Gemüseschlacht (Berlin)

Gemüseschlacht (Berlin)
Wasserschlacht 2005
Wasserschlacht 2005
Friedrichshainer Wasserwerfer 2004

Die als Demonstration angemeldete Gemüseschlacht (auch als Brückenschlacht oder Wasserschlacht bezeichnet) ist eine parodistische Auseinandersetzung mit den diffusen Animositäten der Bewohner der Berliner Ortsteile Kreuzberg und Friedrichshain, die im Rahmen einer Verwaltungsreform zum Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg zusammengefasst worden sind.

Ähnliche Aktionen gibt es bei der Gemüseschlacht Hannover, wo sich Bewohner der Stadtteile Linden und Nordstadt treffen, und in Leipzig, wo Sympathisanten der Kieze Connewitz und Plagwitz auf der toten Brücke des Schleußiger Weges aufeinandertreffen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Sie fand seit 1998[1] alljährlich im Sommer, zuletzt am 3. Juli 2009[2], auf der Oberbaumbrücke statt. Die Brücke führt über die Spree und ist eine historische Verbindung zwischen den beiden damals durch die Grenze zwischen Ost- und West-Berlin geteilten Bezirken Kreuzberg und Friedrichshain. Nach zwei Jahren Pause wegen laufender Gerichtsverhandlungen, gab es am 3. Juli 2009 wieder eine Schlacht, diesmal mit Unterstützung der Alba AG. Bereits eine Woche zuvor fand eine unangemeldete Wasserschlacht auf der Thielenbrücke zwischen Kreuzberg und Neukölln statt.[3]

Neun Schlachten von 1998 bis 2008 wurden von der Friedrichshainer Seite gewonnen.[4] Für das Jahr 2009 hatten die Bergpartei und die Berliner Piratenpartei angekündigt, gegeneinander anzutreten.[5][6] Allerdings fiel das für den 6. September anberaumte Spektakel aus organisatorischen Gründen aus.[7] Im Jahr 2011 sprang die Piratenpartei Friedrichshain-Kreuzberg als Anmelderin der Wasserschlacht, die am 28. August stattfinden sollte, ebenfalls ab. Der Konflikt wurde dennoch ohne polizeiliche Anmeldung ausgetragen und konnte erstmals von der Kreuzberger Seite für sich entschieden werden.[8]

Ablauf

Die Teilnehmer der Wasserschlacht versuchen mittels Beschusses mit teilweise faulem Obst und Gemüse die Bewohner des jeweils gegenüberliegenden Bezirks zurückzudrängen und diesen somit zu „erobern“. Die Waffen der grundsätzlich friedlich verlaufenden Veranstaltung bestehen u. a. auch aus Eierkatapulten, selbstgebastelten Wasserwerfern, Mehlbomben oder Schaumstoffschlagstöcken. Erlaubt ist alles, was matschig ist, glibbert, wabbelt und stinkt.

Ziel

Friedrichshain und Kreuzberg sehen dabei den jeweils anderen Stadtteil als abtrünnig an und bezichtigen sich gegenseitig, von dem anderen Bezirk völkerrechtswidrig abgespalten oder okkupiert worden zu sein. Friedrichshain bezeichnet Kreuzberg dabei als „Unterfriedrichshain“, Kreuzberg nennt Friedrichshain „Ostkreuzberg“. Erklärtes Ziel ist es daher immer, die Einheit der beiden Stadtteile – selbstverständlich unter eigener Führung – wiederherzustellen. Zusätzliche Ziele können willkürlich, teilweise auch spontan ergänzt werden. So fordert die Friedrichshainer Seite zusätzlich zum Beispiel die Unabhängigkeit von Berlin und der Bundesrepublik Deutschland sowie den Austritt Groß-Friedrichshains aus der NATO.

Zu Ausschreitungen kam es bisher nicht, bis auf einen Fall, der es aufgrund seiner Kuriosität bis ins Regionalfernsehen (RBB) geschafft hat.[9]

Plakat zur Wasserschlacht

Kampfverbände

Auf Friedrichshainer Seite tragen die Kampfverbände der linken Spaßguerilla Namen wie „Wasser-Armee-Friedrichshain (WAF)“, „Total Krasse Kreuzberg-Gegner (TKKG)“, „Friedrichshainer Feministische Frauen-Front (FFFF)“ oder „Anarcho-Zynistische-Offensive-Berlin-Fraktion Friedrichshain (AZOB-FF)“. Für Kreuzberg tritt unter anderem die „Kreuzberger Landwehr“ an, die sich als militärischer Arm der „Kreuzberger Patriotische Demokraten/Realistisches Zentrum“ (KPD/RZ) versteht. Die Berliner Sektion der Hedonistischen Internationale rief im Jahr 2008 dazu auf sich auf allen Seiten und zur Verwirrung mit wechselnden Fronten zu beteiligen.[10] Vertreter umliegender Bezirke traten ebenfalls immer wieder als Unterstützer der jeweiligen Seiten an. Hier sei vor allem die PANNÄ (Proletarische Plansch Armee Nord Neukölln-Ählitetrupp) zu nennen, die regelmäßig für die Befreiung des von Kreuzberg okkupierten Neuköllner Maybachufers kämpft. Landläufige Taktik ist es, auf Kreuzberger Seite anzutreten um dann vor Beginn der Schlacht umzudrehen und die Vorhut der Friedrichshainer zu bilden.

Dank der überlegenen Artillerie (Wasserwerfer und Gemüseschleudern) und des höheren Mobilisierungsgrads ging Friedrichshain in den vergangenen Jahren nach Berichten unabhängiger Beobachter regelmäßig als Sieger aus der Wasserschlacht hervor, was von Kreuzberger Seite allerdings bestritten wird („Parthischer Rückzug“).

Die Wasserschlacht im Film

Die Regisseure Katarzyna „Kasia“ Klimkiewicz (Polen) und Andrew Friedman (USA) produzierten für den im Rahmen des Berlinale Talent Campus vergebenen Berlin Today Award 2007 einen Dokumentarkurzfilm über die Berliner Wasserschlacht. Der Film gewann den ersten Preis des Wettbewerbs und gewährt einen „unterhaltsamen Einblick in deutsche Sitten und politische Gebräuche und portraitiert zugleich die wohl ungewöhnlichste Demonstration an der ehemaligen Ost-West-Grenze Berlins. […] Wasserschlacht — The Great Border Battle ist ein Kurzfilm, der von einem Ereignis berichtet, das so nur in Berlin stattfinden konnte. Geistreich und nicht allein gag-orientiert, wirklichkeitsnah und kein bisschen prätentiös.“ (Berlinale Talent Campus Pressemittleilung #5 vom 10. Februar 2007).

Weblinks

Belege

  1. http://www.tagesspiegel.de/berlin/;art270,2064166
  2. Aufruf und Bilder der Wasserschlacht 2008
  3. Artikel im Tagesspiegel: Wasserschlacht: Neuköllner gegen Kreuzberger
  4. http://www.taz.de/1/leben/alltag/artikel/1/kreuzberg-bleibt-ein-mythos-1/
  5. Berliner Piraten-Parteitag Spiegel-Online vom 2. Juli 2009
  6. Piratenpartei Berlin
  7. Info Wasserschlacht 2009; abgerufen am 7. Oktober 2009
  8. http://www.tagesspiegel.de/berlin/wasserschlacht-findet-trotz-absage-statt/4548494.html
  9. Artikel des Berliner Kuriers
  10. Aufruf der Hedonistischen Internationalen zur Wasserschlacht

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