Geislinger Steige

Geislinger Steige

Die Geislinger Steige ist ein alter Handelsweg auf die Schwäbische Alb. Sie verbindet Geislingen an der Steige an ihrem Fuß in Richtung Südsüdosten durch das Tal des Eyb-Zuflusses Rohrach mit Amstetten und zählt zu den bekanntesten Albaufstiegen. Der Name bezeichnet zwei verschiedene Verkehrswege:

  • Die seit der Römerzeit bestehende Fernstraße zwischen Geislingen an der Steige und Amstetten, heute ein Abschnitt der Bundesstraße 10
  • Die Eisenbahnrampe im Zuge der Filstalbahn, Teil der Hauptstrecke zwischen München und Stuttgart

Die am östlichen Talhang verlaufende Eisenbahnrampe ist 5,6 km lang und überwindet dabei einen Höhenunterschied von 112 m. Die Kurvenradien gehen bis auf 278 m herunter. Der Streckenabschnitt ist somit nach den Standards für Gebirgsbahnen trassiert.[1][2] Zwischen Geislingen und Amstetten steigt die Strecke dabei mit bis zu 22,5 Promille an.[3] Sie gilt als die erste Gebirgsquerung einer Eisenbahn in Kontinentaleuropa.[4]

Inhaltsverzeichnis

Planung und Bau

Mit dem Gesetz betreffend den Bau von Eisenbahnen wurde am 18. April 1843[4] der Bau einer ersten Eisenbahnstrecke Württembergs von Heilbronn – damals Endpunkt der Neckarschifffahrt – nach Friedrichshafen am Bodensee beschlossen. Das größte Hindernis für den Bau war die ungünstige Topografie, denn zwischen Geislingen und Ulm musste die Schwäbische Alb überquert werden. Nachdem verschiedene Alternativen geprüft und verworfen worden waren, entschied man sich letztendlich für eine kurze und steile Rampe bei Geislingen, die Geislinger Steige.

Mit dem Bau der Eisenbahnrampe wurden Oberingenieur Michael Knoll und Oberbaurat Karl von Etzel, der auch durch die Brennerbahn durch (Süd-)Tirol Bekanntheit erlangte, betraut. Der Bau begann im Jahr 1847, beschäftigt wurden dafür ca. 3.000 Arbeiter, eröffnet wurde die Strecke 1850. Eng verbunden mit dem Bau der Rampe ist die Firma WMF (Württembergische Metallwarenfabrik) Geislingen an der Steige.

Im Rahmen der Planung war zunächst vorgesehen, die Trasse zwischen Göppingen und Geislingen beim Weigoldsberg in das obere Filstal (über Bad Überkingen) mit geringeren Steigerungen zu führen; diese Planungen wurden jedoch zu Gunsten der steileren Lösung mit der Geislinger Steige verworfen. Ebenfalls verworfen wurden Planungen, den Albabstieg gen Ulm mit derselben Neigung (über Bollingen, Mähringen und das Lehrer Tal) auszuführen, nachdem bei Vorarbeiten sich der Abstieg über das Örlinger Tal (mit Neigungen von 1:70) als teurer, aber betrieblich günstiger herausgestellt hatte.[4]

Betrieb

Schubloks vor dem Bahnhof Geislingen

Der Betrieb war für die Königlich Württembergischen Staats-Eisenbahnen (K.W.St.E.) wie auch später für die Deutsche Reichsbahn und die Deutsche Bundesbahn eine Herausforderung. Im Dampflok-Zeitalter musste jeder Zug nachgeschoben werden, deshalb sind die Bahnhöfe in Geislingen an der Steige sowie in Amstetten recht groß dimensioniert. Für Wartung und Reparatur der bereitstehenden Schiebelokomotiven gab es ein örtliches Bahnbetriebswerk.

Die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft elektrifizierte 1933 die Strecke. Die nun verwendeten Elektrolokomotiven waren wesentlich leistungsfähiger als die alten Dampflokomotiven, weshalb etliche Schubfahrten eingespart werden konnten. Für die weiter nötigen setzte man Lokomotiven der Baureihe E 93 (später 193) und Baureihe E 94 (194) ein. Sie lösten dort unter anderem die Dampflokomotiven der Baureihe 59 ab.

Von Februar bis April 1945 beschossen mehrfach alliierte Jagdbomber die Strecke. Es entstanden nur geringe Sachschäden.

Die Deutsche Bundesbahn bespannte die Züge ab den 1960er-Jahren überwiegend mit Einheitslokomotiven, später auch mit der DB-Baureihe 103. Am 28. Mai 1967 fuhr der erste Trans-Europ-Express (TEE) über die Geislinger Steige, dies war das Zugpaar 10/11 Rembrandt von München nach Amsterdam.

