Gerardo Segarelli

Gerardo Segarelli

Gerardo Segarelli, auch Gherardo Segarelli oder Segalleli, (* um 1240 Segalara in der Provinz Parma; † 18. Juli 1300 in Parma) stiftete die Sekte der Apostelbrüder (lateinisch Apostolici). Diese Gemeinschaft wurde von der katholischen Kirche weder als Orden noch ihre Lehren anerkannt, was schließlich dazu führte, dass Segarelli als Häretiker auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Frühe Jahre

Gerardo Segarelli arbeitete als Handwerker in Parma. In den 1250er Jahren reifte in ihm der Gedanke, der Welt zu entsagen und in ein Kloster der Franziskaner zu gehen. Der Orden nahm ihn jedoch wegen extremer Ansichten nicht in seine Reihen auf.[1] Er blieb gleichwohl in der Nähe des Klosters und besuchte dessen Kirche, um darin zu sitzen[2] und vor dem Altar niederzuknien. Möglicherweise durch ein Bild der Zwölf Apostel über dem Altar beeinflusst, ließ er Bart und Haare wachsen, ging barfuß und kleidete sich in eine weiße Tunika, um den Habitus der ersten Christen nachzuahmen. Im Jahr 1260 begann er als Bußprediger in der Stadt umher zu ziehen, in einfacher Weise als Apostel gekleidet. Er verkaufte seine Habe und verteilte den Erlös unter den Armen in der Stadt. Etwa drei Jahre später stießen andere zu ihm und er sammelte eine Gemeinschaft von etwa 30 Personen um sich, die sich „Apostelbrüder“ nannte.

Apostoliker

Die Apostelbrüder trachteten danach, die einfache Form der apostolischen Lebensgemeinschaft wiederherzustellen. Sie predigten das nahe Ende der Welt und forderten ihre Mitbürger auf, Buße zu tun. Von seinen Zuhörern erbat Segarelli Nahrung und Almosen, die er stets mit Ärmeren teilte. Er gab sich als Apostel aus und ließ durchblicken, Kontakt mit dem verstorbenen Franz von Assisi zu pflegen.[3] Als eine Gruppe entstanden war, ließ sich Segarelli nach anfänglichen Ausflüchten zu ihrem Anführer wählen. Sie zog singend durch die Straßen und erhielt ihren Zulauf aus den Reihen der Armen. Segarelli begann nun in anderen Städten zu predigen. Die Bewegung breitete sich bald vorwiegend in Oberitalien aus, doch auch im Heiligen Römischen Reich, in Frankreich, Spanien und England waren Apostelbrüder aktiv. Der Sekte gehörten auch weibliche Mitglieder an.

Konflikte mit der Amtskirche

Im Jahr 1280 ließ der Bischof von Parma Gerardo Segarelli gefangen nehmen. Im Verhör fanden die Befrager nichts Strafbares in seinen Predigten und seinem Treiben, weshalb er freikam. Er wurde als armer, verwirrter Visionär eingestuft. Der Ausbreitung von Segarellis Ideen versuchte Papst Honorius IV. mit einer Bulle vom 11. März 1286 entgegenzuwirken, indem er die Lehren der Apostoliker verdammte. Nach unangenehmem Auffallen der Apostelbrüder und –schwestern wurde Segarelli 1286 vom Bischof als Schwärmer aus seiner Diözese verbannt. Ein Konzil in Würzburg im Jahr 1287 führte für die Apostoliker zum Verbot des Bettelns und Predigens. Die anderen Gläubigen wurden gewarnt, Sektenmitglieder durch Lebensmittel oder Wasser zu unterstützen.

Segarelli übernahm wieder die Spitze der Apostelbrüder und ereiferte sich ab 1290 besonders gegen die Verweltlichung des Klerus und die Zustände in der Kirche. Papst Nikolaus IV. bekräftigte am 7. März 1290 in einer Bulle die Ablehnung der Sekte.[4] Als Segarelli entgegen dem Verbot nach Parma zurückkehrte, wurde er 1294 festgenommen. Der Bußprediger widerrief vor dem Bischof Obizzo Sanvitale seine Lehren als irrig und wurde anschließend zu lebenslanger Haft verurteilt. Vier seiner mitgefangenen Anhänger wurden bei lebendigem Leibe verbrannt. Im Jahr 1300 wurde ein neuerlicher Prozess gegen Segarelli geführt. Dabei wurde er vom Inquisitor Manfredo da Parma als Rückfälliger der Häresie schuldig gesprochen und nach dem Urteil verbrannt. Nach Hinrichtung des Kirchenkritikers drangen empörte Menschen in das Gebäude des Inquisitors ein und verwüsteten Räume.[5]

Die Führung der Apostelbrüder übernahm nach Segarellis Hinrichtung Fra Dolcino.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Otto Schiffler: Ketzer und Hexen, Seite 178. ISBN 3-8311-4694-2, abgefragt am 13. November 2010
  2. Karl Julius Weber: Die Möncherey oder geschichtliche Darstellung der Klosterwelt, Band 2, Seite 307. Stuttgart 1834., abgefragt am 13. November 2010
  3. Apostelorden. In: Heinrich August Pierer, Julius Löbe (Hrsg.): Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit. 4. Auflage. Bd. 1, Altenburg 1857, S. 613 (Online bei zeno.org).
  4. Joseph Ignaz Ritter: Handbuch der Kirchengeschichte, Band 2, Seite 292. Bonn 1828, abgefragt am 13. November 2010
  5. Josif R. Grigulevic: Ketzer, Hexen, Inquisitoren, Seite 167. ISBN 3-89484-500-7, abgefragt am 13. November 2010

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