Georg Jenatsch

Georg Jenatsch
Jenatsch 1636

Georg (auch: Jörg oder Jürg) Jenatsch (* 1596 in Samedan; † 24. Januar 1639 in Chur) war ein Schweizer Pfarrer und Politiker und gilt als der Retter Graubündens im Dreissigjährigen Krieg.

Jenatsch auf einer Zeichnung von Heinrich Kraneck, 1832

Inhaltsverzeichnis

Leben

Georg Jenatsch wurde 1596 geboren. Bis heute ist nicht restlos geklärt, ob er in Samedan im Oberengadin oder in Lohn im Schams zur Welt kam. Seine Kinderjahre verbrachte er im Pfarrhaus von Silvaplana. 1610 besuchte Jenatsch das Lektorium in Zürich, 1616 immatrikulierte er sich an der theologischen Fakultät der Universität Basel. Nach Studienabschluss wirkte er ab 1617 als Prädikant in Scharans im Domleschg.

Ab 1618 beteiligte sich Jenatsch an den wilden Parteikämpfen innerhalb der Drei Bünde. Er trat am Strafgericht von Thusis als fanatischer Gegner der spanisch-katholischen Partei auf und war mitverantwortlich für den Justizmord an Nicolò Rusca, Erzpriester von Sondrio, und Johann Baptist Prevost von Vicosoprano. Im gleichen Jahr wurde Jenatsch reformierter Prädikant in Berbenno bei Sondrio in der mehrheitlich katholischen Talschaft Veltlin. 1620 entkam er knapp dem Veltliner Protestantenmord nach Silvaplana. Als Racheakt ermordete Jenatsch im Jahre 1621 mit einigen Helfern den Führer der spanisch-katholischen Partei in den Drei Bünden Pompejus Planta auf seinem Schloss Rietberg im Domleschg.

Nach dem Einmarsch der Spanier und Österreicher in den Drei Bünden 1620 wurde das Land in den Bündner Wirren in den Dreissigjährigen Krieg hineingezogen. Jenatsch begann eine militärische Karriere, zuerst als Partisanenführer, dann als Hauptmann der Kavallerie in der Armee des pfälzischen Generals Ernst von Mansfeld. 1627 stieg er zum Major auf und liess sich auf ein Duell mit seinem Vorgesetzten ein, Oberst Jacob von Ruinelli, den er erdolchte. Im folgenden Jahr trat er in venezianische Dienste ein, wurde dort aber inhaftiert und zog darauf 1629 mit seiner Familie auf das Schloss Katzensteig bei Bischofszell im eidgenössisch beherrschten Thurgau.

Als 1634 der reformierte Herzog Henri II. de Rohan im Auftrag Kardinal Richelieus Graubünden besetzte, war Jenatsch im Rang eines Obersten seine rechte Hand. Da aber Richelieu Absichten zeigte, Graubünden und dessen Untertanengebiete als Pfand für den Friedensschluss zu behalten, führte Jenatsch zur Befreiung seiner Heimat Verhandlungen mit Österreich-Spanien. Zu diesem Zweck trat er 1635 im Kloster Rapperswil zur katholischen Kirche über. Es gelang ihm in meisterhafter Weise, Rohan zu täuschen und zugleich die Bündner beim französischen Heer sowie das ganze Land für seinen Plan zu gewinnen. Er wurde zum General der Drei Bünde ernannt und war mit der Unterstützung Spaniens in der Lage, die Franzosen am 5. Mai 1637 zum Abzug zu zwingen. Zugleich gelang es ihm mit diplomatischem Geschick, von Spanien die Rückgabe des Veltlins an Graubünden zu erwirken.

«Der Untergang des Jürg Jenatsch»
Historienbild von E. Sturtevant
Sturtevants Darstellung beruht genau auf der Romanvorlage von C.F. Meyer: Jenatsch streckte sich nach dem nahen Kredenztische aus und erreichte dort mit der freien Hand einen schweren ehernen Leuchter, dessen gewichtigen Fuss er gegen seine Angreifer schwang, die von vorn fallenden Hiebe parierend.
Ort des ehemaligen Staubigen Hüetlis, heute Teil des Alten Gebäu

Von da an war Jenatsch der politische und militärische Lenker seines Landes, wurde als «Direktor» des spanisch-österreichischen Bündnisses mit Reichtümern überschüttet und durch Philipp IV. von Spanien geadelt. Bei einem nächtlichen Gelage in Chur wurde er in der Fasnachtszeit während eines Trinkgelages in der Wirtschaft des Pastetenbäckers Lorenz (Laurentz) Fausch, dem «Staubigen Hüetli», am 21. Januar 1639 von einer Gruppe von maskierten Verschwörern ermordet. Der erste Täter, als Bär verkleidet, feuerte mit einer Pistole auf ihn, worauf ihn die anderen mit Knüppeln und Äxten niederstreckten.[1] Jenatsch wurde noch gleichentags in einer aufwändigen Trauerfeier in der Kathedrale in Chur beigesetzt.[2] Das «Staubige Hüetli» stand an der Stelle des Alten Gebäu an der Poststrasse 14.[3]

Die Mörder konnten nie ermittelt werden, es wurde aber vermutet, dass neben den von Planta und Guler auch spanische Agenten an der Ermordung beteiligt waren.