Im Februar 1975 ging der beidseitige Gleiswechselbetrieb zwischen Geislingen (Steige) und Amstetten in Betrieb, im März 1986 zwischen Geislingen West und Geislingen (Steige). 1987 ersetzten die Baureihen 140 (kurzzeitig) und 150 die Baureihe 194 als Schublokomotiven. Die Baureihe 150 ist mittlerweile ebenfalls ausgemustert. Nachschieben ist bei Reisezügen wegen der seit 1991 verkehrenden ICEs – seit 25. Februar täglich eine Durchfahrt – und starker Lokomotiven (z. B. Baureihe 101, Baureihe 120) weitestgehend unnötig geworden. Am 15. Oktober 1999 fuhr erstmals ein ICE 3 über die Steige nach München. Nach wie vor verkehrt alle zwei Stunden der IRE, der unter der Woche täglich viermal als Sprinter mit zwei Dieselloks der Baureihe 218, ansonsten mit Baureihe 146.2, von Lindau nach Stuttgart und zurück fährt. Durch Sandwichbespannung hält das Passieren der Geislinger Steige nur mehr wenig auf. Schwere Güterzüge dagegen werden wie ehedem nachgeschoben, für DB Schenker Rail-Züge stehen in Geislingen dafür zwei Lokomotiven der Baureihe 151 bereit. Seit verstärkt private Eisenbahnverkehrsunternehmen in Deutschland Gütertransporte durchführen, sind auf der Geislinger Steige auch private Schiebeloks anzutreffen (z. B. Class 66 der HGK).

Um 1991 wurden täglich bis zu 40 Güterzüge pro Tag auf der Geislinge Steige nachgeschoben.[5]

Ausblick

Die Höchstgeschwindigkeit in dem Streckenabschnitt beträgt derzeit 70 km/h, Züge mit ungekuppelter Schiebelok befahren die Steige mit nur 60 km/h. Die geplante Neubaustrecke Wendlingen–Ulm, eine Hochgeschwindigkeitsstrecke für Geschwindigkeiten bis 250 km/h, soll das Nadelöhr Geislinger Steige beseitigen. Auf ihr soll der Höhenunterschied bei Geislingen in zwei jeweils 8 km langen Tunneln überwunden werden. Im Juli 2007 wurde die noch fehlende Absicherung gegen finanzielle Risiken geregelt. Gegenwärtig (Stand: November 2010) steht für die Mehrzahl der Planfeststellungsabschnitte der Neubaustrecke die Planfeststellung noch aus.

Da die Neubaustrecke mit der geplanten Steigung von bis zu 35 Promille nur für leichte Güterzüge geeignet ist, schlagen Kritiker der Neubaustrecke vor, auf der Bestandsstrecke zwischen Süßen und etwa Lonsee einen Tunnel mit einer Längsneigung von höchstens 12,5 Promille zu errichten. Dabei seien nur etwa 130 Höhenmeter auf mit etwa 11 km Tunnel zu überwinden. Die Strecke zwischen Ulm und Stuttgart wäre dann voll schwergüterverkehrstauglich.[6]

Medien

Literatur

  • Korbinian Fleischer: Rund um die Geislinger Steige. Sutton Verlag, Erfurt 2011, ISBN 9783-86680-7662.
  • Karlheinz Bauer et al: Die Geislinger Steige – ein schwäbisches Jahrhundertbauwerk. Stadtarchiv Geislingen an der Steige, Geislingen an der Steige 2000.
  • Bernhard Stille: Filsthalbahn und Alpüberquerung. Erinnerungen an den Bau der Geislinger Steige. Veröffentlichungen des Stadtarchivs Geislingen, Band 4, Geislingen 1985.

Modellbau

Video

  • Rund um die Geislinger Steige (105 min, alphaCam, Blaustein, 1988)
  • 150 Jahre Geislinger Steige – Teil 1 (57 min, alphaCam, Blaustein, 2000) Bahnbaugeschichte, moderner Zugbetrieb
  • 150 Jahre Geislinger Steige – Teil 2 (56 min, alphaCam, Blaustein, 2000) Nostalgie bis 25 J. zurück (E194/Dampfloks usw.)
  • 150 Jahre Geislinger Steige – Teil 3 (56 min, alphaCam, Blaustein, 2000) Das Jubiläum 2000 mit Festakt u. Sonderfahrten

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Geschichtsverein Geislingen, S. 75.
  2. Geschichtsverein Geislingen, S. 89.
  3. Wolfgang Watzlaw: Vorplanung für die Ausbau-/Neubaustrecke Plochingen–Günzburg In: Die Bundesbahn. Jg. 63, Nr. 10, 1987, ISSN 0007-5876, S. 919–924.
  4. a b c Albert Mühl, Kurt Seidel: Die Württembergischen Staatseisenbahnen. 2. Auflage, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart, 1980, ISBN 3-8062-0249-4, S. 40–42.
  5. Deutsche Bundesbahn, Projektgruppe NBS der Bahnbauzentrale (Hrsg.): Information Ausbau- und Neubaustrecke Stuttgart – Augsburg. Zwölfseitiges Leporello, Stuttgart, Juni 1991.
  6. Hans Hermann: Das Problem ist das Projekt: Stuttgart 21 und die Schnellstrecke nach Ulm. In: ZEVRail - Glasers Annalen. Jahrgang 132 (2008), Heft 4 (April), S. 140–149.

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