer werkstoffabhängigen Temperatur, dem Aufrechterhalten der Temperatur der Werkstücke und anschließendem raschen Abkühlen (Abschrecken) unter Beachtung der kritischen Abkühlgeschwindigkeit.

Als Abschreckmedium dient unter anderem Wasser, welchem ggf. entsprechende Zusätze beigegeben werden, die die Oberflächenspannung des Wassers verändern, um das Auftreten des Leidenfrost-Effekt (die isolierende Dampfschicht unter dem Wassertropfen auf einer sehr heißen Herdplatte) zu unterdrücken. Als weitere Abschreckmedien dienen Öl, Salzbad, wässrige Polymerlösungen (z. B. Polyvinylpyrrolidon), Luft oder Gase, z. B. Stickstoff (N2) oder Argon (Ar) (letzteres beim Härten im Vakuum). Nur Stähle mit mehr als 0,2 % Kohlenstoff (C) sind zu solchem Härten geeignet.

Gänzlich ohne Abschreckmedien funktioniert die Härtung mit dem Laserstrahl oder mit dem Elektronenstrahl. Hierbei wird jeweils nur ein kleiner Bereich einer dünnen Oberflächenschicht erhitzt und die notwendige sehr schnelle Abkühlung erfolgt durch die Abfuhr der Wärme in das Werkstück. Diese Prozesse laufen mit sehr hoher Geschwindigkeit ab. Mit den Strahlverfahren lassen sich Werkstückbereiche gezielt lokal (in definierten Grenzen) behandeln, ohne das gesamte Werkstück zu erhitzen.

Physikalische Hintergründe

Basis der Wärmebehandlung ist das Phasendiagramm für Stahl. Es zeigt grafisch an, welche Temperaturen bis zur Erwärmung im so genannten Austenitgebiet erforderlich sind. Diese liegen oberhalb einer charakteristischen Linie im Phasendiagramm, dessen Temperaturwerte als Umwandlungspunkte A3 bzw. A1 gekennzeichnet sind. Sie liegen bei 723 °C oder höher.

Je nach Legierung des Stahles bzw. dem Anteil an Legierungselementen im Stahl muss die kritische Abkühlgeschwindigkeit berücksichtigt werden, bei Überschreiten besteht Gefahr von Rissbildung.

Anlassen des gehärteten Stahls

Hauptartikel: Anlassen

Beim Abschrecken bildet sich in den Außenbereichen (die schnell genug abkühlen) Martensit. Ab einem Kohlenstoffanteil von 0,6 % ist mit Restaustenit RA zu rechnen, da die Mf-Temperatur unter der Raumtemperatur liegt und so nicht das gesamte Austenit in Martensit umgewandelt wird. Die Umwandlung dieses sog. Restaustenits erfolgt verzögert und wird von einer Volumenvergrösserung begleitet. Dies führt zu beträchtlichen Spannungen im Werkstück. Verzug und Risse können die Folge sein.

In diesem nur abgeschreckten Zustand ist der Stahl sehr hart und spröde und für technische Verwendungen nicht brauchbar. Der Zustand wird sehr treffend mit „glashart“ bezeichnet.

In einem zweiten Schritt, dem so genannten Anlassen, oder auch Tempern genannt, kann die Härte vermindert und die gewünschten Gebrauchseigenschaften (Härte, Zugfestigkeit und Zähigkeit) des Stahls eingestellt werden. Dabei wird der Stahl, je nach Legierungsanteilen und gewünschten Eigenschaften, nochmals erwärmt. Es entsteht die gewünschte Gebrauchshärte. Je höher die Anlasstemperatur, desto geringer wird die Härte. Dafür nimmt die Zähigkeit zu.

Das Anlassen wird je nach Gehalt an Legierungselementen und Kohlenstoff im Temperaturbereich von 100–350 °C, bei hochlegierten Stählen bis 600 °C durchgeführt. Einige höher legierte Stähle (wie z. B. Werkstoff 1.2379 mit 12 % Chromanteil) haben ein recht kompliziertes Anlassverhalten, sie erreichen nämlich beim dritten Anlassen mit ca. 500 °C eine höhere Härte als beim ersten Mal (Sekundärhärtemaximum). Bei pulvermetallurgisch erzeugten (PM-)Stählen wird die Gebrauchshärte jedoch über die Starttemperatur beim Abschrecken eingestellt, das Anlassen erfolgt bei einheitlichen Temperaturen.

Den kombinierten Vorgang des Härtens und Anlassens bezeichnet man als Vergüten.

Kornfeinung

Kornfeinung ist eine Möglichkeit zum Erhöhen der Festigkeit metallischer Werkstoffe. Es handelt sich dabei um die Erzeugung eines feineren, kleineren Korns im Gefüge durch geeignete Wärmebehandlung.

Die Kornfeinung erhöht neben der Festigkeit auch die Zähigkeit von metallischen Werkstoffen. Dies verringert u.a. die Neigung des Stahls zur Entstehung von Warmrissen.

Mischkristallverfestigung

Hauptartikel: Mischkristallverfestigung

In der Metallkunde ist eine Legierung ein Gemenge mit metallischem Charakter aus zwei oder mehr chemischen Elementen, von denen mindestens eines ein Metall ist. Das Legierungselement kann mit dem Grundelement eine feste Lösung bilden (einphasige Legierung) oder es bilden sich mehrere Phasen. Während bei einphasigen Legierungen die Eigenschaften im Wesentlichen durch die chemische Zusammensetzung bestimmt werden, werden diese bei mehrphasigen Legierungen zusätzlich maßgeblich durch die Verteilung der Phasen (Gefüge) beeinflusst. Basismetall und Legierungselemente werden auch Komponenten einer Legierung genannt. Um Metalle als Werkstoff besser nutzen zu können, werden ihnen bestimmte Elemente (Legierungselemente) im schmelzflüssigen Zustand zugefügt, die die Werkstoffeigenschaften (Beispiele Härte, Korrosionsbeständigkeit) der „Basismetalle“ auf die gewünschte Weise ändern sollten. Beispiel für Metalllegierungen sind Bronze, Messing, Amalgam, Edelstahl.

Ausscheidungshärtung

Hauptartikel: Ausscheidungshärtung

Eine weitere Möglichkeit zur Legierungsbildung besteht darin, dass die beteiligten Elemente zwar einen gemeinsamen Kristall bilden, der jedoch keinem Kristallsystem der Basiselemente ähnelt. Es entsteht ein eigenes Kristallsystem, das im Gegensatz zu denen von reinen Metallen sehr kompliziert aufgebaut ist. Solche Verbindungen sind zudem sehr hart und spröde. Außerdem erfordern diese Kristalle ein festes Atomzahlenverhältnis. Eine Legierung mit intermediärer Kristallbildung, deren Legierungselemente ausschließlich Metalle sind, nennt man intermetallische Verbindung oder auch Intermetallische Phase. Beispiele für intermediäre Kristallisation sind Al2Cu, Mg2Si, Cu4Sn und Ni3Al (siehe Nickelbasis-Superlegierungen]). Die Kristallisationsformel gleicht der Formel für chemische Verbindungen, welche aber im Gegensatz zu Legierungen eine völlig andere Verbindungsart aufweisen. Das gängigste Verfahren zur Einbringung von Fremdatomen ist das Legieren. Im Stahl können Fremdatome auch durch das Carbonisieren bzw. Nitrieren eingebracht werden.

Siehe auch

Weblinks


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