Exhumierung

Im Sommer 1959 exhumierte der Zürcher Anthropologe Erik Hug (1911–1991) in der Churer Kathedrale den Leichnam von Georg Jenatsch.

Obwohl die Exhumierung allein aus wissenschaftlichen Gründen in jener Zeit aussergewöhnlich war, unterstützte der damalige Churer Bischof Christian Caminada die Aktion. Am 30. Juli stiessen die Arbeiter vor dem Katharinenaltar in der Kathedrale links des Eingangs auf ein Skelett, das für dasjenige von Jenatsch gehalten wurde. Obwohl der Bischof die Suche daraufhin für beendet erklärte, liess Hug ohne Erlaubnis weitergraben. Am 4. August 1959 stiess ein Arbeiter 110 Zentimeter unterhalb des heutigen Steinbodens östlich der Stelle, wo bis 1921 die Grabplatte Jenatschs gelegen hatte, auf einen Schädel mit zertrümmerter Schläfe und schwarzen Haarbüscheln. Die vollständige Exhumierung fand – nun mit dem Einverständnis des Bischofs – am 5. August statt.

Die auf dem Rücken liegende Leiche war bereits stark zersetzt; vom Schädel hatten sich nur die vordere Seite und die Schädeldecke erhalten. Von den übrigen Knochen fanden sich nur noch Reste des rechten Unterarms, eines linken Handwurzelknochens, des linken Schambeins sowie Reste des linken Beines und Fusses. Die Körperlänge betrug etwa 170 Zentimeter.

Jenatsch war in seinen Kleidern – Schultermantel, Seidenweste, Hemd, Kniehose und Kniestrümpfen – in einem konischen Sarg aus Tannenholz bestattet worden. Unter dem Hemd trug Jenatsch ein Skapulier, zudem fanden sich unter anderem Reste eines Rosenkranzes und zwei Medaillons.

Am 4. August 1961 wurden die Gebeine in der gleichen Grube wieder beigesetzt. Kleider, Skapulier und Rosenkranz wurden zurückbehalten. Sie werden im Churer Domschatzmuseum aufbewahrt.

Nach Auseinandersetzungen mit einem Bünder Historiker vermachte Erik Hug seine umfangreichen Untersuchungsunterlagen nicht wie versprochen dem Bündner Staatsarchiv, sondern dem Kloster Einsiedeln, wo sie im Juli 2009 18 Jahre nach Hugs Tod nach langer Suche in einem Tresorfach wieder zum Vorschein kamen. Bisher wurden die Untersuchungsergebnisse nicht veröffentlicht.[4]

Rezeption

Literatur

  • Silvio Färber: Jenatsch, Jörg (Georg) im Historischen Lexikon der Schweiz
  • Ernst Haffter: Georg Jenatsch: ein Beitrag zur Geschichte der Bündner Wirren. Davos: Richter 1894.
  • Randolph C. Head: Jenatsch's axe: social boundaries, identity, and myth in the era of the Thirty Years' War; University of Rochester Press, Rochester, New York, 2008. ISBN 978-1-58046-276-1 in der Reihe Changing Perspectives on Early Modern Europe, ISSN 1542-3905
  • Christian Immanuel Kind: Jenatsch, Georg. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 13, Duncker & Humblot, Leipzig 1881, S. 763–766.
  • Wolfram Mirbach: Jenatsch, Georg (Jürg). In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 3, Herzberg 1992, ISBN 3-88309-035-2, Sp. 23–24.
  • Alexander Pfister: Georg Jenatsch: sein Leben und seine Zeit; zu seinem dreihundertsten Todestage. - Basel 1938. (Neuauflage 1984)
  • Manuel Janosa: Die Exhumierung des Jörg Jenatsch im Jahre 1959 in Bündner Monatsblatt 5/2010

Weblinks

 Commons: Georg Jenatsch – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Peter Dürrenmatt: Schweizer Geschichte, Schweizer Verlagshaus, Zürich 1976
  2. HLS
  3. Stadt Chur
  4. Manuel Janosa: Die Exhumierung des Jörg Jenatsch im Jahre 1959; Bündner Monatsblatt 5/2010
  5. Universaledition

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