Georg Picht

Georg Picht

Georg Picht (* 9. Juli 1913 in Straßburg; † 7. August 1982 in Hinterzarten) war ein deutscher Philosoph, Theologe und Pädagoge. Er prägte 1964 den Begriff der „Bildungskatastrophe“, mit dem er die Situation des seinerzeitigen Bildungswesens in der Bundesrepublik charakterisierte und eine breite Debatte auslöste.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Seine Mutter war Greda Picht, von Beruf Übersetzerin aus dem Französischen. Sein Vater Werner Picht war Leiter des Referats für Erwachsenenbildung im preußischen Kultusministerium. Er galt als einer der Vordenker der Erwachsenenbildung in Deutschland.

Georg Picht konnte aus einer umfassenden und gründlichen altphilologischen und philosophischen Bildung schöpfen. Sein Themenhorizont reichte von den Anfängen der griechischen Philosophie über Kant und Nietzsche bis hin zu den politischen und ökologischen Weltproblemen des 20. Jahrhunderts. Im Zentrum stand für ihn die Frage nach den „Bedingungen der Möglichkeit von menschlicher Vernunft in der Geschichte“ (Wahrheit, Vernunft und Verantwortung, S. 7) und damit nach der Verantwortung.

„Die Vernunft kann die Wahrheit, die für sie konstitutiv ist, nur erkennen, indem sie Zukunft antizipiert. Ermöglicht und erzwungen wird die Antizipation von Zukunft im menschlichen Denken durch die geschichtlichen Aufgaben, die diesem Denken gestellt sind. Deswegen lässt sich im Bereich einer nicht mehr metaphysisch, sondern vom Wesen der Zeit her begriffenen Wahrheit die innere Möglichkeit von Vernunft nur aus der Verantwortung des Menschen für seine zukünftige Geschichte begründen.“

Wahrheit, Vernunft und Verantwortung, S. 7

Georg Picht war mit der Pianistin und Cembalistin Edith Picht-Axenfeld verheiratet. Er gehörte schon seit seinen jungen Jahren zu den engsten Freunden von Carl Friedrich von Weizsäcker und Hellmut Becker. Bis zu seinem Tod lebte er in Hinterzarten auf dem Birklehof.

Berufsweg

Picht studierte Altphilologie und Philosophie und wurde in Freiburg akademischer Schüler von Martin Heidegger. Nach einer Forschungstätigkeit an der Berliner Akademie der Wissenschaften kehrte er 1942 als Lehrbeauftragter nach Freiburg zurück und promovierte im selben Jahr. 1946 gründete er ein Internatsgymnasium im Gebäude der ehemaligen Privatschule Birklehof und war dort zehn Jahre lang Schulleiter. Schon Ende der 1940er Jahre begann Picht mit dem Aufbau eines sprachwissenschaftlichen Platon-Archivs am Birklehof, das lange von der DFG unterstützt wurde und unter anderem der sprachwissenschaftlichen und pädagogischen Nachwuchsausbildung im Bereich des Altgriechischen dienen sollte. Mitte der 1950er Jahre wurde die Arbeit am Platon-Archiv eingestellt, auch wenn die Finanzierung bis weit in die 60er Jahre noch durch die DFG weiterlief.[1]

1961 gehörte er zu den Unterzeichnern des Tübinger Memorandums. Er prägte 1964 den Begriff der „Bildungskatastrophe“, mit dem er die Situation des seinerzeitigen Bildungswesens in der Bundesrepublik charakterisierte und eine breite Debatte auslöste.

Von 1964 bis zu seiner Emeritierung 1978 war Georg Picht Inhaber des Lehrstuhls für Religionsphilosophie an der Universität Heidelberg. Er war zudem 24 Jahre lang der Leiter der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) in Heidelberg.

Mitgliedschaften

  • Deutscher Ausschusses für das Erziehungs- und Bildungswesen von 1952 bis 1962.
  • Deutsche Gesellschaft für Friedens- und Konfliktforschung.
  • Schriftstellervereinigung P.E.N. seit 1965

Schriften

  • Die deutsche Bildungskatastrophe. Analyse und Dokumentation, Freiburg i. Br. 1964, 2. Aufl., München 1965
  • Die Verantwortung des Geistes. Pädagogische und politische Schriften, Stuttgart 1965
  • Mut zur Utopie. Die großen Zukunftsaufgaben, München 1969 (auch in: Hier und Jetzt, Bd. 2)
  • Wahrheit. Vernunft. Verantwortung. Philosophische Studien, Stuttgart 1969
  • Hier und Jetzt, Philosophieren nach Auschwitz und Hiroshima, Bd. I, Stuttgart 1980
Inhalt: I. Anthropologische Grundlagen des Rechts und der Ethik, II. Die geschichtliche Natur des Menschen, III. Philosophieren gegen öffentliche Meinung, IV. Zum philosophischen Verständnis der Sprache, V. Zum Thema: Zeit und Sein (u. a. über Aristoteles und Kant; über Verantwortung)
  • Hier und Jetzt. Philosophieren nach Auschwitz und Hiroshima, Bd. II, Stuttgart 1981
Inhalt: I. Die globale Krise der wissenschaftlich-technischen Zivilisation, II. Probleme der Friedensforschung, III. Jetzt und Hier (Ist eine philosophische Erkenntnis der politischen Gegenwart möglich?), IV. Ökologie und Umweltschutz, V. Erziehung-Bildung-Wissenschaft; Über das Böse
  • (Hrsg.), Theologie-was ist das?, Stuttgart 1977
  • Humanökologie und Frieden, hrsg. v. Constanze Eisenbart, Stuttgart 1979 (drei Aufsätze von Picht)
  • Vorlesungen und Schriften in 11 Bänden:
  1. Kants Religionsphilosophie, Stuttgart 1998, 3. A.
  2. Kunst und Mythos, Stuttgart 1992, 2. A.
  3. Aristoteles „De Anima“, Stuttgart 1992, 2. A.
  4. Nietzsche, Stuttgart 1993. 2. A.
  5. Der Begriff der Natur und seine Geschichte, Einf. C. F. v. Weiz., Stuttgart 1998, 4. A.
  6. Platons Dialoge „Nomoi“ und „Symposion“, Stuttgart 1992, 2. A.
  7. Glauben und Wissen, Stuttgart 1994, 3. A.
  8. Zukunft und Utopie, Stuttgart 1992
  9. Geschichte und Gegenwart Stuttgart 1993
  10. Fundamente der griechischen Ontologie, Stuttgart 1996
  11. Von der Zeit, Stuttgart 1999

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vgl. Teresa Löwe: „Georg Picht und die Schule Birklehof in der Nachkriegszeit (1946–1955)“, Vorbereitungstext für das Treffen der Altbirklehofer der Nachkriegsgeneration vom 19. bis 22. Mai 2004, Berlin, Februar 2004 - s. Weblinks -

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